Berlin Manuela Schwesig zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

Manuela Schwesig hät ein Schild in der Hand mit der Aufschrift "Setz ein Zeichen gegen GEwalt - teile diese Nummer!"
Manuela Schwesig macht auf das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" aufmerksam © Bildnachweis: Amin Akhtar
Es gilt das gesprochene Wort 

Sehr geehrte Damen und Herren,

I.

herzlich willkommen im Bundesfrauenministerium. Ich freue mich sehr, dass wir heute gemeinsam am Vorabend des "Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen" ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen.

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen rücken wir mit vielen Aktionen das Thema Gewalt gegen Frauen in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Wir erinnern an die Frauen, die Gewalt erleiden mussten, für die Gewalt alltäglich ist, die schwere Schäden an Körper und Seele davon getragen haben. Wir zeigen auf, was noch getan werden muss, damit Frauen besser vor Übergriffen, Gewalt und Verfolgung geschützt sind. Außerdem zeigen wir unseren Unmut darüber, dass es diesen Tag überhaupt noch geben muss.

Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Grundrechte-Agentur erfahren 35 Prozent der Frauen in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt. Eine von dreien - das ist traurig, das ist skandalös, das bedrückt mich als Bundesfrauenministerin sehr.

Dazu kommt, dass Gewalt an Frauen immer noch ein Tabuthema ist. Zwei Drittel der weiblichen Opfer von Gewalt gingen auch nach ihrer schwersten Gewalterfahrung nicht zur Polizei, und sie suchten auch keine Hilfeeinrichtung auf. Ein Grund dafür ist auch die Ungewissheit. Die Frauen fragen sich was passiert, wenn sie sich jemand Fremden anvertrauen. Sie haben Angst, die Kontrolle zu verlieren über das was sie damit möglicherweise in Gang setzen.

Ein Beispiel aus Schwerin hat mich sehr beeindruckt. Damals habe ich mich als Kommunalpolitikerin für die Sicherung der Finanzierung eines Frauenhauses eingesetzt und auch mit Frauen gesprochen, die in diesem Haus Hilfe gesucht haben. Besonders nachdrücklich in Erinnerung ist mir ein Gespräch mit einer Frau, die über Jahre häusliche Gewalt erfahren hat. Sie hat mir gesagt, dass sie viel früher "ausgestiegen" wäre und Hilfe gesucht hätte, wenn sie überhaupt gewusst hätte, dass sie in einem Frauenhaus ganz individuelle Unterstützung bekommt und dass nichts ohne ihr Einverständnis passiert.

Wir müssen uns daher fragen: Tun wir schon genug, um von Gewalt betroffene Frauen zu erreichen? Was können wir noch besser machen?

II.

Damit der Weg zur Hilfe leichter fällt, gibt es in Deutschland seit über einem Jahr das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen. Das ist die Nummer, die wir heute bekanntmachen: 08000 - 116 016.

  • 365 Tage im Jahr stehen Fachkräfte für Beratungsgespräche kostenfrei zu Verfügung;

  • Der Zugang ist barrierefrei und mehrsprachig - zuletzt haben wir die chinesische Sprache aufgenommen.

  • Betroffene, Menschen aus deren Umfeld und Fachkräfte gleichermaßen können das Angebot nutzen.

Betroffene werden an wohnortnahe Unterstützungsangebote weitervermittelt. Jetzt gibt es ganz neu die Möglichkeit des "Sofort-Chats": Zwischen zwölf und 20 Uhr können Betroffene direkt los-chatten und ihre Fragen stellen, ihre Erfahrungen oder Probleme schildern. Das ist noch anonymer als ein Telefongespräch – entsprechend niedriger ist die Hürde für Betroffene. Das neue Angebot wird sehr gut angenommen.

Ich will Ihnen ein reales Beispiel beschreiben, was das Hilfetelefon leisten kann und wie die Arbeit funktioniert. Es meldet sich eine Anruferin, die von ihrer Schwester, die aufgrund ihrer Behinderung in einer Pflegeeinrichtung lebt, erfahren hat, dass einer der Pfleger dort sie sexuell belästigt und immer wieder übergriffig wird. Der Anruferin gehen tausend Fragen durch den Kopf: Was kann ich tun? Wie kann ich meiner Schwester helfen? Und sie zweifelt: Wird man ihr glauben, wenn sie sich offiziell beschwert und den Fall bekannt macht?

Die Beraterinnen des Hilfetelefons unterstützen in solch einem Fall mit ganz praktischer Hilfestellung und Antworten auf Fragen wie etwa: Wer muss informiert werden? In welcher Art und Weise kann die Heimleitung eingebunden werden? Ist juristischer Beistand notwendig? Aber auch: Wie geht es weiter? Welche Nachsorge braucht das Opfer? Wie kann das alles organisiert werden?

Ich finde es großartig, dass solch eine Hilfe geleistet wird. Und ich habe großen Respekt vor der Arbeit der mehr als 60 Beraterinnen des Hilfetelefons, die den Anrufenden zuhören, ihnen Mut machen, mit ihnen individuell abgestimmte Wege aus der Gewalt suchen – ohne etwas vorzuschreiben oder sie zu bevormunden. Hierfür möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Danke sagen.

Mein Dank geht auch an die Kooperationspartnerinnen und -partnern aus den Frauenunterstützungseinrichtungen. Die Qualität des Angebots des Hilfetelefons entsteht auch aus der guten Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachberatungsstellen und Schutzunterkünften vor Ort.

III.

Das Hilfetelefon wird immer bekannter – gerade haben alle knapp 12.000 Kommunen in Deutschland noch einmal Informationen zum Angebot erhalten. Aber erst wenn alle Frauen, die Gewalt erfahren oder befürchten, Menschen, die sie unterstützen, und Fachkräfte wissen, dass es das Hilfetelefon gibt, haben wir unser Ziel erreicht.

Deshalb danke ich auch unseren Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern, die uns heute unterstützen: Schauspielerinnen und Regisseurinnen stellen ihren guten Namen ihre Bekanntheit und ihr Know-how zur Verfügung. Werbeunternehmen haben uns mit großzügigen Rabatten großangelegte Werbeaktionen ermöglicht. Organisationen aus dem Bereich des Gesundheitswesens haben uns geholfen, Ärztinnen und Ärzte zu informieren. Sie können sich selbst beim Hilfetelefon Unterstützung holen und Patientinnen die Nummer weitergeben. Telefonanbieter haben die Nummer 08000 - 116 016 in das vorinstallierte Telefonadressbuch ihrer Handys aufgenommen. Medienunternehmen haben das Hilfetelefon mit Freianzeigen und redaktionellen Beiträgen bekannt gemacht.

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Wunsch äußern: Wenn Sie etwas zum Thema Gewalt gegen Frauen schreiben - bitte weisen Sie am Ende immer auf die Nummer des Hilfetelefons hin. Damit Betroffene sofort wissen, wohin sie sich wenden können.

IV.

Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache.Dagegen vorzugehen, ist eine Sache unserer ganzen Gesellschaft. Deswegen können wir heute gemeinsam dafür sorgen, dass die Nummer des bundesweiten Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", 08000 - 116 016, noch bekannter wird.

Alle, die mitmachen möchten, werden gleich die Gelegenheit haben, ein Foto von sich mit einem Logoschild zu machen. Ihr Selfie können Sie dann mit einer persönlichen Botschaft kombinieren und in Ihren Netzwerken posten. Der Trend, Selbstportraits mit dem Smartphone zu machen und im Netz zu posten, hat sich den letzten Jahren auf der ganzen Welt verbreitet. Rasend schnell.

Und Verbreitung haben wir mit unserer Aktion auch im Sinn: Wir wollen die Nummer des Hilfetelefons per Selfie möglichst weit verbreiten. Auf allen Selfies, die wir heute machen, muss die Nummer stehen: 08000 - 116 016. Denn: Alle Frauen, die von Gewalt betroffen sind, müssen wissen: An die 08000 - 116 016 kann ich mich wenden. Da bekomme ich Hilfe.