Berlin Manuela Schwesig beim Parlamentarischen Abend des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) zum "Jahr der Jugend"

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Fleckenstein,

lieber Franz Müntefering,

liebe Heike Taubert,

liebe Iris Gleicke,

lieber Christian Lange,

liebe Caren Marks,

sehr geehrte Frau Staatssekretärin Rogall-Grothe,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

sehr geehrte Damen und Herren,

I.

vor zwei Wochen,beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag,hatten die Veranstalter ein Video produziert,in dem Jugendliche ihre Vorstellungen von einem Leben in Deutschland und Europa formuliert haben.

Die Jugendlichen haben klare Meinungen und Forderungen.Sie wollen politisch beteiligt, gehört und ernst genommen werden. Eine gute Ausbildung bekommen, Europa erhalten und seine Zukunft gestalten.Es wurde auch deutlich,dass diese Jugendlichen nicht nur an sich selbst denken.

Die Umwelt,Bildung und Chancengleichheit,die Situation der Menschen in den Krisenländern Europas:Auch das treibt die Jugendlichen um, dafür setzen sie sich ein.Tatsächlich ist die Jugendarbeitslosigkeit,heute eines der wichtigsten Probleme Europasund sicherlich eine der Hauptaufgaben der neuen Kommission.

Hierzulande ist,wenn wir über aktuelle Herausforderungen sprechen,oft vom demografischen Wandel die Rede.Wir diskutieren über Kinderwünsche und Familienpolitik,über Rente und Pflege.

Dabei geht es zu selten um die Jugendlichen.Obwohl diese Generation,die "Jugend von heute",in 10, 20, 30 Jahren unsere Gesellschaft prägen wird.Gesellschaftspolitik ohne Jugendliche geht nicht.

II.

Deshalb finde ich es gut,dass der ASB dieses Jahr zum "Jahr der Jugend" erklärt hat.

Der ASB bringt doppelt Kompetenz bei diesem Thema mit.Viele Kinder und Jugendliche werden von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe des ASB ins Leben begleitet.Dabei geht es dem ASB darum,allen Kindern und Jugendlichen ein Aufwachsen mit gleichen Chancen zu ermöglichen.Ich teile ganz ausdrücklich dieses Ziel.Kinder haben ein Recht auf gutes Aufwachsen.

Gleichzeitig sind im ASB selbst Jugendliche aktiv,genauer gesagt: in der Arbeiter-Samariter-Jugend.Die ASJ macht Freizeit- und Bildungsangeboteund gibt Kindern und Jugendlichen als Verband eine Stimme.Dabei spielt, und das möchte ich hier ausdrücklich mal herausgreifen, auch Erste Hilfe eine Rolle.

Erste-Hilfe-Kurse sind sicherlich nicht das erste, woran man denkt,wenn man Jugendliche für ein Mitmachen im eigenen Verband gewinnen will.Aber wir wissen alle,wie wichtig Erste-Hilfe-Kenntnisse in der Bevölkerung sind.

Und wir wissen auch alle,wie sehr wir dazu neigen,diese Kurse schleifen zu lassenund unser Wissen nicht mehr aufzufrischen.Einen Wettbewerb in Erster Hilfe, wie er auf dem Bundesjugendtreffen der ASJ Ende Mai/ Anfang Juni in Berlin stattgefunden hat, finde ich daher eine ziemlich coole Idee.

Zumal die Gewinner zum internationalen Erste-Hilfe-Wettbewerb nach Italien fahren dürfen.Und zumal die Erste Hilfe ganz am Anfang der Geschichte des Arbeiter-Samariter-Bundes stand.Samariter, das war damals, im 19. Jahrhundert, ganz einfach das Wort für Ersthelfer.Alle im ASB wissen das.

Ich freue mich,dass ich als Bundesjugendministerinin Ihrem Jahr der Jugendden Parlamentarischen Abend des ASB eröffnen darf.

Danke für die Einladung!

III.

Ich will noch einmal anknüpfen an die Bedeutung der Jugend im demografischen Wandel.Es ist ja nicht nur so,dass wir zwischen Familienpolitik und Rentenreform die Jugendlichen nicht vergessen dürfen.

Jugend spielt in der Gesellschaft immer auch eine besondere Rolle.Jugend ist Zukunft.Jugend stand immer für Veränderung, für Fortschritt, für Aufbruch, für den Mut, Neues zu schaffen.Jede Gesellschaft braucht den Rat und die Impulse der Jugend.

Jugend ist auch eine ganz eigenständige Lebensphase.Der Lebensabschnitt, in der ein Mensch vom Kind zum Erwachsenen wird,eine erwachsene Persönlichkeit entwickeltund den eigenen Platz in der Gesellschaft findet.Eine Phase des Ausprobierens,des Entscheidens und Um-Entscheidens.

Die Jugendforschung ist der Ansicht,dass die Jugendphase heute früher beginntund später endet als in vergangenen Jahrzehnten.Jugend verändert sich und wird vielfältiger.Einerseits ging es Kindern und Jugendlichen in Deutschland noch nie so gut wie heute.Andererseits steht etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichenin der Gefahr, abgehängt zu werden, weil sie in Armut aufwachsen.Es gibt also nicht die Jugend von heute.

Dennoch ist die Jugend eine besondere Lebensphase mit ihren Herausforderungen und ihren Möglichkeiten.

Wir brauchen eine Jugendpolitik,die diese eigenständige Lebensphase berücksichtigt.Eine Eigenständige Jugendpolitik.

IV.

Die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitikwar in den vergangenen Jahren ein breit angelegter Prozess,an dem viele mitgewirkt haben.In dieser Legislaturperiode will ich vom Reden zum Handeln kommen.

Für mich steht bei der Eigenständigen Jugendpolitik im Vordergrund, dass

  • wir junge Menschen beteiligen,
  • dass wir sie mitnehmen und mitmachen lassen bei allen sie betreffenden Entscheidungen und Maßnahmen
  • und dass wir die Organisationen und Institutionen stärken, die das ermöglichen.

Ich möchte darüber hinaus,dass die Interessen von Jugendlichen zukünftig bei Vorhaben des Bundes systematisch beachtet und eingebracht werden.Wir werden deshalb gemeinsam mit Jugendlichen einen Jugend-Check entwickeln,der überprüft,ob die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden.

Ich will nicht nur für junge Menschen Politik machen.Ich will mit ihnen Politik machen.Ich will auf die Jugendlichen hören,auf ihre Fragen und ihre Lösungen.Jugendpolitik fängt damit an,dass wir junge Menschen ernst nehmen.Dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen.

V.

Gleichzeitig braucht eine Eigenständige Jugendpolitik starke Partner und Bündnisse.Ohne die Jugendverbände geht es nicht!In den Jugendverbänden lernen Kinder und Jugendliche,sich selbst zu organisieren.Sie finden dort ihre eigenen Orte,gestalten ihr eigenes Miteinander.

Ich habe viele Vertreterinnen und Vertreter der Jugendverbändeim letzten Monat treffen und mich von der Vielfalt ihrer Arbeit überzeugen können.Ob Pfadfinder oder Trachtenjugend,ob Sportjugend, Jugendfeuerwehr oder eben ASJ:Jugendverbände sind unverzichtbare Partner der Eigenständigen Jugendpolitik.Ich habe mich deshalb sehr dafür eingesetzt,dass wir auch die finanzielle Ausstattung der Jugendverbände endlich verbessern,und ich darf Ihnen sagen(obwohl der Haushalt erst in den nächsten Tagen endgültig verabschiedet wird):Wir haben uns damit durchgesetzt!

VI.

Wenn wir hier über ein Jahr der Jugend sprechen, geht es mir aber auch um die Kinder und Jugendlichen, die Gefahr laufen, abgehängt zu werden.An dieser Stelle sage ich bewusst "Kinder und Jugendliche",weil bei der Frage nach den Lebenschancenentscheidende Weichen schon viel früher gestellt werden.Nicht erst in der Jugend, sondern schon in der Kindheit und sogar schon in der frühen Kindheit.

Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Anfang an.Alle Kinder haben ein Recht auf ein gesundes Aufwachsen frei von Armut und mit allen Chancen für ihr Leben.Das wird meine wichtigste Aufgabe als Bundesjugendministerin sein.

Zum Beispiel, wenn es um die Qualität in der Kindertagesbetreuung geht.Ich habe mit den Jugend- und Familienministerinnen und -ministern der Länder eine Bund-Länder-Konferenz zum Thema Qualität im Herbst vereinbart.Dieses Thema können wir nur gemeinsam angehen, Bund, Länder und Kommunen.Ich habe vor, die Programme meines Ministeriums an dieser Stelle zu bündeln und gezielt in Qualität zu investieren.

VI.

Bei einem so wichtigen Verband wie dem ASB kann ich- Jahr der Jugend hin oder her - nicht sprechen,ohne etwas zu Familienpolitik zu sagen.Weil gute Kinderbetreuung auch ein Familienthema ist.Weil zum ASB ebenso Angebote für Familien gehören wie die Kinder- und Jugendhilfe.Und weil mir Partnerschaftlichkeit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders am Herzen liegt.

Wir haben vor ein paar Wochen im Kabinettdas Elterngeld Plus auf den Weg gebracht.Wir gehen damit neue Wege,weil sich die Wünsche und die Wirklichkeit von Familien ändern.Immer mehr Mütter mit kleinen Kindern gehen ihrem Beruf nach.Immer mehr Väter möchten sich stärker am Familienleben beteiligen.Partnerschaftlichkeit ist das, was sich die jungen Paare wünschen.Das Elterngeld Plus setzt dabei an mehreren Stellen an.Eltern, die Kind und Beruf gemeinsam managen,werden länger gefördert.

Ich will den schnellen Wiedereinstieg gerade von Frauenin den Beruf unterstützen - aber so, dass Zeit für die Kinder bleibt.Diejenigen, die weniger verdienen, haben künftig die Chance,sich besserzustellen,indem sie Teilzeitarbeit und Elterngeld Plus kombinieren.Und einen Partnerschaftsbonus von vier Monaten pro Elternteilgibt es obendrauf,wenn beide Eltern in der Elternzeitzwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sind.

Das Elterngeld Plus ist für aber nur der erste Schritt.Ich werde weiter für eine Familienarbeitszeit eintreten.Nicht die Familien müssen flexibler werden- die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden.Familien brauchen Zeit, Geld und Infrastruktur.

Zur Infrastruktur gehört die Kinderbetreuung,von der ich gesprochen habe,aber auch andere Angebote, die der ASB ebenfalls bereitstellt.Ob Familienberatung, Familienhilfe oder Mutter-Kind-Kliniken.

Nicht zu vergessen die Hilfen im Alterund die Entlastung pflegender Angehöriger.Denn Vereinbarkeit von Beruf und Familieumfasst auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege.Als Bundesfamilienministerin sehe ich mich als Partnerinder Verbände- für Familien, für alte Menschen, für Kinder und Jugendliche.

Ich arbeite schon immer gerne und gut mit dem ASB zusammen.Ich bitte Sie weiterhin um ihr Vertrauen,um Ihre Unterstützung,und biete Ihnen meinerseits ebenfalls eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an.

Viel Erfolg, besonders im Jahr der Jugend - und uns heute allen einen schönen Abend!