Bundesfamilienministerin von der Leyen: "Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere - Ausstieg ist das Ziel"

Das Bundeskabinett hat heute den unter Federführung des Bundesfamilienministeriums erstellten Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten beschlossen. Ziel des Gesetzes war es, die rechtliche und soziale Lage von Prostituierten zu verbessern. Der Zugang zur Sozialversicherung sollte ermöglicht, die Begleitkriminalität zurückgedrängt, gesundheitliche Gefährdung von Prostituierten abgebaut und der Ausstieg aus der Prostitution erleichtert werden. Doch dies ist nicht ausreichend gelungen. "Das Prostitutionsgesetz hat sein Ziel nur in Teilen erreicht. Wir müssen weiter daran arbeiten, den Schutz der Prostituierten erheblich zu verbessern und die Prostitution wirkungsvoller zu kontrollieren", erklärt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen.

Für Prostituierte ist es seit Einführung des Gesetzes (1. Januar 2002) leichter, Zugang zur Sozialversicherung zu bekommen, und es ist ihnen möglich, rechtlich gegenüber Freiern und Bordellbesitzern vorzugehen, um ihren Lohn durchzusetzen. In der Praxis wird dies aber kaum genutzt, wie der Bericht zeigt. Nur ein Prozent aller Prostituierten haben einen Arbeitsvertrag, 87 Prozent sind krankenversichert, ein Drittel von ihnen jedoch als Familienangehörige, nicht unter ihrer Berufsbezeichnung. Bundesministerin von der Leyen: "Das Gesetz konnte die soziale Absicherung der Prostituierten nicht wirklich verbessern. Der Ausstieg aus der Prostitution ist rechtlich jederzeit möglich, er wird faktisch jedoch kaum genutzt. Die Möglichkeiten dazu wurden kaum verbessert. Die Befürworter des Gesetzes hatten die positive Erwartung, dass es mit Hilfe des Gesetzes gelingen könnte, die Kriminalität zu verringern. Für einen solchen Effekt gibt es bislang keine belastbaren Hinweise."

Andererseits haben sich aber auch die Befürchtungen, die von Teilen der Öffentlichkeit mit dem Prostitutionsgesetz verknüpft wurden, nicht bewahrheitet. Das Prostitutionsgesetz behindert nicht die wirkungsvolle Strafverfolgung von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Minderjährigenprostitution und Gewalt in der Prostitution. Die Bundesregierung stützt sich bei dieser Aussage auf mehrere Gutachten, die zur Vorbereitung des Berichts der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurden und für die unter anderem Fachkommissariate der Polizei und Staatsanwaltschaften in allen Teilen Deutschlands befragt wurden. Die Fachleute aus der Praxis wünschten sich bessere Möglichkeiten zur engmaschigen Kontrolle von Bordellen.

Das Prostitutionsgesetz basiert auf der Annahme, dass es sich bei Prostituierten um Menschen handelt, die freiwillig auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdienen. "Das ist für mich ein Schönreden der Situation", so von der Leyen. "Viele Prostituierte suchen einen Ausweg, weil sie gezwungenermaßen unter menschenunwürdigen und gesundheitsschädigenden Bedingungen arbeiten müssen." Insbesondere trifft das zu für Migrantinnen ohne gültigen Aufenthaltstitel, Minderjährige sowie diejenigen, die sich prostituieren, um sich Drogen kaufen zu können.

Aus Sicht der Bundesregierung gibt es folgenden Handlungsbedarf, um den Schutz von Prostituierten wirksam zu verbessern:

  1. "Der Ausstieg aus der Prostitution ist unser wichtigstes Ziel", so der Leyen. Die Bundesregierung wird deshalb prüfen, wie sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit den Ausstieg aus der Prostitution durch Ausstiegshilfen und Programme besser unterstützen. Ausstiegswillige Prostituierte sollen es künftig leichter haben, in Qualifizierungsmaßnahmen und Förderprogramme zu kommen.
  2. Der Schutz der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution muss weiter verbessert werden. Wer Zwangsprostituierte oder Menschhandelsopfer zur Prostitution ausnutzt, muss dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Hierzu soll eine angemessene Lösung zur Regelung der Strafbarkeit der Freier von Zwangsprostituierten geschaffen werden.
  3. Der strafrechtliche Schutz von Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch durch Prostitution wird erheblich verbessert. Künftig werden Sexualkontakte Erwachsener mit Minderjährigen gegen Entgelt oder unter Ausnutzung einer Zwangslage bis zu einem Alter des Opfers von 18 Jahren (gegenüber bislang 16 Jahren) nach § 182 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellt. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung befindet sich bereits in der parlamentarischen Beratung. "Heute kann jemand ungestraft die Dienste einer 16-Jährigen annehmen, das wird in Kürze nicht mehr möglich sein. Alle, die von der Prostitution unter 18-Jähriger profitieren, können künftig bestraft werden", hebt von der Leyen hervor.
  4. "Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere. Deshalb werden wir aufmerksam beobachten, ob die Arbeitsvermittlung rund um die Prostitution auch weiterhin ausgeschlossen bleibt", so von der Leyen. Prostitution darf rechtlich nicht als zumutbare Option zur Sicherung des Lebensunterhalts gelten.
  5. Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Strafdrohungen für die verschiedenen Formen der Ausbeutung von Prostituierten und die Zuhälterei im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Auch das Vermieterprivileg wird überprüft werden. "Wer ausbeuterische Vermietung für Prostituierte betreibt, muss genauso streng bestraft werden können, wie jemand, der ausbeuterische Arbeitsbedingungen für Prostituierte festlegt. Alle Formen der Ausbeutung von Prostituierten sind gleichermaßen strafwürdig", erklärt von der Leyen.
  6. Die bestehenden rechtlichen Mittel des Gaststätten-, des Gewerbe- sowie des Polizei- und Ordnungsrechts müssen besser genutzt und ausgebaut werden. "Für jedes Bierzelt braucht man eine Genehmigung, aber ein Bordell kann man ohne Erlaubnis betreiben, das ist nicht akzeptabel. Wer ein Bordell als Gewerbe anmeldet, muss dann mit strengen Kontrollen über das Gewerberecht rechnen", sagt von der Leyen. "Deshalb werden wir gemeinsam mit den Ländern prüfen, wie das Gewerberecht zum Beispiel mit der Einführung einer Genehmigungspflicht für Bordelle und  bordellartige Betriebe verändert werden kann."