Podewil Manuela Schwesig bei der Preisverleihung MIXED UP für gelungene Kooperationen von Kultur und Schule Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Professor Taube,

sehr geehrter Herr Braun,

sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,

sehr geehrte Damen und Herren,

I.

Ich bin sehr gern ins Podewil gekommen, weil dieses Haus heute der Kultur gehört.Der Vielfalt kultureller Projekte und Initiativen in Berlin.Dieser Ort passt daher perfekt zum Wettbewerb MIXED UP,den das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit der Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung auslobt.Zum zehnten Mal übrigens in diesem Jahr.

Ich habe gerade die Ausstellung der Preisträgerinnen und Preisträger besucht und bin beeindruckt von der Vielfalt an Projektideen,an Kunstsparten, an Themen und Kooperationspartnern.Und ich bin beeindruckt von der Qualität.

Danke an alle Einrichtungen und Menschen aus Schule, Kultur und Jugendarbeit, die MIXED UP in diesem Jahr möglich gemacht haben.Danke vor allem an die Kinder und Jugendlichen, die mitgemacht haben!

II.

In der Kultur gibt es oft zwei Ebenen.Die erste ist die unmittelbare Wirkung.Ich lese ein Buch oder höre ein Konzert und es spricht mich direkt an,ich finde es spannend, es berührt mich und ich bin beeindruckt von den Künstlerinnen und Künstlern.Kunst bewegt etwas im Menschen.

Wir werden im Laufe dieser Preisverleihung Gelegenheit haben,wenigstens kurz ein bisschen hinein zu schnuppernin die MIXED UP-Projekteund unmittelbar zu erleben, was da passiert.

Die zweite Ebene ist die des Nachdenkens, der Interpretation.Über das, was hinter einem Kunstwerk steckt und was es ausdrückt.

Ich will in meiner jugendpolitischen Ansprache mit Ihnen ein bisschen darüber nachdenken,was hinter MIXED UP steckt und warum das so wertvoll ist.Wenn Sie so wollen: eine Interpretation dieses Wettbewerbsim Zusammenhang von Eigenständiger Jugendpolitik.

III.

Jugend ist eine eigenständige Lebensphase mit ihren Herausforderungen und Möglichkeiten.Politik für diese Lebensphase lässt sich nicht in Einzelabschnitte und Ressortzuständigkeiten einteilen.Wir müssen sie als Ganzes sehen.

Es ist die Phase, in der ein Mensch vom Kind zum Erwachsenen wird,eine erwachsene Persönlichkeit entwickelt und den eigenen Platz in der Gesellschaft findet.Auch wenn Jugend heute früher im Leben beginnt und häufig später endet, auch wenn der Alltag von Jugendlichen heute vielleicht stärker durchstrukturiert ist als noch vor 20, 30 Jahren:Jugend ist immer noch eine Phase des Ausprobierens, des Entscheidens und Um-Entscheidens.

Dafür brauchen Jugendliche Freiräume.Und hier kommt auch Kultur ins Spiel.Kultur ist ein Freiraum.Tanz, Texte, Fotografie, Musik - das sind alles eigene Welten,in denen man etwas ausprobieren kann.In denen man sich auch selbst ausprobieren kann.

Kulturelle Bildung hat das Verdienst und die Aufgabe,Kindern und Jugendlichen diese Freiräume zu schaffen.Und wir haben in Deutschland eine fantastische Vielfalt kultureller Bildungsangebote:ob Zirkusferienprojekte, Kurse von Jugendkunstschulen,Blasmusikvereine, Tanzfestivals und vieles mehr.

Es ist eine der Stärken von MIXED UP,kulturelle Bildung in ihrer Vielfalt zu zeigen.

IV.

Kultur und kulturelle Jugendpolitik ist nicht etwas,was Erwachsene für Jugendliche machen.Es ist etwas, was Jugendliche selbst machen.Jugendliche müssen selbst entscheiden können,womit sie sich beschäftigen und wie sie sich ausdrücken wollen.Das ist künstlerische Freiheit und damit ein Stück Selbstbestimmung.

Es ist auch noch einmal etwas anderes, ob man Kultur nur wahrnimmt, also liest, hört oder anschaut, oder ob man selbst Kultur macht.Wer selbst aktiv wird, etwas ausstellt oder vorführt, geht an die Öffentlichkeit.Auch wenn es nur ein kleines Publikum ist: Man stellt sich der Kritik,macht sich angreifbar, konfrontiert andere mit der eigenen Sichtweise.

Das ist mutig - und das ist Beteiligung.Kultur und politische Jugendbeteiligung sind an dieser Stelle ziemlich nah beieinander.Das "Kinderrechte-Filmfestival", das heute einen Preis bekommt,

und der Preis der Jugendjury für "Slam it!" sind gute Beispiele dafür.

V.

Freiräume, Beteiligung - und ein dritter Punkt,der mir mit Blick auf Eigenständige Jugendpolitik wichtig ist,sind Zukunftsperspektiven.

Kultur ist nicht nur ein Freiraum im Hier und Jetzt.Kultur eröffnet neue Blickrichtungen, ein Gefühl für eigene Interessen und Stärken und damit Ideen für die Zukunft.Dieser Wechsel der Blickrichtung ist auch für Eigenständige Jugendpolitik kennzeichnend.

Wir wollen nicht mehr so sehr auf die Defizite von Kindern und Jugendlichen schauen, sondern auf ihre Stärken,auf das, was sie können, und auf das, was sie lernen können.

VI.

Ich bin damit bei dem Thema, das zentral ist für MIXED UP:Bildung, ihre unterschiedlichen Formen und Orte.

Und wie aus der Zusammenarbeit unterschiedlicher Formen und Orte von Bildung etwas Neues entstehen kann.Wenn von Bildung die Rede ist, geht es in der Regel um Schule und Hochschule beziehungsweise Berufsausbildung.Dass frühkindliche Bildung dazugehört, muss man immer wieder betonen,damit es endlich alle lernen.

Es gehört aber auch die so genannte non-formale Bildung dazu.Ich brauche Ihnen das nicht zu erklären, weil viele von Ihnen Expertinnen und Experten für solche Bildungsprozesse sind.Ich will nur eines ganz deutlich unterstreichen:

Für mich als Bundesjugendministerin ist das, was Kinder und Jugendliche gewissermaßen nebenbei lernen, die Bildung ihrer Persönlichkeit- "Herzensbildung" hat man früher gesagt -, genau so wichtig wie das, was in den Curricula des Bildungssystems festgelegt ist.

Bildung fürs Leben, Bildung für alle - das gelingt nur, wenn formale und non-formale Bildung, wenn Schule und außerschulische Bildung zusammenarbeiten.

Der Wettbewerb MIXED UP ist von diesem Gedanken getragen.Die knapp 400 Bewerbungen und die Preisträgerprojekte zeigen, dass das auch gelingen kann.Und ich bin dankbar für den Länderpreis des Landes Berlin,der ausdrücklich ein Modell auszeichnet,das kulturelle Bildung mit den Zeitrhythmen der Ganztagsschule zusammenbringt.

VII.

Ich will noch auf zwei Aspekte hinweisen, die mir bei Bildung wichtig sind.Der eine ist Chancengleichheit.Bildung muss auch den Kindern und Jugendlichen offenstehen,die schlechtere Ausgangschancen haben.

Niedrigschwellige Angebote kultureller Bildung finden oft auch dann noch einen Zugang, wenn die Schule an ihre Grenzen stößt.Gerade Kunstformen, die ohne Sprache auskommen- Tanzen, Malen, Musik machen, Pantomime -bieten manchmal Ausdrucksformen für Kinder und Jugendliche,die in der Schule keinen Weg finden, sich auszudrücken.

Im Wettbewerb MIXED UP wird immer wieder sichtbar,wie kulturelle Bildung diese Chancen ergreift:mit inklusiven Projekten, der Arbeit mit Schulverweigerernoder Projekten in Stadtteilen mit besonderem Bedarf.Das finde ich wichtig, und ich möchte diejenigen unter Ihnen,

die in diese Richtung arbeiten, ausdrücklich bestärken.

VIII.

Der zweite Aspekt ist der ländliche Raum.Den Preis in dieser Kategorie bekommt in diesem Jahr ein Projekt aus meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern.In der Gegend von Lelkendorf gibt es kaum kulturelle Angebote, schon gar nicht für Kinder und Jugendliche,und der Weg in die nächste Großstadt ist weit.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht kämpfen solche Regionen darum, ihren Jugendlichen eine Perspektive zu bieten.Viele wandern ab.

Ich finde es gut, dass ein Theaterensemble, ein Kulturvereinund verschiedene Schulen hier zusammenarbeiten.Kultur und Schule sorgen gemeinsam dafür,dass das Theater in diese ländliche, strukturschwache Gegend kommt.Mit der Teilhabe an Kultur kommt vielleicht auch ein bisschen mehr Zuversicht.

IX.

In den vergangenen Jahren war die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik ein breit angelegter Prozess, an dem viele mitgewirkt haben.Jetzt geht es an die Umsetzung.Für mich steht bei der Eigenständigen Jugendpolitik im Vordergrund,

  • dass wir Freiräume für Kinder und Jugendliche schaffen,
  • dass wir Beteiligung ermöglichen-überall dort, wo Kinder und Jugendliche von Entscheidungen und Maßnahmen betroffen sind,
  • und dass wir Zukunftsperspektiven aufzeigen.

Kultur zu machen, ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Schrittauf dem Weg in ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben.

Deshalb sind die Akteure der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung wichtige Partner Eigenständiger Jugendpolitik.Allen voran die BKJ als Zusammenschluss dieser Akteure.

Mit dem Kinder- und Jugendplan des Bundes bieten wir die Bedingungen dafür, dass die Träger vor Ort Freiräume und Möglichkeiten haben.Auch für die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen wie Schulen.

X.

Der MIXED UP Wettbewerb war im Rahmen des Modellprojekts und der späteren Fachstelle "Kultur macht Schule"eine der ersten Aktivitäten des Bundesjugendministeriumszur Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule.

Heute erhalten wir wieder einmal einen Einblick darin,wie lebendig diese Zusammenarbeit ist.Es lohnt sich aber auch einfach so, zuzuhören und hinzuschauen.Denn wenn Kinder und Jugendliche Kultur machen, können Erwachsene lernen.Jugend ist Zukunft.

Was beschäftigt Kinder und Jugendliche?
Was sind ihre Themen, ihre Interessen, ihre Wünsche, ihre Sorgen?
Wie drücken sie sich in Kunst und Kultur aus?
Die Frage des Preisträgers aus Minden ist eine Frage, die uns alle interessiert:Welche Farbe hat die Zukunft?

Ich würde sagen: Grau ist sie sicherlich nicht.

Ich freue mich darauf, gleich persönlich die MIXED UP Preisean die Vertreterinnen und Vertreter der ausgezeichneten Projekte zu übergeben.

Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank!