Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
ich danke Ihnen, hier in Rio de Janeiro sprechen zu dürfen.
Der deutsche Wissenschaftler und Nobelpreisträger Albert Einstein hat einmal gesagt: Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, so lange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.
Dies ist für mich und für uns Handlungsmaxime und Anspruch zugleich. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in all seinen Formen ist eines der abscheulichsten Verbrechen. Wir alle sind uns einig, dass wir den Kampf gegen diese Verbrechen nur gemeinsam führen können und gemeinsame Anstrengungen fortsetzten und weiterentwickeln müssen. Wir benötigen ein international ausgeprägtes Networking auf allen Ebenen. Wir brauchen gemeinsame Standards und Normen zum wirksamen Schutz unserer Kinder. Nur so können wir erfolgreich sein.Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, frei von jeder Form von Gewalt aufzuwachsen.
Warum werden dennoch Millionen von Mädchen und Jungen immer wieder Opfer von sexueller Gewalt und Ausbeutung? Trotz großer Anstrengungen weltweit ist es der Staatengemeinschaft bei weitem noch nicht gelungen, auch nur annährend alle Kinder vor diesen Verbrechen zu schützen. Die Folgen für die Kinder sind schwerwiegend und begleiten sie häufig ein Leben lang.
Sehr geehrte Damen und Herren, die kompetente Bekämpfung dieser Verbrechen und ein präventiver Kinderschutz haben für die deutsche Bundesregierung oberste Priorität. Im Jahr 2003 wurde der "Aktionsplan der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung" verabschiedet. Ein integrierter Plan, der alle Ebenen einbezieht und gezielt Intervention und Prävention anspricht. Zahlreiche Maßnahmen aus dem Aktionsplan wurden in den letzten Jahren umgesetzt. Ein aktueller Sachstandsbericht zieht Bilanz und liegt heute hier vor. Wir haben deutliche Fortschritte erzielt ohne nachlassen zu dürfen.
Fünf Punkte möchte ich hervorheben:
1. Es ist uns gelungen, wesentliche Änderungen im Strafrecht und im Bereich des Opferschutzes gesetzlich zu verankern. Der strafrechtliche Schutz von Minderjährigen wurde verbessert und der Opferschutz gestärkt, der Strafrahmen wurde erhöht und neue Straftatbestände geschaffen.
2. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir es in vielen Bereichen geschafft, eine erfolgreiche sektorübergreifende Politik umzusetzen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet seit Jahren engagiert und mit Erfolg. Vertreterinnen und Vertreter aller mit der Thematik "Sexuelle Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen" befassten Bundesministerien, der Bundesländer aber auch aus Nichtregierungsorganisationen stehen hier eng zusammen und stimmen sich ab.
3. Im Bereich der Prävention reichen die Maßnahmen von Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bis zu Fortbildungen und Fachveranstaltungen für Fachkräfte aus dem psychosozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich.
4. Die Umsetzung des von der Reiseindustrie vereinbarten Verhaltenskodex zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Tourismus wurde von einer Vielzahl von Akteuren in Deutschland intensiv vorangebracht und ist ebenfalls ein Beispiel sektorübergreifender Kooperation.
5. Wir haben die internationale Zusammenarbeit verbessert. Internationale Übereinkommen wurden von Deutschland ratifiziert, Gesetze zur Umsetzung von Rahmenbeschlüssen des Rates der Europäischen Union und zum Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie verabschiedet.
Um diesen Weg kraftvoll fortzusetzen, brauchen wir alle gesellschaftlichen Akteure und ein starkes gesellschaftliches Bewusstsein, das wir immer wieder sensibilisieren müssen in aller Offenheit und umfassend. Ohne eine integrierte und sektorübergreifende Politik werden wir den Kampf nicht gewinnen können. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Regierungsebenen und Politikbereichen ist ein entscheidender Baustein.
Ich bin sicher, dass auch Sie, meine Damen und Herren, in Ihren Ländern Fortschritte und bessere Schutzmöglichkeiten vorweisen können. Wir sind jedoch nicht gekommen, um zufrieden auf Erreichtes zurückschauen. Wir sind angetreten, weil es eine Verantwortung für Millionen von Kindern gibt. Diese Verantwortung nehmen die deutsche Bundesregierung und die deutsche Regierungsdelegation sehr ernst, wegen dieser Verantwortung sind Sie und wir hier in Brasilien. Wir sollten Erfolge würdigen, aber lassen Sie uns mehr über die schmerzlichen Lücken reden. Lassen Sie uns über das Handeln reden und uns nicht mit unseren Vorstellungen und Zielen zufrieden geben.
Wir alle wollen den Kindern unserer Welt ein kindgerechtes Aufwachsen, Bildung, Schutz und ein gutes Leben ermöglichen. Uns eint der Wille, die Ursachen sexueller Gewalt gegen Mädchen und Jungen zu bekämpfen und Täter für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen. Dann sollten wir es jetzt auch tun. Wir alle wissen: Nur gemeinsam können wir etwas gegen die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen unternehmen.
Drei Ziele sind für die deutsche Regierung zentral:
1. die konsequente Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet. Kinder und Jugendliche müssen deutlich besser geschützt werden. Die abscheulichen Verbrechen rund um den Globus nehmen in ungeheuren Ausmaßen tagtäglich zu. Technologische Entwicklungen und Mobilität führen zu diesen Tatbeständen, wir können sie aber auch nutzen, um dem Voranschreiten der Kinderpornographie im Netzt etwas entgegen zu stellen. Es müssen wirksamere Möglichkeiten zur Identifizierung von Opfern und Tätern geschaffen werden. Wir brauchen Richtlinien zum Umgang mit Onlineopfern und Opfern kinderpornografischer Inhalte. Die Versorgung der Opfer durch kompetente Fachkräfte muss sichergestellt werden. Es ist bedrückend, dass Kinderpornographie weltweit in dieser unglaublichen Fülle verfügbar ist und weiter zunimmt. Allein in dem Zeitraum von 2006 nach 2007 ist in Deutschland ein Zuwachs von 89 Prozent bei der Besitzverschaffung von Kinderpornographie durch das Internet zu verzeichnen.
Deshalb wird Deutschland neben der Verstärkung der Verbrechensverfolgung zwingende gesetzliche Regelungen schaffen und Internetseiten mit kinderpornographischen Darstellungen beim Access-Provider sperren. Ich erhoffe mir von dieser Konferenz, dass wir internationale Wege finde, die gesperrten Listen auch über staatliche Grenzen hinweg auszutauschen und weltweit Zugänge zu verschließen ohne bei der Suche nach den Quellen nachzulassen und das Übel bei der Wurzel zu packen - es geht um sowohl als auch - nicht um entweder oder.
2. Aber die rasante Entwicklung der Technik birgt noch eine Gefahr: Junge Menschen und ihre Eltern sind sich nicht immer ausreichend bewusst über die Gefahren, die die attraktiven neuen Medien mit sich bringen können. Hier brauchen wir national und international Strategien und Standards zur Vermittlung von Medienkompetenzen bei Kindern, Jugendlichen und Eltern im Umgang mit sensiblen Daten.
3. Die Bekämpfung des weltweiten Kinderhandels ist ein drittes prioritäres Handlungsfeld. Alle Nationen müssen an einem Strang ziehen. Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist unabdingbar. Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen, die mit Opfern von Kinderhandel in Kontakt kommen können, müssen geschult und für die Problematik sensibilisiert werden. Nur dann ist eine effektive Verbrechensbekämpfung und Täterverfolgung möglich.
Wir brauchen eine Welt, in der ein Kind den gleichen Schutz und die gleiche Aufmerksamkeit erfährt, wie zum Beispiel eine internationale Bank oder ein großer Autokonzern. Weltweit sorgen wir uns um Finanzkrisen, Auswirkung von Globalisierung und den Zusammenbruch der Wirtschaft. Hier, heute, überall und jederzeit ist es an uns, glaubwürdig und konsequent die Schwächsten unserer Gesellschaft zu verteidigen und für ihre Rechte zu kämpfen.
Sehr geehrte Damen und Herren, nur wenn wir gemeinsam handeln, können wir den Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern weltweit gewinnen. Von unserer Konferenz muss ein Signal in die Welt gehen. Ich wünsche mir, dass sich die seit Yokohama in vielen Ländern erzielten Fortschritte stärker und schneller ausbreiten und weitere Fortschritte erzielt werden. Die Bundesrepublik Deutschland wird jetzt und zukünftig ein verlässlicher Partner im Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie sein.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!