Veranstaltungsdokumentation Zukunftsgespräch über Bedürfnisse und Wünsche von Trennungsfamilien

Dr. Katarina Barley spricht an einem Rednerpult
Befragung von Trennungseltern: Dr. Katarina Barley stellt erste Ergebnisse vor© BMFSFJ

Mehr als 50 Fachleute aus Wissenschaft, Politik, Verbänden und Gesellschaft sind am 11. Juli im Rahmen des Zukunftsgesprächs "Gemeinsam getrennt erziehen" zusammengekommen, um über die unterschiedlichen Lebenssituationen und Bedarfe getrennter Familien zu diskutieren.

Eröffnung durch Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley

Bundesfamilienministerin Dr. Katharina Barley eröffnete die Veranstaltung als ersten Auftakt für den weitergehenden Dialog darüber, was Trennungsfamilien brauchen und an welche Punkten politische Lösungen gefragt sind, um getrennte Familien besser zu unterstützen.

Als wesentliche Aspekte einer gelingenden Nachtrennungssituation benannte die Bundesministerin:

  • Gesellschaftliches Umdenken: Familie ist vielseitig. Getrennte Familien sind Familie.
  • Partnerschaftlichkeit: Junge Familien wünschen sich eine gleichberechtigte Aufgabenteilung in Familie und Beruf. Das ist vermehrt auch nach der Trennung so. Hier müssen die Rahmenbedingungen teilweise noch geschaffen werden.
  • Unterstützung: Familien in der Trennungsphase müssen mehr Unterstützung bekommen. Hier braucht es gute Vorschläge und klare Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit den Dialogpartnern erarbeitet werden sollen.

Wertvolle Impulse

Einen Einblick in die Lebenssituation und Wünsche von Eltern in und nach der Trennung gewährte Dr. Wilhelm Haumann vom Institut für Demoskopie Allensbach unter Rückgriff auf die Ergebnisse seiner Befragung "Gemeinsam getrennt erziehen".

In Form kurzer Impulsvorträge beleuchteten neun Expertinnen und Experten die Frage, wie gemeinsame Elternschaft nach der Trennung gelingen kann - unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten.

Frau Prof. Dr. Kreyenfeld, Professor of Sociology an der Hertie School of Governance, berichtete aus ihrer Forschung zum Vater-Kind-Kontakt nach Trennung und Scheidung. Danach haben ein Drittel der Trennungsväter in Deutschland regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern. Das gemeinsame Sorgerecht habe einen positiven Einfluss auf diesen.

Die Journalistin und Autorin Lisa Frieda Cossham teilt sich die Betreuung und Erziehung mit dem Vater ihrer beiden Töchter gleichberechtigt und schilderte ihre persönlichen Erfahrungen als "Teilzeitmutter". Besonders betonte Frau Cossham, wie hilfreich sie die Mediation in der Trennungsphase von ihrem Partner empfunden hat.

Jürgen Rudolph, Rechtsanwalt und Familienrichter a.D., stellte die von ihm mitbegründete sogenannte "Cochemer Praxis" vor, die auf die Verzahnung der Kompetenzen und Leistungen aller am familiengerichtlichen Verfahren beteiligter Professionen abzielt und so zur "(Wieder-)Herstellung der gemeinsamen elterlichen Handlungsfähigkeit" auch in hochstrittigen Fällen beiträgt.

Prof. Dr. Rüdiger Ernst, Vorsitzender Richter am Kammergericht Berlin, betonte nach seinen Erfahrungen als Familienrichter die Kommunikationsfähigkeit der Eltern als wesentliche Voraussetzung für gemeinsame Entscheidungen bis hin zu einem gemeinsamen Erziehen von Kindern nach einer Trennung. Er schlägt Kommunikationstrainings als Ergänzung zu vorhandenen Unterstützungsangeboten vor.

Anne Dahlbüdding, Referentin im Referat "Rechtsfragen der Kinder- und Jugendhilfe" des Bundesfamilienministeriums, stellte in Vertretung für Herrn Dr. Büttner der Forschungsgruppe PETRA die Studie "Kindeswohl und Umgangsrecht" vor. Ziel der vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie, die von der Universität Bremen und der Forschungsgruppe PETRA durchgeführt wird, ist es, herauszufinden, wie der Umgang gestaltet werden kann, damit er dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bei der Studie stehen die Kinder im Mittelpunkt und werden selbst zur Umgangssituation befragt.

Marc Serafin, Jugendamtsleiter der Stadt Niederkassel, stellte die These auf, dass die rechtliche Priorisierung des Residenzmodells und die damit verbundene Arbeits- und Sichtweise der beteiligten Professionen, "single parenting" sowie konflikthafte Verläufe elterlicher Trennungen befördert. So schlägt er, neben einer Abkehr vom Leitbild des Residenzmodells, unter anderem die kostenfreie Beratung beider Eltern beim Jugendamt vor.

Bruno Pfeifle, Amtsleiter a.D. des Stadtjugendamts Stuttgart erläuterte seine These, dass das Wohl der Kinder von Eltern, die sich getrennt haben, im Wesentlichen vom Verhalten dieser Eltern abhängt. Aufgabe der Jugendhilfe sei es, die Eltern in der Wahrnehmung dieser Verantwortung zu stärken und so auch zur Entspannung elterlicher Konflikte beizutragen.

Frau Prof. Dr. jur. Sünderhauf-Kravets, Professorin für Familienrecht, Kinder- und Jugendhilferecht an der evangelischen Hochschule Nürnberg, berichtete von Erfahrungen mit der Einführung obligatorischer Mediation in Australien. Die zwingende Durchführung einer Mediation vor einem gerichtlichen Verfahren erfährt dort mittlerweile hohe gesellschaftliche Akzeptanz und führte innerhalb von fünf Jahren zu einem Rückgang der kindschaftsrechtlichen Gerichtsverfahren um 32 Prozent.

Marc Schulte, Leiter des Väterzentrums Berlin, schilderte seine Erfahrungen aus den von ihm regelmäßig durchgeführten Väterberatungen. Für Väter berge die Trennung oft auch eine Chance, das Verhältnis zu ihren Kindern neu zu definieren und weiter zu entwickeln. Das Väterzentrum unterstützt Väter und ihre Familien auf dem Weg der Verständigung und bei der Findung gemeinsamer Lösungen.

Diskussion und Ergebnisse

In der Diskussion der Teilnehmenden in den Workshops und der Abschlussdebatte wurden schwerpunktmäßig folgende Handlungsfelder zum Thema "Gemeinsam getrennt erziehen" benannt:

  • Streit vermeiden: Fähigkeit zur Kommunikation und Zusammenarbeit der Eltern sollte in der professionellen Arbeit gestärkt werden; entsprechende Angebote sollten frühzeitig, am besten weit im Vorfeld eines familiengerichtlichen Verfahrens an die Eltern herangetragen werden;
  • Beratungsangebote verbessern: Angebote sollten beiden Eltern zur Verfügung stehen und möglichst früh und niederschwellig ansetzen.
  • Kooperation der Verfahrensbeteiligten im familiengerichtlichen Verfahren: Es braucht die nötigen Rahmenbedingungen für die Organisation und Koordination der Netzwerkarbeit; denkbar wäre zum Beispiel eine Koordinierung durch die Jugendämter.
  • Gesellschaftliches Umdenken: Hinsichtlich veränderter Familienbilder stellt sich auch die Frage nach veränderten Leitbildern für die Nachtrennungssituation; Institutionen, wie zum Beispiel Schulen, sollten das Engagement beider Eltern unterstützen.
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Für Eltern, die sich gemeinsam um ihr Kind kümmern, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden.
  • Vereinbarkeit: Arbeitgeber müssen für die Nachtrennungssituation sensibilisiert sein; auch bedarf es der nötigen Infrastruktur (zum Beispiel Kitas).