Trierischer Volksfreund Dr. Katarina Barley: Der Fortschritt ist auch beim Thema Gleichberechtigung eine Schnecke

Porträtfoto von Dr. Katarina Barley
Bundesministerin Dr. Katarina Barley© Bundesregierung/Steffen Kugler

Trierischer Volksfreund: Frau Barley, wir schreiben das Jahr 2018. Frauen verdienen 21 Prozent weniger als Männer, im Kreis Trier-Saarburg machen Frauen 70 Prozent aller Mini- und Teilzeitjobs und erstmals ist diesen März eine Frau Kapitänin eines Kreuzfahrtschiffs geworden. Das klingt nicht danach, als wären wir besonders weit gekommen mit Emanzipation und Gleichberechtigung, oder?

Dr. Katarina Barley: Der Fortschritt ist auch beim Thema Gleichberechtigung eine Schnecke. Wie Sie richtig sagen, sind auch im Jahr 2018 Frauen in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt. Sei es auf dem Arbeitsmarkt, bei der Bezahlung oder bei den immer noch einengenden Rollenbildern.

Trierischer Volksfreund: Geht es in Deutschland denn voran mit der Gleichberechtigung?

Dr. Katarina Barley: Ja, das tut es. Gerade in den letzten Jahren ist viel passiert, nicht nur politisch sondern in der Gesellschaft insgesamt. Schauen Sie sich nur die Debatten rund um sexualisierte Gewalt an. Hier ist wirklich etwas in Bewegung geraten. Die Rolle der Frauen in unserer Gesellschaft wird ganz anders thematisiert, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war.

Trierischer Volksfreund: Frauen dürfen seit 100 Jahren wählen. Seitdem ist zweifellos viel passiert. Frauen regieren unsere Republik, unser Bundesland. Alles gut also?

Dr. Katarina Barley: Nein, es ist nicht alles gut. Das kann es auch nicht sein, wenn Frauen im Schnitt immer noch 21 Prozent weniger verdienen. Oder wenn es ganz selbstverständlich ist, dass die Frau ein paar Jahre zu Hause bleibt um sich um Kindererziehung oder Pflege zu kümmern, während Männer immer noch schief angesehen werden, wenn sie für mehr als zwei Monate aus dem Beruf aussteigen, um dasselbe zu tun.

Trierischer Volksfreund: Was sind die größten Fortschritte, die es in Sachen Gleichberechtigung in den vergangenen Jahren gegeben hat?

Dr. Katarina Barley: Neben dem gesellschaftlichen Wandel, den ich angesprochen habe, konnten wir in den letzten Jahren ein paar wichtige Gesetze durchsetzen, die wirklich etwas für die Gleichberechtigung bewirkt haben. Mit dem Entgelttransparenzgesetz zum Beispiel haben wir einen Auskunftsanspruch eingeführt. Damit gibt es jetzt die Möglichkeit zu erfragen, was Kollegen, die ähnliche Jobs machen, im Durchschnitt verdienen. Das ist entscheidend, um auf eine faire Bezahlung zu pochen. Denn das kann ich nur, wenn ich weiß, dass ich schlechter als meine Kollegen bezahlt werde. Davon profitieren natürlich in erster Linie Frauen.

Trierischer Volksfreund: Wo hakt es noch?

Dr. Katarina Barley: Ich würde mir gerade von den Unternehmen mehr Unterstützung für Frauen wünschen. Da gibt es häufig noch veraltete Strukturen, in denen es für Gleichberechtigung kein Verständnis gibt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass in Zeiten eines drohenden Fachkräftemangels auch hier zwangsläufig ein Wandel eintreten wird. Kein Unternehmen kann es sich künftig leisten, auf Frauen zu verzichten.

Trierischer Volksfreund: Woran liegt es, dass Frauen immer noch so viel weniger verdienen als Männer?

Dr. Katarina Barley: Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Dazu gehört etwa, dass Frauen viel häufiger als Männer in sogenannten sozialen Berufen arbeiten, etwa als Altenpflegerinnen oder Erzieherinnen. Trotz der wichtigen Arbeit, die sie da leisten, sind diese Berufe viel schlechter bezahlt, als männlich dominierte technische Berufe. Deswegen war es so wichtig, dass wir in den Koalitionsverhandlungen eine weitere Aufwertung der Sozial- und Pflegeberufe durchgesetzt haben. Dazu gehören etwa die Abschaffung von Schulgeldern und die Einführung einer Ausbildungsvergütung. Außerdem wollen wir mehr Frauen und Mädchen für naturwissenschaftliche und technische Berufe begeistern.

Trierischer Volksfreund: Ist es nicht auch ein bisschen die eigene "Schuld" der Frauen, wenn sie freiwillig zuhause bleiben oder halbtags arbeiten, um sich um Kinder oder zu pflegende Angehörige zu kümmern?

Dr. Katarina Barley: Nein, das ist keine Frage von individueller Schuld, sondern von Strukturen. Wir wissen, dass sich viele Frauen wünschen mehr berufstätig sein zu können. Gleichzeitig sehen wir, dass immer mehr Männer Zeit für die Familie und ihre Kinder haben wollen. Das ist eine gute Entwicklung, die Unterstützung braucht. Beispielsweise durch kluge Arbeitszeitmodelle.

Trierischer Volksfreund: Und was tun, wenn gleiche Arbeit schlechter entlohnt wird? Müssten Frauen härter auftreten, besser verhandeln, lauter einfordern?

Dr. Katarina Barley: Frauen müssen überhaupt erstmal die Möglichkeit haben, gegen unfaire Bezahlung vorzugehen. Das haben wir mit dem Auskunftsanspruch möglich gemacht. Aber wir müssen auch grundsätzliche Fragen stellen: Warum verdienen Menschen, denen wir unsere pflegebedürftigen Angehörigen anvertrauen, so viel schlechter, als diejenigen, die unsere Autos reparieren?

Trierischer Volksfreund: Frauen, die das neue Lohntransparenzgesetz nutzen wollen, um herauszufinden, ob sie schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, müssen in einem Betrieb mit mindestens 200 Angestellten arbeiten und mindestens sechs männliche Kollegen haben, die die gleiche Arbeit machen. Bringt dieses Gesetz überhaupt etwas?

Dr. Katarina Barley: Das Lohntransparenzgesetz ist ein wichtiger erster Schritt. Wir müssen jetzt gemeinsam mit den Gewerkschaften daran arbeiten, den Auskunftsanspruch bekannter zu machen. Nächstes Jahr werden wir schauen, wie gut das Gesetz funktioniert und wo gegebenenfalls noch etwas verändert werden muss.

Trierischer Volksfreund: Was sollte die neue Bundesregierung (oder je nachdem, was die Woche so bringt: was wollen Sie) für mehr Gleichberechtigung tun?

Dr. Katarina Barley: Wir werden die erfolgreiche Gleichstellungspolitik der letzten Legislaturperiode fortsetzen. Dazu gehört das angesprochene Gesetz zu Lohngerechtigkeit aber auch Maßnahmen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Dabei werden wir mit gutem Beispiel vorangehen und bis 2025 die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst gesetzlich festschreiben. Mir persönlich ist aber auch der Schutz von Frauen vor Gewalt ein ganz wichtiges Anliegen. Dazu gehört vor allem, dass wir Frauenhäuser in Deutschland besser unterstützen.