Berlin Manuela Schwesig bei der Verleihung des Deutschen Alterspreises der Robert Bosch Stiftung

Es gilt das gesprochene Wort


Sehr geehrter Herr Dr. Liedtke,

sehr geehrter Herr Professor Rogall

sehr geehrte Mitglieder der Jury,

liebe Vertreterinnen und Vertreter der nominierten Projekte,

liebe Gäste,

vor ein paar Wochen titelte das Berliner Stadtmagazin "Tip": "Älter werden? Supergeil!" Untertitel: "Warum Coolness keine Frage des Alters ist." - Ungefähr gleichzeitig schickte mir Hajo Schumacher sein neues Buch. Untertitel: "Wie ein gutes, lustiges und bezahlbares Leben im Alter gelingen kann."

Dass beides zusammenkam, ist ein Zufall und sicherlich kein Beweis dafür, dass sich die Altersbilder in unserer Gesellschaft grundlegend geändert haben. Aber wenn ich mir die Nominierten für den Deutschen Alterspreis ansehe, fällt es mir ebenfalls auf: Altwerden kann schon ziemlich cool sein. Oder vielleicht war Altwerden schon immer cool, und wir haben es nur nicht so gesehen.

Dann wird es Zeit, dass der Deutsche Alterspreis der Robert Bosch Stiftung das ändert. Der Preis macht gute Beispiele des Lebens im Alter bekannt, aber auch gute Beispiele dafür, wie man sich mit alten Menschen und für alte Menschen engagieren kann. Jeder Jahrgang an Nominierten und Preisträgern ist ein bisschen anders zusammengesetzt. Aber man merkt immer wieder: Hier ist eine kompetente Jury mit Herzblut am Werk, die auch mal ungewöhnliche Projekte oder außergewöhnliche Menschen ausfindig macht. Als Schirmherrin danke ich Ihnen für die Einladung und gratuliere der Robert Bosch Stiftung und der Jury zur diesjährigen Auswahl.

Ich weiß, ich darf noch nichts verraten. Alle Nominierten werden gleich mit einem kurzen Film vorgestellt, und das finde ich eine schöne Anerkennung auch für diejenigen, die am Ende keinen Preis gewinnen. Ich will vorab drei Punkte herausgreifen, die mir aufgefallen sind, und zwar jeweils bei mehreren Nominierten. Ich nehme also nichts vorweg.

Der erste Punkt ist Erfahrung. Damit spreche ich die Projekte an, die der beruflichen Erfahrung, aber auch der Lebenserfahrung älterer Menschen einen neuen Rahmen geben. Das kann ein internationaler Einsatz sein, wie im Senior Experten Service.

Aber es gibt auch das Online-Netzwerk MASTERhora, das Fachkräfte im Ruhestand mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammenbringt. Erfahrung verliert in einer Welt, die sich immer schneller verändert, keineswegs an Wert. Im Gegenteil: Erfahrung und Fachwissen, verbunden mit Offenheit und Neugier, sind kostbare Ressourcen, gerade wenn man sich in Veränderungen zurechtfinden will. Es sind die älteren Menschen, die das am besten weitergeben können.

Die Werkstatt der Generationen in München bringt die Erfahrungen älterer Menschen an eine Schule, und damit in den Dialog mit Jüngeren. Das ist mein zweiter Punkt - Dialog. Auch der Generationenblog der SK Stiftung Kultur und die Ausstellung "Hey Alter" im Lehmbruck Museum Duisburg folgen diesem Prinzip. Ich bin Seniorenministerin und Jugendministerin und Familienministerin und merke immer wieder, wie jedes dieser Politikfelder seine eigenen Diskussionen, Anliegen und Akteure hat.

Wenn man das mal zusammenbringt, wie in den Mehrgenerationenhäusern, sagen alle: "Super! Warum machen wir das nicht öfter?" Aber es ist eben nicht selbstverständlich, dass Alt und Jung sich im Alltag begegnen und etwas zusammen machen. Man muss einen Rahmen dafür schaffen, der für alle Beteiligten passt. Zum Beispiel die Schule. Es gibt immer mehr Schulen, die sich öffnen und das klassische Format Lehrer-Schüler-Unterricht mal durchbrechen wollen. Warum nicht die Erfahrung der Älteren und gleichzeitig ein bisschen Praxis in die Schule holen?

Der dritte Punkt ist das, was mich am meisten erstaunt hat: Träume verwirklichen. Träume haben - das habe ich immer mit dem Jugendalter verbunden, und wenn man Glück hat, schafft man es als erwachsener Mensch, die Träume der Jugendzeit zu verwirklichen. Zumindest einige. Einmal mit Interrail durch Europa oder mit dem Motorrad von Alaska bis Feuerland - so etwas.

Dann stoße ich unter den Nominierten auf eine Frau, die mit 70 mit dem Pedelec durch ganz Deutschland radelt. Weil sie davon noch nicht genug hat, steigt sie einfach mit 76 nochmal aufs Rad. Eine Modeklasse gibt ihrem Projekt sogar den Titel "Mit 70 hat man noch Träume."

Und das Seniorentheater "Die 5te Jahreszeit" sagt: "Man muss mitmischen, so lange es geht, und Träume heute leben." Da hat sich etwas verändert, und unsere Gesellschaft fängt gerade erst an, es wahrzunehmen. Das Alter ist auch eine Zeit für Träume. Für Visionen, für Ideen, für Neues, das sich jemand wünscht und in die Tat umsetzt. Nicht in dem Sinne: Dies oder jenes möchte ich noch einmal machen, bevor ich sterbe. Nein, da hat jemand eine Idee und erfüllt sich einen Traum und träumt und lebt und verwirklicht dann weiter.

Die Projekte, die die Robert Bosch Stiftung für den Deutschen Alterspreis nominiert hat, zeigen, was ältere Menschen sich und anderen und unserer ganzen Gesellschaft geben können. Da sind Jüngere und Ältere, die miteinander in Dialog treten. Ältere, die ihre Erfahrungen weitergeben. Und Ältere, die sich ihre Träume erfüllen und andere daran teilhaben lassen. Ich wünsche allen Projekten viel Erfolg.

Und ich wünsche ihnen, dass sie Vorbilder sind. Denn alle, so wie sie sind, geben uns das Gefühl: Älterwerden kann ganz schön cool sein.