Häufig gestellte Fragen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)

Mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) soll es trans- und intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen. Das Bundesgleichstellungsministerium und das Bundesjustizministerium haben einen Entwurf für das Gesetz erarbeitet. Hier die wichtigsten Informationen zu dem Entwurf. 

I. Wesentlicher Inhalt und Motive

Was soll sich durch das SBGG in Bezug auf den Geschlechtseintrag ändern? 

  • Selbstbestimmt leben zu können, ist fundamental für alle Menschen. Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und der geschlechtlichen Identität. Das SBGG möchte diese Rechte für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sicherstellen.
  • Ziel des Gesetzes ist es, das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität zu verwirklichen. Dafür sollen Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Auseinanderfallen des Geschlechtseintrags und der Geschlechtsidentität vereinheitlicht, entbürokratisiert und eine selbstbestimmte Änderung zur Wahrung und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität geregelt werden.
  • Das SBGG betrifft die Angabe des Geschlechts im Personenstandsregister: Das ist ein staatliches Register, das bei den Standesämtern geführt wird. Das Gesetz wird es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag in dem Register ändern zu lassen; außerdem wird es ihnen die Änderung ihres Vornamens erleichtern. Das Gesetz richtet sich an Personen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das für sie beim Standesamt eingetragen ist.
  • Transgeschlechtliche Menschen identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Intergeschlechtliche Menschen haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen. Das betrifft zum Beispiel die Geschlechtsorgane, den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion. "Nichtbinär" ist eine Selbstbezeichnung für Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren.
  • Schon nach geltendem Recht ist es möglich, den eigenen Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Seit 2011 sind in Folge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geschlechtsangleichende medizinischen Maßnahmen dafür keine Voraussetzung mehr. Allerdings stellt das geltende Transsexuellengesetz (TSG) noch immer hohe Hürden auf. Eine Änderung des Geschlechtseintrags setzt danach die Entscheidung eines Gerichts voraus. Und das Gericht darf dem Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags nur stattgeben, wenn es zuvor die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat. Intergeschlechtliche Menschen hingegen können seit Dezember 2018 gemäß § 45b des Personenstandgesetzes (PStG) ihren Geschlechtseintrag ändern lassen. Bedingung ist dafür eine Erklärung beim Standesamt sowie eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer "Variante der Geschlechtsentwicklung". Unter bestimmten Voraussetzungen genügt statt dieser ärztlichen Bescheinigung eine eidesstattliche Versicherung. Zudem wurde 2018 mit "divers" ein weiterer Geschlechtseintrag eingeführt. In einem Beschluss vom April 2020 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass über das Verfahren nach dem TSG auch die Streichung des Geschlechtseintrags beziehungsweise eine Änderung zu "divers" möglich ist.
  • Das SBGG wird ein einheitliches Verfahren einführen und das TSG ersetzen. Künftig wird die Änderung des Geschlechtseintrags keine gerichtliche Entscheidung oder eine ärztliche Bescheinigung mehr voraussetzen. Und auch eine Begutachtung wird nicht erforderlich sein. Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen werden ihren Geschlechtseintrag durch eine Erklärung beim Standesamt ändern lassen können.

Weshalb wird die Änderung des Geschlechtseintrags erleichtert?

  • Zur Menschenwürde und zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gehört auch das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt klargestellt. Das bisherige Verfahren trägt diesem Recht auf Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung. Viele Betroffene empfinden die notwendigen Begutachtungen als entwürdigend. Es behandelt sie so, als ob sie krank seien. Das Verfahren ist außerdem zu langwierig und kostspielig.
  • Auch die Begutachtenden selbst äußern sich zunehmend skeptisch in Bezug auf die Begutachtungspflicht. Der deutsche Psychotherapeutentag hat sich dafür ausgesprochen, eine Änderung über eine Erklärung beim Standesamt zu regeln und den Geschlechtseintrag im Wesentlichen nur vom Geschlechtsempfinden der antragstellenden Person abhängig zu machen.

Weshalb wird das Transsexuellengesetz (TSG) insgesamt ersetzt?

  • Das TSG ist über 40 Jahre alt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Teile des geltenden TSG für verfassungswidrig erklärt. Schon deshalb ist eine Ersetzung angezeigt. Im Übrigen ist auch der Name "Transsexuellengesetz" ersetzungsbedürftig: Das Wort "transsexuell" ist historisch verknüpft mit der Pathologisierung und Stigmatisierung von transgeschlechtlichen Personen.

II. Voraussetzungen der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen

Unter welchen Voraussetzungen sollen Volljährige ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen ändern lassen können?

  • Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen wird auch künftig voraussetzen, dass die Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister übereinstimmt. Die betroffene Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht, und ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist. Die Einholung von Sachverständigengutachten wird keine Voraussetzung mehr für die Änderung des Geschlechtseintrags sein. Bislang müssen zwei Gutachten eingeholt werden.
  • Anders als bisher wird künftig das Standesamt für die Änderung zuständig sein. Bislang ist das Amtsgericht zuständig.

Welche Geschlechtseinträge soll es geben?

  • Auch künftig soll es die Einträge "männlich", "weiblich" und "divers" im Personenstandsregister geben. Daran wird das SBGG nichts ändern. Auch wird es weiterhin möglich sein, dass keine Angabe beim Geschlecht eingetragen wird.

Wie soll die "Erklärung mit Eigenversicherung" ausgestaltet werden? 

  • Der Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags ist eine Eigenversicherung beizufügen, dass der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die verlangte Streichung des Geschlechtseintrags der Geschlechtsidentität am besten entspricht und der Person die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist. Die Eigenversicherung soll die Bedeutung der Erklärung vor Augen führen und unbedachten oder nicht ernst gemeinten Erklärungen vorbeugen.
  • Eine Überprüfung der Erklärung durch Dritte ist nicht vorgesehen.
  • Auch die isolierte Änderung der Vornamen setzt eine Eigenversicherung voraus, dass die gewählten Vornamen der Geschlechtsidentität am besten entsprechen und der Person die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.

Wann, also wie lange nach der Erklärung, sollen die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen wirksam werden?

  • Die Änderung des Geschlechtseintrags soll drei Monate nach der Erklärung wirksam werden.
  • In dieser Zeit hat die erklärende Person die Möglichkeit, ihre Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen zurück zu nehmen; sie gilt dann als nicht abgegeben und es werden im Personenstandsregister keine Änderungen der Angaben zum Geschlecht oder zu den Vornamen vorgenommen.

Unter welchen Voraussetzungen soll der Geschlechtseintrag nach einer Änderung erneut geändert werden können?

  • Auch nach dem TSG sind heute mehrmalige Änderungen des Geschlechtseintrags grundsätzlich möglich. Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags gilt nach dem Entwurf für eine neuerliche Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr. Auch für eine neuerliche Änderung der Vornamen gilt die Sperrfrist. Sie soll vor übereilten Entscheidungen schützen und die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches belegen. Im Übrigen gelten die gleichen Voraussetzungen wie für eine erstmalige Änderung.

III. Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen von Minderjährigen

Unter welchen Voraussetzungen sollen Minderjährige ihren Geschlechtseintrag ändern können?

  • Für Minderjährige bis 14 Jahre geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab.
  • Minderjährige ab 14 Jahre geben die Erklärung selbst ab. Die Sorgeberechtigen müssen allerdings zustimmen.
  • Um sicherzustellen, dass Minderjährige ihre Entscheidung wohlüberlegt treffen, sollen Beratungsangebote gestärkt werden.

Soll die die fehlende Zustimmung der Eltern ersetzt werden können? Falls ja, von wem?

  • Das Familiengericht wird die Zustimmung der Eltern ersetzen können - so wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht. Maßstab dabei wird das Kindeswohl sein. Familiengerichte sind erfahren in der Prüfung des Kindeswohls.

Was soll gelten, wenn sich die Eltern nicht einigen können?

  • Sind beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt, haben sie über die Änderungserklärung im Namen des Minderjährigen bzw. über ihre Zustimmung zu einer Änderung des Geschlechtseintrags eines ab 14-jährigen Minderjährigen gemeinsam zu entscheiden. Sie müssen versuchen, sich zu einigen. Können sie sich nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils diesem die alleinige Entscheidung übertragen. Maßstab ist das Kindeswohl.

Sollen Eltern Geschlechtseintrag und Vornamen auch gegen den Willen des Kindes ändern lassen können?

  • Hiergegen greifen die allgemeinen Schutzmechanismen des Familienrechts: Bei Gefährdung des Kindeswohls kann das Familiengericht von Amts wegen Schutzmaßnahmen treffen - bis hin zum Entzug des Sorgerechts (vgl. Paragraf 1666 Bürgerliches Gesetzbuch).

Weshalb das Erfordernis der Zustimmung der Eltern: Weshalb sollen Minderjährige ab 14 Jahren ihren Geschlechtseintrag nur mit Zustimmung der Eltern ändern dürfen?

  • Im deutschen Recht ist für die meisten rechtlich relevanten Erklärungen von Minderjährigen die Zustimmung der Eltern erforderlich, und die Änderung des Geschlechtseintrags ist eine Entscheidung von großer Tragweite.
  • Für intergeschlechtliche Minderjährige ab 14 Jahren gilt bereits heute ein Zustimmungserfordernis der Eltern (Paragraf 45b Absatz 2 PStG). Diese Regelung wirft in der Praxis keine Probleme auf.

IV. Wirkungen der Änderung des Geschlechtseintrags

Welche allgemeinen rechtlichen Folgen sollen die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen haben? 

  • Als Grundsatz soll auch künftig gelten: In Fällen, in denen das Geschlecht oder die Vornamen einer Person rechtlich relevant sind, kommt es auf ihren jeweils aktuellen Geschlechtseintrag und auf ihre aktuell dort eingetragenen Vornamen an.
  • Für bestimmte Lebensbereiche sieht der Gesetzentwurf klarstellende Regeln und/oder Sonderregeln vor. Diese Regeln betreffen insbesondere: (1) Quotenregelungen; (2) den Zugang zu Einrichtungen und geschützten Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen; (3) die Bewertung von sportlichen Leistungen; (4) medizinische Behandlungen; (5) den Spannungs- und Verteidigungsfall; (6) das Eltern-Kind-Verhältnis.

Welche rechtlichen Folgen soll ein geänderter Geschlechtseintrag für Quotenregelungen haben?

  • Für Quotenregelungen - also für Regeln, die für ein Gremium oder ein Organ eine Mindestanzahl oder einen Mindestanteil von Personen eines Geschlechts vorschreiben - soll das Selbstbestimmungsgesetz eine klarstellende Regelung enthalten.
  • Ändert eine Person nach ihrer Berufung in ein Gremium oder ein Organ ihren Geschlechtseintrag, so soll das zunächst keine rechtlichen Folgen haben für die Frage, ob die Vorgaben der Quotenregelung eingehalten wurden. Maßgeblich soll der Geschlechtseintrag sein, den die betreffende Person zum Zeitpunkt ihrer Berufung in das Gremium oder Organ hatte.
  • Die aus einer Änderung des Geschlechtseintrags einer Person nach der Besetzung folgende Unterschreitung der Mindestanzahl oder Mindestquote ist erst bei der nächsten Bestellung zu berücksichtigen.

Was soll für die staatliche Bewertung sportlicher Leistungen gelten (zum Beispiel im Schulunterricht)?

  • Im SBGG soll klargestellt werden, dass die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden kann. Das heißt: Die Länder können hier im Rahmen ihrer Zuständigkeiten passgenaue Lösungen entwickeln.

Was soll für den Vereins- und Wettkampfsport gelten?

  • Das SBGG wird die Autonomie des Sports nicht antasten. Nach geltendem Recht entscheiden Sportvereinigungen und Zusammenschlüsse weitgehend in eigener Zuständigkeit darüber, welche Personen zu welchen Wettbewerben zugelassen werden. Daran wird sich nichts ändern. 

Was soll bei medizinischen Behandlungen gelten?

  • Sind Behandlungen vorzunehmen, bei denen geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist (zum Beispiel eine Prostata-Krebsvorsorgeuntersuchung), kommt es nicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister an. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung knüpfen an den individuellen Bedarf nach biologischen und psychosozialen Gegebenheiten an.

Was soll im Spannungs- und Verteidigungsfall gelten?

  • Für den Spannungs- und Verteidigungsfall soll das SBGG eine ausgeglichene Sonderregelung treffen, indem für den Dienst mit der Waffe vorübergehend die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen bleibt, wenn ein Änderungsantrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Spannungs- und Verteidigungsfall gestellt wird.

Welche Folgen hat ein geänderter Geschlechtseintrag für den Strafvollzug?

  • Das SBGG trifft keine Regelungen über den Strafvollzug. Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug liegt bei den Ländern. Es bleibt insoweit bei der bisherigen Rechtslage. Das bedeutet: Die Unterbringung von Strafgefangenen muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren. Das Grundgesetz und die Fürsorgepflicht der Anstalt verlangen, bei der Unterbringung die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen zu berücksichtigen. Ändert ein Strafgefangener mit dem Geschlechtseintrag "männlich" den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister in "weiblich", können je nach Einzelfall Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen.
  • Bisher haben die meisten Landesstrafvollzugsgesetze Regelungen, die bestimmen, dass "Frauen getrennt von Männern untergebracht werden" (orientiert an Paragraf 140 Absatz 2 Strafvollzugsgesetz). Einzelne Länder haben bereits differenzierte Regelungen zur Unterbringung transgeschlechtlicher Strafgefangener geschaffen (vgl. Paragraf 11 Berliner Strafvollzugsgesetz, Paragraf 70 Hessisches Strafvollzugsgesetz, Paragraf 11 Landesstrafvollzugsgesetz Schleswig-Holstein). Die übrigen Länder können jederzeit folgen - und so im Einzelfall passende Lösungen ermöglichen. Die Länder tauschen sich regelmäßig dazu aus, wie der Strafvollzug weiterzuentwickeln ist. Auch die richtige Unterbringung von transgeschlechtlichen Gefangenen ist Gegenstand des Austauschs.

Eltern-Kind-Verhältnis: Können transgeschlechtliche Menschen Eltern werden? Und mit welcher Bezeichnung werden Eltern nach einer Änderung des Geschlechtseintrags in der Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen?

  • Seit 2011 müssen sich transgeschlechtliche Personen für eine Änderung des Geschlechtseintrags nicht mehr sterilisieren lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Erfordernis als verfassungswidrig verworfen. Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags können transgeschlechtliche Personen also schon heute Eltern werden.
  • Mittlerweile gibt es vier mögliche Angaben beim Geschlecht im Personenstandsregister (männlich, weiblich, divers, keine Angabe), das Abstammungsrecht kennt jedoch nur "Mutter" und "Vater".
  • Die Frage, wie die Elternschaft von trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Personen anerkannt wird, soll mit der Abstammungsrechtsreform geregelt werden. Diese wird derzeit vorbereitet und ist ebenfalls für diese Legislaturperiode geplant.
  • Im SBGG ist bis dahin eine Interimslösung vorgesehen. Danach kann auf Verlangen der als "Mutter" oder "Vater" in einer Geburtsurkunde eingetragenen Person diese Bezeichnung durch "Elternteil" ersetzt werden, wenn sie ihren Geschlechtseintrag geändert hat oder ohne Änderung des Geschlechtseintrags weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet ist. Ist ein Elternteil des Kindes mit der Bezeichnung "Elternteil" eingetragen, so wird auf Verlangen des anderen Elternteils dessen Eintrag als "Mutter" oder "Vater" ebenfalls durch die Bezeichnung "Elternteil" ersetzt.
  • Für die Zwischenzeit sieht der Entwurf eine Interimslösung für die Auswirkungen der Änderung des Geschlechtseintrags auf das abstammungsrechtliche Eltern-Kind-Verhältnis vor.

Was folgt aus der Änderung des Geschlechtseintrags für Register und amtliche Dokumente?

  • Im Gesetz wird ausdrücklich ein Anspruch auf Anpassung von Angaben zum Geschlecht und zu den Vornamen in Registern und Dokumenten normiert. Das entspricht der geltenden und bewährten Rechtslage. Bei amtlichen Registern dürfen der gewünschten Datenberichtigung keine öffentlichen Interessen entgegenstehen, was zum Beispiel bei einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach Paragraf 882b der Zivilprozessordnung der Fall sein kann.
  • Der Personalausweis enthält keine Angabe zum Geschlecht; insoweit ergeben sich bei der Änderung des Geschlechtseintrags keine Auswirkungen. Im Reisepass wird der Geschlechtseintrag vermerkt. Der Pass muss neu beantragt werden.

V. Vertragsfreiheit, Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten

Was folgt aus dem Selbstbestimmungsgesetz für die Vertragsfreiheit, das private Hausrecht und für den Zugang zu geschützten Räumlichkeiten?

  • Das SBGG (beziehungsweise ein bestimmter Geschlechtseintrag) wird keinen Anspruch auf Zugang zu geschützten Räumen vermitteln. Die bestehende Rechtslage in Bezug auf die Vertragsfreiheit und das private Hausrecht bleibt durch das SBGG unberührt. Wie bislang sind gesetzliche Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten (zum Beispiel die Grenzen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)). Danach ist eine Zurückweisung speziell von transgeschlechtlichen Personen allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität unzulässig. Unterschiedliche Behandlungen wegen des Geschlechts sind zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt (Paragraf 20 AGG). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt (Paragraf 20 Absatz 1 Nummer 2 AGG). Auch insoweit wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz nichts ändern. Das heißt: Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig.

VI. Geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen

Regelt das SBGG den Anspruch auf geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen?

  • Das SBGG trifft keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen. Es wird ausschließlich die Frage regeln, unter welchen Voraussetzungen die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister ermöglicht wird.
  • Für geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen gelten weiterhin die einschlägigen medizinischen Regelungen und Leitlinien. Auch die Frage der Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Behandlungen wird nicht im SBGG geregelt.

VII. Geschlechtsspezifische Familiennamen

Was soll für die Änderung geschlechtsspezifischer Familiennamen gelten?

  • Die Änderung geschlechtsspezifischer Familiennamen wird nicht im SBGG geregelt werden, sondern ist Teil der Namensrechtsreform. Ein Referentenentwurf zur Namensrechtsreform wurde am 11. April 2023 veröffentlicht; derzeit können Länder und Verbände hierzu Stellung nehmen.

VIII. Entschädigungsfonds

Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, Anerkennungsleistungen für Menschen zu regeln, die aufgrund der früheren Gesetzgebung diskriminiert worden sind. Wie soll das aussehen und wo kommen die Gelder her?

Die Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Entschädigungsfonds bedarf noch der Vorbereitung. Dies wird ergänzend zum SBGG geregelt werden.

IX. Das sogenannte Offenbarungsverbot

Welche Regelung ist in Bezug auf die Offenbarung früherer Geschlechtseinträge und Vornamen vorgesehen?

  • Das SBGG soll ein sogenanntes Offenbarungsverbot enthalten - als Schutz gegen ein Zwangs-Outing: Frühere Geschlechtseinträge sollen ohne Zustimmung der betreffenden Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird (Paragraf 13 des Entwurfs SBGG). Eine solche Regelung gibt es bereits im geltenden Recht (Paragraf 5 und 10 Transsexuellengesetz).
  • Der Entwurf trägt gleichzeitig den schützenswerten Interessen von Angehörigen Rechnung. Kinder, Eltern und (frühere) Ehegatten können ein legitimes Interesse daran haben, frühere Vornamen und Geschlechtseinträge von Betroffenen als Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte zu verwenden. Diese Personengruppe ist nur dann zur Angabe des geänderten Geschlechtseintrags und der Vornamen verpflichtet, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist. Im Übrigen dürfen die genannten Personen die vor der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Daten der betroffenen Person nennen. Ein Kind, dessen rechtlicher Vater seinen Geschlechtseintrag ändern lässt, darf zum Beispiel im privaten Bereich die früheren Vornamen des Vaters nennen.
  • Ein Verstoß gegen das Offenbarungsverbot ist nun bußgeldbewehrt. Der Bußgeldtatbestand setzt voraus, dass durch die Offenbarung die betroffene Person absichtlich geschädigt wird.

Wird künftig auch das sogenannte "Deadnaming" oder "Misgendern" mit Geldbuße belegt sein - also jede Ansprache mit dem früheren Geschlechtseintrag oder einem früheren Vornamen?

  • Ein generelles Verbot des "Misgenderns" oder "Deadnamings" gibt es im SBGG nicht. Ein wiederholtes oder besonders intensives Verhalten ("Mobbing") kann bereits von bestehenden Strafvorschriften erfasst sein.
  • So kommt etwa eine Beleidigung (Paragraf 185 StGB) in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Täter oder die Täterin vorsätzlich ihre Missachtung oder Nichtachtung der anderen Person zum Ausdruck bringt. Die Herabwürdigung einer Person kann sich insoweit daraus ergeben, dass die Person im Zusammenhang mit Mimik, Gestik und Tonfall falsch - mit dem im Personenstandsregister geänderten Vornamen - angesprochen wird.
  • Haben Äußerungen gegenüber einer Person ein Ausmaß oder eine Intensität erreicht, dass die betroffene Person durch die Äußerungen krank wird (oder werden soll), kann eine (versuchte) Körperverletzung in Betracht kommen.
  • Es kann im Einzelfall auch eine Nachstellung (Paragraf 238 StGB) vorliegen, etwa, wenn die betroffene Person wiederholt aufgesucht und mit dem Umstand des früheren Geschlechtseintrags oder Vornamens konfrontiert wird.

X. Zeitplan und weitere Abstimmung

Wann soll das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet werden und in Kraft treten?

Konkrete Zeitangaben kann die Bundesregierung nicht treffen: Die Entscheidung liegt beim Deutschen Bundestag. Bevor der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden kann, muss zunächst die Länder- und Verbändeanhörung erfolgen und der Entwurf muss vom Bundeskabinett beschlossen werden. Derzeit wird ein Kabinettbeschluss noch im Sommer angestrebt.

XI. Zahl der Betroffenen/Relevanz der Frage

Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen?

Wie viele Menschen in Deutschland transgeschlechtlich sind, lässt sich nicht präzise beziffern. Auskunft über ihre geschlechtliche Identität können Menschen nur jeweils selbst geben. Es fehlt allerdings an verlässlichen Erhebungen.
Allenfalls einen groben Anhaltspunkt liefert die Zahl der gerichtlichen Verfahren nach dem TSG. Die jüngsten Zahlen lauten wie folgt:

Jahr201310142015201620172018201920202021
Zahl der Verfahren141714431648186820852614258226873232


In welchen Ländern gibt es ein SBGG?

Insgesamt gibt es in 15 Ländern ein vergleichbares Gesetz.

  • Argentinien war 2012 das erste Land, das eine Änderung des Geschlechtseintrags per Selbstauskunft ermöglichte.
  • Zudem gibt es ähnliche Gesetze in Chile, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und der Schweiz.
  • Vor kurzem haben auch Spanien und Finnland solch ein Gesetz verabschiedet.

Ist trans* ein neues Phänomen, etwa eine "Modeerscheinung"?

  • Vielfältige geschlechtliche Identitäten gab es schon immer. In manchen Gesellschaften wurde respektvoll mit dieser Vielfalt umgegangen. In vielen Gesellschaften - auch in Deutschland - wurde geschlechtliche Vielfalt jedoch über Jahrhunderte ignoriert beziehungsweise als krankhaft angesehen und unterdrückt. Inzwischen gibt es eine Entwicklung hin zu mehr Sichtbarkeit, Offenheit und Anerkennung von transgeschlechtlichen Personen. Die Tatsache, dass sich transgeschlechtliche Personen vermehrt outen, bedeutet nicht, dass es eine "Modeerscheinung" ist.
  • Wenn sich gesellschaftliche Annahmen in eine progressive Richtung entwickeln, machen diejenigen, die diesen Fortschritt nicht gutheißen, oft eine "gesellschaftliche Ansteckung" als eine Art "Modeerscheinung" dafür verantwortlich. Dasselbe Argument fand sich bereits zur vermeintlichen Trendhaftigkeit von Scheidung oder zu lesbischer, schwuler und bisexueller Identität.