New York Manuela Schwesig bei der Generaldebatte im Rahmen der 59. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen

Es gilt das gesprochene Wort 

Herzlichen Dank, Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,

Deutschland schließt sich dem Statement der Europäischen Union an.

I.

Alle, die 1995 an der Weltfrauenkonferenz in Peking teilgenommen haben, waren begeistert. Peking hat Aufbruchsstimmung verbreitet und Hoffnung gemacht auf eine bessere Zukunft. Und heute, 20 Jahre später?

Kein Land hat vollständige Gleichberechtigung für Frauen und Mädchen erreicht. Und das ist noch milde ausgedrückt.

Wir leben in einer Welt, die aus den Fugen gerät. Krieg, Bürgerkrieg, Gewalt, Terror - jeden Tag sehen wir die Bilder. Wir sehen Panzer, Raketen, Soldaten, Milizen, Fanatiker - Frauen und Kinder sehen wir selten. Aber wir wissen, dass Frauen und Kinder die ersten Opfer von Gewalt und Krieg sind. Es wird Krieg gegen Frauen geführt, um Menschen einzuschüchtern und Macht zu erhalten.

Da fällt es schwer, zu glauben, dass sich die Situation von Frauen seit Peking verbessert hat. Jeden Tag werden die Rechte von Frauen mit Füßen getreten. In jeder Stunde werden Frauen und Mädchen getötet, verletzt, gequält und unterdrückt. Das macht mich wütend.

II.

Jeder Mensch, jeder einzelne Mensch, Mann oder Frau, hat das Recht auf Freiheit, Unversehrtheit und ein Leben in Würde. Jede Gewalt gegen Frauen verletzt Menschenrechte.

Jede Gewalt gegen Frauen ist ein Verbrechen.

  • Wenn Frauen in Kriegen und Bürgerkriegen vergewaltigt werden, ist das ein Verbrechen.
  • Wenn Frauen im Namen religiöser Ideologien unterdrückt, bedroht und geschlagen werden, ist das ein Verbrechen.

Keine Religion der Welt rechtfertigt es, die Rechte von Frauen zu missachten.

  • Wenn Frauen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, angeklagt, eingesperrt und gefoltert werden, ist das ein Verbrechen.
  • Wenn Frauen von ihren Partnern geschlagen werden, ist das ein Verbrechen.

Wir dürfen keine Ausreden akzeptieren, wenn Gewalt gegen Frauen verharmlost oder verschleiert wird. Wir müssen das Schweigen durchbrechen, um die Täter zu verfolgen, vor Gericht zu stellen und zu bestrafen. Wir müssen diese Verbrechen stoppen.

III.

Auch in Deutschland haben 40 Prozent aller Frauen, die älter sind als 16, in irgendeiner Form physische oder sexuelle Gewalt erfahren. Wir haben darum seit 1999 zwei nationale Aktionspläne zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen umgesetzt und viel erreicht.

Aber wir müssen mehr tun. Wir haben im Europarat die Istanbul-Konvention erarbeitet, eines der umfangreichsten Regelwerke, um Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen. Deutschland setzt sich an der Seite anderer Länder und Nichtregierungsorganisationen dafür ein, Gleichberechtigung als eigenständiges Ziel in die Post-2015 Agenda für nachhaltige Entwicklung aufzunehmen. Und wir haben hier eine politische Deklaration verabschiedet.

Aber es reicht nicht aus, Papiere zu schreiben und Beschlüsse zu fassen. Wir müssen die Lebenswirklichkeit von Frauen verändern. Überall auf der Welt.

IV.

Und dazu müssen Frauen teilhaben, dort, wo es um Macht, Geld und Einfluss geht. An den Schalthebeln der politischen Macht. In den Spitzenpositionen der Unternehmen. Dort, wo die Rechte von Frauen am meisten verletzt werden, haben Frauen am wenigsten zu sagen.

Dort aber, wo Frauen teilhaben und mitbestimmen, dort ist der Geist von Peking so lebendig wie vor 20 Jahren. Frauen übernehmen Verantwortung in der Politik. Frauen bringen die Wirtschaft voran. Frauen sind aktiv in der Zivilgesellschaft. Frauen kämpfen für ihre Rechte.

Wir können unsere Welt verändern, wenn wir den Frauen die Macht dazu geben. Frauen können unsere Welt gerechter, freier und friedlicher machen. Wir sehen jeden Tag, wie bitter nötig das ist.