Selbstbestimmungsgesetz Sven Lehmann: Riesiger Fortschritt für die geschlechtliche Selbstbestimmung

Porträt von Sven Lehmann
Sven Lehmann© Bundesregierung/Steffen Kugler

In ihrer Sitzung am 23. August hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Das Selbstbestimmungsgesetz soll das Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen soll es ermöglicht werden, ihren korrekten Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine Erklärung beim Standesamt zu erhalten - ohne psychiatrische Gutachten und langwierige Gerichtsverfahren.

Dazu erklärte Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter): "Der heutige Tag ist historisch, denn erstmals beschließt eine Bundesregierung einen Gesetzentwurf, um das über 40 Jahre alte und in großen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) abzuschaffen und die rechtliche Anerkennung von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen zu verbessern. Die Verhandlungen zwischen den Ministerien waren langwierig, deswegen bin ich froh, dass wir nun endlich einen Schritt weiter sind.

Jeder Mensch hat das Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit. Dieses Recht wird aber trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen bislang vorenthalten. Die nun geplante Abschaffung psychiatrischer Zwangsbegutachtung und langwieriger, teurer Gerichtsverfahren ist für diese Menschen ein riesiger Fortschritt. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz will die Bundesregierung die jahrzehntelange staatliche Bevormundung und Fremdbestimmung von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen beenden.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll eine Korrektur des Geschlechtseintrags und Vornamens zukünftig mit einer Selbstversicherung beim Standesamt möglich sein. Die Korrektur muss mindestens drei Monate vorher beim Standesamt angemeldet werden und ist dann sofort gültig. Das ist eine Verbesserung gegenüber dem Referentenentwurf, der nach dem Termin beim Standesamt noch eine Wartezeit vorsah.

Der Gesetzentwurf der Regierung ist ein Kompromiss zwischen verschiedenen Ministerien mit unterschiedlichen Interessen. Neue Passagen wie die zum Offenbarungsverbot gehen auf das Innenministerium zurück. Menschen, die von Sicherheitsbehörden gesucht werden, können das Gesetz nicht missbrauchen, um mit einer Änderung von Personenstand und Vornamen ihre Auffindbarkeit zu erschweren. Hier muss unbedingt sichergestellt werden, dass nur bereits bestehende Datensätze aktualisiert werden. Liegt den Sicherheitsbehörden kein Eintrag zu einer Person vor, müssen diese persönlichen Daten wie im Gesetz vereinbart sofort gelöscht werden.

Ich bedanke mich bei den zahlreichen Verbänden für ihre Verbesserungsvorschläge in den Stellungnahmen. Ich bedauere, dass Verbesserungen am Entwurf auf Ebene der Ministerinnen und Minister nicht möglich waren, etwa zum Hausrecht-Paragrafen. Es bleibt aber dabei, dass der Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unverändert fortbesteht. 

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht nun an den Bundesrat zur Stellungnahme und dann im Herbst in den Bundestag. Ich setze darauf, dass im parlamentarischen Verfahren Verbesserungen am Gesetzentwurf möglich sind.

Ich halte es für machbar, dass der Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz noch in diesem Jahr verabschiedet. Laut Innenministerium wäre ein Inkrafttreten erst am 1. November 2024 möglich. Selbst wenn Zeit für die erforderlichen Anpassungen des Personenstandswesens eingeplant werden muss, ist ein Inkrafttreten im November 2024 aus meiner Sicht zu spät. Es muss geprüft werden, ob ein Inkrafttreten beschleunigt werden kann. Die Betroffenen haben lange genug gewartet."