Ursula von der Leyen im Interview mit der Welt am Sonntag

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen im Interview mit der Welt am Sonntag zur Absetzbarkeit von Betreuungskosten und zum geplanten Elterngeld.

Welt am Sonntag: Kommt man als Ministerin noch dazu, Weihnachtsgeschenke zu kaufen?

Ursula von der Leyen: Die Zeit dazu ist knapper geworden. Aber ich komme noch dazu, allerdings erst ab Mittwoch. Ich hoffe nur, daß meine Kinder sich nicht kurz vor dem Fest wie vor ein paar Jahren Läuse einfangen. Dann würde tatsächlich alles zusammenbrechen.

Welt am Sonntag: Wie hat sich eigentlich mit dem neuen Amt in Berlin Ihr Familienalltag in Hannover verändert?

Ursula von der Leyen: Die Schlagzahl ist höher geworden. Darum verbringe ich jetzt mehr Tage gebündelt in Berlin, an denen ich diszipliniert bis in die Nacht durcharbeite. So habe ich mehr Luft für die Familie, wenn ich in Hannover bin.

Welt am Sonntag: Für wann planen Sie den Umzug der Familie nach Berlin?

Ursula von der Leyen: Der Umzug ist noch nicht entschieden.

Welt am Sonntag: Klingt, als hätten Sie nicht viel Hoffnung, daß die Koalition vier Jahre hält ...

Ursula von der Leyen: Doch das habe ich. Ich spüre die Ernsthaftigkeit der Kabinettsmitglieder, die Probleme gemeinsam anzugehen.

Welt am Sonntag: Sie sind eine Gewinnerin der großen Koalition, denn Sie waren schon vor der Wahl, anders als Ihre Partei, für das Elterngeld, das dem betreuenden Elternteil für ein Jahr 67 Prozent seines Gehaltes zahlt. Mit der FDP wäre das wohl kaum durchsetzbar gewesen ...

Ursula von der Leyen: Die große Koalition öffnet ein historisches Fenster für das Elterngeld. Dafür bedurfte es in beiden Parteien Überzeugungsarbeit. Meine Vorgängerin Renate Schmidt hat die Idee in der SPD schon vor der Wahl durchgesetzt. Ich habe aus meiner Sympathie dafür keinen Hehl gemacht. Es hat sich ausgezahlt, im Wahlkampf die Idee nicht zu bekämpfen, nur weil sie vom politischen Gegner kam. So können wir jetzt diesen Schritt gemeinsam gehen.

Welt am Sonntag: Trotzdem sind die Widerstände in der Union noch groß. Jürgen Rüttgers hält das Elterngeld gar für verfassungswidrig. Rechnen Sie mit einer Verfassungsklage aus den eigenen Reihen?

Ursula von der Leyen: Ich kann keinen Verfassungsverstoß erkennen. Das sehen auch namhafte Verfassungsexperten so. Zehn Monate wird das Elterngeld ja in jedem Fall gezahlt, die beiden weiteren sind daran gekoppelt, daß auch der andere Elternteil Elternzeit nimmt. Das ist ein freiwilliges Angebot. Alarmierend ist aber, die teilweise geringe Wertschätzung von Erziehungsarbeit, wenn es als Zumutung empfunden wird, daß Männer sich zwei Monate um ihr eigenes Kind kümmern. Mehr Männer als Frauen schließen ein Kind in ihrer Lebensplanung aus. Hier muß sich etwas ändern.

Welt am Sonntag: Ist schon klar, ob ein Mittelwert des Familieneinkommens als Grundlage für das Elterngeld genommen wird, oder das Einkommen desjenigen, der Elternzeit nimmt?

Ursula von der Leyen: Grundsätzlich gilt, daß das Elterngeld das Einkommen desjenigen ersetzt, der das Kind im ersten Lebensjahr betreut. Nur bei sehr kleinen Einkommen wird das Familieneinkommen berücksichtigt.

Welt am Sonntag: Wo soll die Grenze liegen?

Ursula von der Leyen: Wir rechnen noch.

Welt am Sonntag: Werden Sozialschwache und Arbeitslose nicht benachteiligt?

Ursula von der Leyen: Studien zeigen, daß das Elterngeld Alleinerziehenden und Geringverdienern hilft. Alleinerziehende verlieren bisher mit Geburt eines Kindes ihre Existenzgrundlage, das wird das Elterngeld ändern.

Welt am Sonntag: Sollen auch die Elterngeld bekommen, die es nicht nötig haben?

Ursula von der Leyen: Es wird auch eine Obergrenze geben, ab der der Staat nicht mehr fördert.

Welt am Sonntag: Wenn Eltern nach einem Jahr in den Beruf zurückkehren, finden sie oft keinen Betreuungsplatz. Müßte die Priorität nicht auf einem Ausbau der Betreuungsangebote liegen?

Ursula von der Leyen:  Der Ausbau von Betreuungsplätzen ist Aufgabe von Ländern und Kommunen. Seit Anfang 2005 gibt es das Gesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung. Danach sollen die Kommunen einen Teil der Einsparungen durch Hartz IV zu diesem Zweck verwenden.

Welt am Sonntag: Nur wird durch Hartz IV das Geld nicht wie erwartet eingespart ...

Ursula von der Leyen: Daher bin ich froh, daß wir uns jetzt mit den Kommunen für 2005 und 2006 auf einen Ausgleich verständigt haben, der 1,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung umfaßt.

Welt am Sonntag: Die Bosch-Stiftung hat gerade ein Gutachten vorgestellt, in dem sie eine "Kinderrente" fordert. Für Kinderlose soll dagegen die privatfinanzierte Riester-Rente Pflicht werden. Was halten Sie davon?

Ursula von der Leyen: Durch das Abstrafen von Kinderlosen wird kein kinderfreundlicheres Klima geschaffen. Die Rente ist zwar ein Baustein der Familienpolitik, deshalb haben wir vereinbart, den Kinderzuschlag der Riester-Rente von 180 auf 300 Euro zu erhöhen. Der familienpolitische Effekt ist jedoch am größten, wenn wir die Rahmenbedingungen junger Menschen verbessern. Sie denken bei der Familienplanung noch nicht an die Rente.

Welt am Sonntag: Auch die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplittings wird gefordert ...

Ursula von der Leyen: Wir konzentrieren steuerliche Entlastung für Familien auf die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten. Das schafft Arbeitsplätze.

Welt am Sonntag: Darum streiten sie gerade mit dem Finanzminister, weil er die Absetzbarkeit von derzeit bis zu 1500 Euro auf 1000 Euro kappen will ...

Ursula von der Leyen: Ich bin mir sicher, daß wir eine gute Lösung finden. Gut ist, daß vom ersten Euro an künftig die Absetzbarkeit gewährleistet ist. Ich will aber zudem eine höhere Absetzbarkeit als die derzeit 1500 Euro im Jahr. Außerdem müssen die Kosten für Tagesmütter abgesetzt werden können.

Welt am Sonntag: Wie wollen Sie sich gegen Herrn Steinbrück durchsetzen?

Ursula von der Leyen: Indem ich ihn auf den Koalitionsvertrag hinweise und mit ihm zusammen das umsetze, was darin steht.

Der Artikel ist am 18.12.2005 in der Welt am Sonntag erschienen. Das Interview führten Heike Vowinkel und Jan Rübel.