Bundesministerin Ursula von der Leyen startet Modellprojekte für soziale Frühwarnsysteme

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
"Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für Kinder, die es von Anfang an schwer haben in ihrem Leben", so von der Leyen. Gemeinsam mit den Bundesländern und Kommunen will die Bundesministerin auf vorhandene Strukturen aufbauen, die Erfahrungen der unterschiedlichen Hilfesysteme wie Jugendämter, Familienhelfer, Hebammen und Ärzte auswerten sowie die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessern. "Der tragische Fall von Kevin in Bremen zeigt uns einmal mehr, wie dringend diese Projekte sind, die wir seit Jahresbeginn vorbereitet haben", so von der Leyen.

"Wir können nicht alle Fehler vermeiden, aber wir müssen aus den Fehlern lernen und den Schutz von Kindern in Deutschland konsequent verbessern. Dazu brauchen wir eine enge Verzahnung des Gesundheitssystems sowie der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort. Dies ist in erster Linie Aufgabe der Länder und Kommunen - doch der Bund will die Erfahrungen aus den Modellprojekten auswerten, neue Forschung voran treiben und die Länder und Kommunen dabei unterstützen, diese Lernschritte flächendeckend einzuführen", erklärt die Bundesministerin. Die Bundesregierung stellt zehn Millionen Euro bereit, um in verschiedenen Modellprojekten gezielte Hilfen für Säuglinge und Kleinkinder zu entwickeln und soziale Frühwarnsysteme aufzubauen.

Die ersten zwei großen Modellvorhaben, die von der Bundesregierung gefördert werden, stellt von der Leyen heute der Öffentlichkeit vor. Der Bund fördert das Gemeinschaftsprojekt "Guter Start ins Kinderleben", das von den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern und Thüringen mit intensiver Begleitung von Prof. Dr. Jörg Fegert von der Universität Ulm entwickelt wurde. Ziel des Projektes: Die vorhandenen Angebote der Jugend- und Gesundheitshilfe sollen systematisch miteinander vernetzt werden. Die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache, insbesondere zwischen Gesundheit und Sozialpädagogik bei der Risikodefinition und -erkennung ist ein wichtiger Baustein. Zudem werden Eltern, die unter hoch belastenden Bedingungen leben, speziell geschult. Ihre Beziehungs- und Erziehungskompetenzen soll gestärkt werden. In den einzelnen Ländern werden unterschiedliche Risikogruppen in den Blick genommen: In Baden-Württemberg zum Beispiel sehr junge und psychisch kranke Mütter, in Rheinland-Pfalz sehr junge Mütter und Migrationsfamilien.

Das zweite Modellprojekt startet zunächst in Niedersachsen. "Pro Kind" setzt auf die gesundheitliche Prävention schon während der Schwangerschaft. Erstgebärende Schwangere, die sich in einer sozialen Problemlage befinden, die minderjährig sind, keine Schul- oder Berufsausbildung oder Gewalt in der Familie erlebt haben, werden gezielt begleitet. Mütter, die von "Pro Kind" unterstützt werden, werden regelmäßig von einer Hebamme oder Sozialpädagogin zu Hause betreut. Hebammen und Sozialpädagoginnen arbeiten eng zusammen. Das Projekt wird von Prof. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, initiiert. Es wird mit einer Begleitforschung ausgestattet.

Noch in diesem Jahr wird das "Zentrum des Bundes für frühe Hilfen" seine Arbeit aufnehmen. Es hat vor allem drei Aufgaben: Das Zentrum wird eine Plattform über die Ländergrenzen hinweg aufbauen, um das vorhandenen Wissen und die Erfahrungen gezielt auszuwerten und zu bündeln. Dieses Wissen soll allen Kommunen und Trägern zugänglich gemacht werden, die frühe Hilfen und ein soziales Frühwarnsystem aufbauen wollen. Das Gesundheitswesen sowie die Kinder- und Jugendhilfe sollen durch gezielte Informationen angeregt werden, geeignete Frühwarnsysteme und Kooperationsstrukturen in allen Regionen aufzubauen. Der Bund hat mit den Ländern eine Bestandsaufnahme über Projekte für frühe Hilfen gestartet. Derzeit werden 25 Ansätze aus den Bundesländern auf ihre Wirksamkeit geprüft. "Wir wollen Erfolg versprechende Ansätze aufgreifen und Lücken aufdecken, um diese gezielt zu schließen. In Kürze wissen wir, welche Ansätze sich zur Übertragung an andere Orte eignen und welche Fragen bei der Vernetzung der Hilfesysteme noch zu klären sind", so die Ministerin.

Das Frühwarnsystem soll dazu beitragen, Risiken früher zu erkennen und durch frühe Hilfen die Elternkompetenz zu stärken. "Kinder sind von Geburt an besonders schutzbedürftig und auf die intensive und lückenlose Fürsorge ihrer Eltern angewiesen. Die meisten Familien kommen mit der Erziehung ihrer Kinder gut zurecht, doch nicht alle jungen Mütter und Väter sind ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet, weil sie oft selbst große Probleme haben", sagt von der Leyen. Besonders in hoch belastenden Lebenslagen kann es zu Überforderungen kommen, die schnell in Katastrophen münden. "Wir müssen aus Fehlern, die gemacht wurden, lernen", so die Bundesministerin. "Wenn Kinderschicksale Schlagzeilen machen, handelt es sich häufig um Kinder, die in Hochrisikofamilien geboren werden. In Fällen, in denen gegen den Willen der Eltern interveniert werden muss, um das Kindeswohl zu sichern, ist der Staat in seinem Wächteramt gefordert. Und wir haben auch die rechtlichen Möglichkeiten, müssen sie nur konsequent anwenden", so von der Leyen. Deshalb hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) schon im vergangenen Jahr den Schutzauftrag des Jugendamtes verbessert. Neben der konsequenten Abklärung von Gefährdungsrisiken dürfen auch Daten, die Hinweise auf Kindeswohlgefährdung geben, vereinfacht weitergegeben werden.