Ursula von der Leyen zu Gast bei ELTERN

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen spricht mit der ELTERN-Redaktion unter anderem über das Elterngeld und den Ausbau der Kinderbetreuung.

ELTERN-Redaktion: Welche Visionen verfolgen Sie mit Ihrer Familienpolitik?

Das Elterngeld eingeführt, der Ausbau der Kinderbetreuung beschlossen, das Kindergeld gestaffelt - am Ende ihrer ersten Legislaturperiode als Familienministerin zeigt sich Ursula von der Leyen durchaus zufrieden mit dem Erreichten. Mit dem Elterngeld sei eine Trendwende in der Familienpolitik erreicht worden. Denn das habe nicht nur zum ersten Mal den Blick auf die Rolle der Väter, sondern auch auf die "Familien in der Mitte der Gesellschaft" gelenkt. Frühere familienpolitische Maßnahmen seien zu stark auf steuerliche Vergünstigungen für die höheren Einkommen und als Sozialpolitik für die sozial Schwachen fokussiert gewesen. Familienpolitik müsse aber an alle gerichtet sein.

Die Ministerin bekennt allerdings auch freimütig, dass sie auch zur rechten Zeit am rechten Ort war. "Als wir den Ausbau der Kinderbetreuung beschlossen haben, sprudelten die Steuereinnahmen noch, wir haben die Gunst der Stunde für die Familien genutzt. Das kann uns keine Finanzkrise mehr wegnehmen. Heute wäre das so nicht mehr möglich." Hilfreich sei zudem gewesen, dass sich fast alle Familienpolitiker über Parteigrenzen hinweg in wesentlichen Fragen einig gewesen seien.

ELTERN-Redaktion: Warum klafft noch so eine große Lücke zwischen Bedarf und Angebot bei der Betreuung?

Das Elterngeld ist eine gute Sache, sagen viele User. Aber das Betreuungsangebot für Einjährige eine Katastrophe. Daraus ergibt sich eine klare Frage: War es eine gute Idee, das Elterngeld 2007 einzuführen - und danach erst das Betreuungsproblem anzugehen? Anders ging es nicht, meint die Familienministerin. "Der riesige Bedarf nach mehr Betreuung war schon vorher da. Aber die Einführung des Elterngeldes war die Initialzündung, dass er auch lautstark artikuliert wurde."

Nur wenn Eltern Betreuungsplätze vor Ort konkret und massiv nachfragen würden, entstehe der politische Druck, den überfälligen Ausbau auch schnell voran zu treiben. Andersherum (erst mehr Betreuungsplätze schaffen, dann Elterngeld einführen) hätte es nicht funktioniert: Vorher seien die Forderungen nach mehr Kinderbetreuungsplätzen jahrelang ungehört verhallt.

ELTERN-Redaktion: Bleibt in der Wirtschaftskrise kein Geld mehr übrig für familienpolitische Maßnahmen?

Die Wirtschaftskrise hält Deutschland derzeit fest im Griff, Unternehmen bauen Arbeitsplätze ab, kündigen Einstellungsstopps an - ein wenig fruchtbares Klima für mehr Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz! Stimmt nicht, meint Ministerin von der Leyen. Gerade jetzt müssten Unternehmen gute Mitarbeiter halten und anwerben - nicht zuletzt über familienfreundliche Modelle. In Krisenzeiten müssten sich Unternehmen auf das Wesentliche konzentrieren - ihre Zukunftsfähigkeit. Die hänge von den Fachkräften ab, die immer rarer werden und das seien nun mal junge Mütter und Väter.

ELTERN-Redaktion: Das Elterngeld erleichtert gutverdienenden Paaren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - aber vernachlässigt die Politik dabei nicht gering verdienende Mütter?

Den Vorwurf mag Ursula von der Leyen so nicht gelten lassen. Sie ist überzeugt: "Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Krippenplätze und Tagesmütter helfen gerade den Geringverdienern!" Daneben verwies sie auf den Geringverdienerzuschlag beim Elterngeld sowie die Ausweitung des Kinderzuschlages. "Wir müssen alles tun, um ein Abrutschen in Hartz-IV zu verhindern." Vor allem die Alleinerziehenden verdienten hier Unterstützung. "Diese Frauen sind genauso gut ausgebildet wie Mütter in einer Partnerschaft - und sie wollen auf eigenen Beinen stehen, unabhängig sein von Hartz IV. Zwei Drittel der nicht erwerbstätigen Alleinerziehenden sagen, sie wären gerne erwerbstätig, wenn sie nur eine Lösung für die Kinderbetreuung hätten", betonte die CDU-Politikerin. Auch deshalb sei es so wichtig, die Kinderbetreuung schnellstmöglich auszubauen. Außerdem habe das Bundesfamilienministerium erst kürzlich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein neues Netzwerk ins Leben gerufen.

Und was ist mit den Müttern, die bewusst länger aus dem Beruf aussteigen möchten, um ihr Kind zu erziehen? Dieser Lebensentwurf sei völlig in Ordnung, nur:"Dazu braucht man auch einen Partner, der genug verdient. Heute können es sich viele Familien schlicht und einfach nicht mehr leisten, auf das zweite Einkommen zu verzichten. Was tun, wenn der Partner in Kurzarbeit ist oder arbeitslos wird? Wie kommt die Familie zurecht bei Trennung und Scheidung? Viele Mütter und Väter wollen wenigstens stunden- oder tageweise den Kontakt zum Beruf halten. Deshalb brauchen Eltern Wahlmöglichkeiten."

ELTERN-Redaktion: Was sollen Eltern tun, die jetzt - und nicht erst 2013 - einen Betreuungsplatz brauchen?

Das Jahr 2013 ist für viele Eltern weit weg. Sie brauchen jetzt ein für sie passendes Betreuungsangebot, weil sie wieder arbeiten gehen müssen. Einige Bundesländer hinken beim Ausbau noch stark hinterher - und als Einzelperson kann man sich seine Tagesmutter nicht ausbilden. Als Bundesfamilienministerin kann Frau von der Leyen nur beeinflussen, dass der Bund den Ausbau finanziell unterstützt. Die Kommunen selber sind für die Maßnahmen zuständig. Die vier Milliarden Euro vom Bund stehen jedoch zum Abruf bereit.

"Das Geld ist da, das Sondervermögen im Bund steht den Ländern und Kommunen zur Verfügung", sagt Familienministerin von der Leyen und rät den Eltern: "Sprechen Sie in Ihrer Kommune den Ausbau direkt an." So könnten Eltern besser absehen, welche Maßnahmen konkret geplant und ob die notwendigen Anträge beim Land schon gestellt sind.
Dass Veränderungen nicht immer Jahre brauchen, zeigt sich für die Ministerin beim Thema Vaterrolle: Seit Einführung der Vätermonate habe sich beim Selbstverständnis der Väter und ihrer Bedeutung für die Erziehung viel getan.

ELTERN-Redaktion: "Erwachsen auf Probe" heißt ein neues Format des Senders RTL, in dem Eltern ihre Babys auf Zeit verleihen. Was sagt die Familienministerin dazu?

Eltern übergeben ihre Babys Teenagern, um diesen vor Augen zu führen: Kinder kriegen ist einfach, Kinder erziehen nicht. Ein Sturm der Empörung und die Androhung von Strafanzeigen halten den Kölner Privatsender offenbar nicht davon ab, ab Juni mit "Erwachsen auf Probe" auf Sendung zu gehen. Zu verlockend sind die Einschaltquoten, die ähnliche Formate in anderen Ländern eingefahren hatten.