Kristina Schröder im Interview mit dem DONAUKURIER

Bundesfamilienministerin Kristina Köhler sprach im DONAUKURIER über die aktuellen Missbrauchsfälle von Kindern und Jugendlichen und den "Runden Tisch Kindesmissbrauch".

DONAUKURIER: Frau Schröder, täglich werden neue Missbrauchsfälle bekannt: Wie können Kinder und Jugendliche wirksamer vor Übergriffen geschützt werden?

Kristina Schröder: Der Missbrauch von Kindern ist immer ein abscheuliches Verbrechen. Ihr Leid ist nicht wiedergut zu machen. Deshalb müssen wir alles daran setzen, diese schrecklichen Taten in Zukunft zu verhindern. Dazu gehört auch, die Kinder von klein auf stark zu machen und gegenüber Grenzverletzungen zu sensibilisieren. Unser wichtigstes Ziel muss es aber sein, die Rahmenbedingungen so zu gestalten und weiterzuentwickeln, dass es Tätern immer weiter erschwert wird, neue Opfer zu finden.

Das fängt schon beim Bewerbungsgespräch an. Denn leider wissen wir, dass sich Täter ganz gezielt Berufe aussuchen, in denen sie mit Kindern arbeiten können. Deswegen sieht das neue Kinderschutzgesetz, das in meinem Ministerium gerade vorbereitet wird vor, dass Jugendämter beziehungsweise freie Träger von Bewerbern ein erweitertes Führungszeugnis verlangen können. Darüber hinaus müssen alle Fachkräfte aber auch die Eltern sensibilisiert werden, um möglichem Missbrauch rechtzeitig vorbeugen oder tatsächliche Missbrauchsfälle schneller erkennen zu können.

Mein Ziel ist eine Selbstverpflichtung von Einrichtungen wie Schulen oder Vereinen, wie sie sich in konkreten Missbrauchsfällen zu verhalten haben.

DONAUKURIER: Sie laden zum "Runden Tisch Kindesmissbrauch". Wird dabei nur die Prävention im Mittelpunkt stehen oder geht es auch um Aufklärung und Ursachenforschung?

Kristina Schröder: Wirksame Präventionsmaßnahmen entstehen nicht aus sich selbst heraus. Dafür müssen wir die Ursachen in den Blick nehmen - und das sind nicht nur die Neigungen der Täter. Wir müssen Antworten auf die Fragen finden: Welche Faktoren fördern Übergriffe auf Kinder und Jugendliche und wie lassen sich diese vermeiden? Welche Art der Hilfe und Unterstützung benötigen die Opfer? Was ist zu tun, wenn Übergriffe geschehen sind?

Die Fachwelt hat bereits viele Handlungsansätze, aber auch konkrete Standards entwickelt. Ich möchte den Runden Tisch nutzen, und an diese guten Diskussionen anknüpfen. Klar ist aber auch: Dort wo Straftaten geschehen sind, müssen diese aufgeklärt werden. Ohne Ansehen von Personen oder Institutionen.

DONAUKURIER: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht von einer Mauer des Schweigens und kritisiert den Vatikan. Fehlt der katholischen Kirche der Wille zur Aufklärung?

Kristina Schröder: Viele Fälle, die jetzt ans Licht kommen, liegen zum Teil schon über 30 Jahre zurück. Ich habe den Eindruck, dass sich die katholische Kirche heute sehr um Aufklärung bemüht. Außerdem sind Misshandlungen und Missbrauch, Fehler im Umgang mit den Tätern und mangelhafte oder unterlassene Hilfe für die Opfer leider nicht nur in kirchlichen Einrichtungen zu beklagen. Vorfälle dieser Art gibt es in unterschiedlichen Bereichen - etwa in Internaten, in Sportvereinen, aber auch in der Familie.

Ich finde es daher falsch, eine Institution herauszugreifen und an den Pranger zu stellen. Deshalb möchte ich auch alle Akteure an dem Runden Tisch versammeln - von Schul- und Internatsträgern über die Kirchen und Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege bis hin zur Ärzteschaft und dem Deutschen Lehrerverband - um gemeinsame Strategien zu
entwickeln. Die katholische Kirche hat auch bereits zugesagt. Das zeigt, dass hier der Wille zur Aufarbeitung der Vorfälle vorhanden ist.

DONAUKURIER: Was kann die Politik über die Einladung zum Runden Tisch hinaus tun?

Kristina Schröder: Wir alle kennen die Gefühle der Fassungslosigkeit und Wut, die Berichte über Kindesmisshandlung auslösen. Deswegen ist es das Ziel nicht nur des Familienministeriums, sondern der gesamten Bundesregierung, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt nachhaltig zu verbessern.

Ein wesentlicher Baustein ist der Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung, der im Herbst ins Kabinett eingebracht werden soll. Als Handlungsfelder sind darin der Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung in der realen Welt aber auch im Internet, eine bessere Unterstützung der Opfer aber auch eine optimierte Arbeit mit den Tätern vorgesehen.

DONAUKURIER: Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fordert eine Verlängerung der Verjährungsfristen für derartige Delikte, die Justizministerin lehnt ab. Welcher Weg ist der sinnvollste?

Kristina Schröder: Beim Runden Tisch geht es nicht vorrangig um strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen, sondern um Aufklärung und Ursachenforschung. Der Diskussion möchte ich jetzt nicht vorgreifen.

DONAUKURIER: Sollte es nicht auch eine finanzielle Entschädigung für die Opfer geben?

Kristina Schröder: Als Bundesfamilienministerin sehe ich meine Aufgabe vor allem darin, den Schutz von Kindern und Jugendlichen dort zu verbessern, wo es möglich ist. Ein Beispiel ist das neue Kinderschutzgesetz. Damit haben wir ein wirksames Instrument, um das Thema Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sensibel und ohne Aktionismus
anzugehen und ohne das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren: Unsere Kinder und Jugendlichen besser vor sexueller Gewalt zu schützen.

Das Interview erschien am 10. März im DONAUKURIER. Das Gespräch führte Andreas Herholz.