Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung gehören zu den durch das Grundgesetz garantierten Rechten. Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (Selbstbestimmungsgesetz) möchte diese Rechte für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sicherstellen. Dafür soll das veraltete und zum Teil verfassungswidrige Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 aufgehoben und durch eine einheitliche Regelung ersetzt werden, mit der Menschen ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können.
Wichtige Änderungen
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SGBB) sollen das Transsexuellengesetz (TSG) aufgehoben und folgende wichtige Änderungen vorgenommen werden:
- Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll für transgeschlechtliche sowie nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt werden, also nicht mehr wie bisher in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
- Volljährige Menschen sollen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt die Änderung ihres Geschlechtseintrags sowie ihrer Vornamen bewirken können. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung gilt eine dreimonatige Wartefrist.
- Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben.
- Für Minderjährige ab 14 Jahren ist geplant, dass die Minderjährigen die notwendige Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten beim Standesamt abgeben können. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, sollen Familiengerichte in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl - wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht - die Entscheidung der Sorgeberechtigten ersetzen können.
- Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll vermieden werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Ab der Erklärung gegenüber dem Standesamt kann eine erneute Änderung also erst nach 15 Monaten vorgenommen werden (drei Monate Wartefrist plus zwölf Monate Sperrfrist).
- Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderungen des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (Offenbarungsverbot).
- Das Selbstbestimmungsgesetz ändert nichts am privaten Hausrecht und am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig. Und was heute verboten ist, bleibt verboten. Das geht aus dem Entwurf und seiner Begründung klar hervor.
- Die geplante Regelung sieht ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen vor. Die Frage, ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche oder medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche vornehmen kann, wird nicht durch das SBGG geregelt. In diesem Fall gelten wie bisher allein fachmedizinische Prüfkriterien.
Hintergründe des Vorhabens
- Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt.
- Die Reform steht auch im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierung. Sie kommt den Empfehlungen nationaler und internationaler Gremien nach, die sich insgesamt für eine stärker durch Selbstbestimmung geprägte Regelung des Geschlechtseintrags für trans- und intergeschlechtliche Menschen ausgesprochen haben. Vor allem aber entspricht das SBGG den Vorgaben des internationalen Menschenrechtsschutzes.
- Trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen sind häufig Diskriminierung in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt (zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz oder Gewaltbetroffenheit in der Öffentlichkeit). Insbesondere werden sie von Dritten häufig als angeblich psychisch krank stigmatisiert und massiv herabgewürdigt, sie werden verunglimpft, beleidigt und immer häufiger auch körperlich angegriffen bis hin zu tödlichen Angriffen. Auch diese Situation soll sich mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes verbessern, zum Beispiel durch ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot.
- 2020 wurden laut Bundesinnenministerium 204 politisch motivierte Straftaten im Themenfeld "Geschlecht/Sexuelle Identität" erfasst, darunter 40 Gewalttaten. Im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 340 Straftaten, darunter 57 Gewalttaten.
- In einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur gaben 58 Prozent der befragten transgeschlechtlichen Personen aus Deutschland an, in den zurückliegenden zwölf Monaten diskriminiert oder belästigt worden zu sein.
- Nach der Studie "Out im Office" sind transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen besonders armutsgefährdet. Rund ein Viertel der trans* Befragten gab ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro an (in der Teilgruppe der nichtbinären Befragten sogar 40 Prozent).