Namensartikel von Franziska Giffey Für eine Digitalisierung, die uns allen dient

Franziska Giffey vor dem Schriftzug Gesellschaftspolitik
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey© Photothek/Janine Schmitz

Manchmal kommt die Zukunft schneller als man denkt. Und dann kommt sie auch noch anders. Das hat uns das vergangene Jahr gezeigt. Neben allen gesellschaftlichen Herausforderungen und der schwierigen Suche nach dem richtigen Umgang mit der Coronavirus-Pandemie und ihren Folgen hat sich unser Land auch auf eine andere Art verändert. Die Pandemie hat als Digitalisierung-Turbo fungiert und in fast allen gesellschaftlichen Bereichen der bisherigen Entwicklung einen großen Schub gegeben. Denn die Digitalisierung umfasst viel mehr als den Ausbau des Glasfasernetzes oder die Modernisierung unserer Industrie. Smartphones und Tablets, Videocalls und digitale Plattformen verändern unsere Lebensgewohnheiten, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, wie wir arbeiten, kurz: unser Leben.

Viele der Veränderungen, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, werden uns auf Dauer begleiten. Ein Zurück wird es nicht geben. Damit ergibt sich für unsere Gesellschaft die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese neue Normalität nicht nur ein besseres Leben für wenige, sondern für alle Menschen in unserem Land bedeutet, unabhängig von Alter, Herkunft, Fähigkeiten und sozialer Zugehörigkeit. Im Bundesfamilienministerium sind wir überzeugt, dass das möglich ist, wenn wir die Digitalisierung als Chance verstehen und sie mit Zuversicht, Mut und dem Willen zur Veränderung gestalten. Denn sie ist nicht ein Schicksal, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Sie diktiert nicht was wird, sondern stellt vielmehr die Frage, was sein kann.

Chancen nutzen durch eine "Smarte Gesellschaftspolitik"

Unsere Antwort auf diese Frage ist klar: Wir wollen mit digitalen Technologien gesellschaftliche Herausforderungen auf neue Weise lösen, indem wir den digitalen Wandel in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Das ist unsere Vision einer "Smarten Gesellschaftspolitik". Schon heute bereichert smarte Technik unseren Alltag und unser Zusammenleben.

Ich denke an Familien, die mithilfe einer Kalender-App in Echtzeit ihren Alltag planen, die nächste Einkaufsliste mithilfe eines Digitalassistenten schreiben und per Videotelefonie gerade in dieser schwierigen Zeit Kontakt zu den Großeltern halten.

Digitale Lösungen stärken auch unsere Selbstbestimmung. Ich denke dabei an ältere Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind und denen per Smartphone oder Sprache steuerbare Rollläden, Heizungen, Lichtschalter oder Türöffner mehr Lebensqualität bieten. Dadurch wird ein "Leben wie gewohnt" bis ins hohe Alter möglich. Deshalb fördern wir genau das schon heute mit unserem gleichnamigen Bundesförderprogramm.

Die Digitalisierung kann auch unseren Zusammenhalt stärken. Sie gibt Organisationen und Initiativen unserer Zivilgesellschaft online und per Videotelefonie die Möglichkeit, für andere Menschen da zu sein, sie im Alltag begleiten und beraten zu können. Digitale Plattformen und Räume machen es allen Menschen einfacher, sich zu informieren und sich an Diskussionen und Abstimmungen zu beteiligen. Wichtig ist dabei, dass diese Räume allen gleichermaßen offenstehen und dass hier die gleichen Regeln wie sonst in unserer Gesellschaft gelten: Anstand und gegenseitiger Respekt. Dafür stärken wir beispielsweise neue Formen digitalen Engagements und setzen uns gegen den zunehmenden Hass und die Hetze im Netz ein.

Die richtigen Voraussetzungen für eine smarte Gesellschaft schaffen

Schon diese Beispiele zeigen das Potenzial, wie smarte Lösungen uns auf dem Weg zu einer sozialeren und gerechten Gesellschaft weiterbringen können. Aber klar ist auch: Damit das gelingt, muss die Politik für die richtigen Voraussetzungen sorgen. Auch diese Aufgabe nehmen wir mit unserer "Smarten Gesellschaftspolitik" mit vielen Partnern in den Blick. Drei Faktoren sind dafür entscheidend.

Erstens: Alle Menschen müssen Zugang zu digitalen Angeboten haben und beteiligt werden. Eine digitale Spaltung darf es nicht geben; weder zwischen Frauen und Männern noch zwischen Jung und Alt oder Arm und Reich. Wir müssen sicherstellen, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, sich die nötigen Kompetenzen anzueignen, um digitale Angebote sicher, souverän und selbstbestimmt zu nutzen.

Zweitens: Wir nutzen die digitale Technologie als Staat, damit unsere Angebote und Hilfen die Menschen besser als bisher erreichen - für einen Sozialstaat, der als Dienstleister auf die Menschen zugeht und ihnen zur Seite steht. Mit der Digitalisierung liegen die dazu passenden Werkzeuge auf dem Tisch. Wir denken Service neu und bieten Familienleistungen und andere Angebote so unkompliziert, bedarfsgerecht und sicher wie möglich an. Anstatt auf den nächsten freien Mitarbeitenden zu warten, sollen zum Beispiel smarte Bots und Assistenten die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten - ganz individuell, zu jeder Uhrzeit.

Drittens: Wir sorgen dafür, dass die organisierte Zivilgesellschaft das bekommt, was die digitale Wirtschaft bereits heute antreibt: Daten. Sie sind der Kraftstoff der Digitalwirtschaft, die Grundlage für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Daher wollen wir gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden, Mehrgenerationenhäusern, Social-Start-ups und vielen mehr ein Innovationsnetz in Deutschland aufbauen. Dahinter steckt ein Netzwerk, das verantwortungsvoll und anonymisiert Daten bereitstellt, die der Dritte Sektor nutzen kann, um gemeinwohlorientierte datenbasierte Anwendungen zu entwickeln und so soziale Innovationen voranzubringen.

Technologischer Fortschritt muss dem Gemeinwohl dienen

Ein Aufbruch ins Neue ist immer ein Wagnis. Das Gute ist: Wir haben ein klares Ziel. Eine digitale Gesellschaft, die das Leben der Menschen einfacher, besser und unser Land sozialer und gerechter macht. Zugegeben: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Mit unserer smarten Gesellschaftspolitik gehen wir jetzt wichtige Schritte. Sie dient uns als Kompass auf dem Weg zu einer innovativen und intelligenten Digitalpolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Dafür müssen wir noch mehr als bisher Digitalisierungspolitik und Gesellschaftspolitik zusammen denken. Denn die Zukunft wartet nicht. Sie ist schon da.