Namensartikel Lisa Paus und Robert Habeck zu Gleichstellung und Wohlstand

Lisa Paus mit Robert Habeck
Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz© Bundesregierung/Denzel, Bergmann

Die Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben ist eine zentrale Frage von Gerechtigkeit und Freiheit. Denn ökonomische Eigenständigkeit ist eine der Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben und für den Aufbau eigenen Wohlstands. Aber in Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel ist die ökonomische Gleichstellung von Frauen auch ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Wir brauchen alle Talente in unserem Land, damit die sozialökologische Transformation unserer Wirtschaft weiter an Dynamik gewinnen kann.

Viel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon getan. Deutschland hat inzwischen eine der höchsten Erwerbstätigenquoten von Frauen in Europa: 75,2 Prozent. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich Frauen mit Kindern dafür rechtfertigen mussten, berufstätig zu sein. Männer wollen aktive Väter sein. Doch fast die Hälfte der Frauen hierzulande arbeitet in Teilzeit: Mit 48,8 Prozent hat Deutschland eine der höchsten Teilzeitquoten Europas. Bei den Männern sind es nur 11,5 Prozent.

Auch deshalb verdienen Frauen in Deutschland weniger Geld: Der Gender Pay Gap liegt nach wie vor bei 18 Prozent. Und auch mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien verdienen Frauen noch immer sieben Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Das hat Folgen: weniger Lebenserwerbseinkommen, niedrigere Renten, weniger Vermögen.

Gute Betreuungsmöglichkeiten können Erwerbstätigkeit von Frauen steigern

Erst Mitte Februar entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Arbeitgeber Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht mit besserem Verhandlungsgeschick begründen können. Ein bemerkenswertes Urteil, das der Umsetzung des Anspruchs auf "Gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit" gehörigen Schub verleiht. Diesen Schub werden wir politisch weiterführen, unter anderem indem wir das Entgelttransparenzgesetz novellieren.

Außerdem werden wir daran arbeiten, das brachliegende Potenzial der Frauen zu heben, die gern mehr arbeiten würden. Das gebietet längst die ökonomische Vernunft. Um es klar zu sagen: Zur Selbstbestimmung gehört, frei entscheiden zu können, in Vollzeit oder Teilzeit zu arbeiten. Wenn sich jemand für Teilzeit entscheidet, ist das völlig in Ordnung. Aber - das zeigen Studien und Umfragen - viele Frauen wollen mehr arbeiten.

Ökonomische Gleichstellung - ein Gewinn für Wirtschaft und Gesellschaft

Wenn allein Frauen mit Kindern unter sechs Jahren in dem Umfang erwerbstätig sein könnten, wie sie es wollten, hätte Deutschland auf einen Schlag 840.000 Arbeitskräfte mehr. Das wäre ein riesiger Gewinn für unsere Wirtschaft in Zeiten des Fachkräftemangels. Deshalb ist die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Frauen und Männer Teil der Fachkräftestrategie der Bundesregierung.

Großer Hemmschuh ist nach wie vor die Betreuungsinfrastruktur: Die Coronazeit hat gezeigt, wie wichtig die Erziehungs- und Pflegeberufe sind. Deswegen investieren wir zuverlässig in die Betreuungsstruktur. Außerdem unterstützen wir Unternehmerinnen und Unternehmer dabei, mit kreativen Ideen eine Arbeits- und Unternehmenskultur aufzubauen, die echte Gleichstellung ermöglicht. Je besser die ökonomische Gleichstellung gelingt, umso größer der Nutzen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. "Win-win at its best." Nötig ist eine enge, langfristig angelegte Verzahnung von Gleichstellungs- und Wirtschaftspolitik. Daran arbeiten wir.

Gerechte Aufgabenteilung steigert Aufstiegschancen

Je früher Paare die Weichen für eine gerechte Aufgabenteilung stellen, umso besser: Sie stellen damit zugleich die Weichen für bessere Aufstiegschancen, weniger Lohneinbußen und höhere Rentenansprüche. Wir halten daher eine zweiwöchige Freistellung der Partnerinnen und Partner nach der Geburt eines Kindes für sinnvoll. Studien beweisen, je früher Väter sich an der Sorgearbeit beteiligen, desto nachhaltiger tun sie das auch. Um eine partnerschaftliche Verteilung der Erwerbs- und Care-Arbeit zu fördern, bauen wir auch Hürden im Steuerrecht ab. Einen ersten Schritt werden wir als Bundesregierung mit der Abschaffung der Steuerklasse V gehen. 

Wir fördern explizit Gründerinnen, indem wir den Zugang zu Wagniskapitel verbessern und uns für Gremien einsetzen, die mit mehr Frauen besetzt sind. Wir stärken Frauen im Mittelstand, im Handwerk und in Start-ups. Denn die grüne Transformation ist vor allem eines: viel Arbeit. Die Solarmodule müssen aufs Dach, die Wärmepumpe ins Haus, die Windkraftanlagen in die Fläche. Wir brauchen viele Hände und Köpfe, die die Dinge ins Werk setzen. Dafür zu sorgen, dass Frauen sich entsprechend ihren Talenten, Wünschen und Qualifikationen einbringen können, ist eine der Voraussetzungen, damit die grüne Transformation gelingt.

Gemischte Führungsteams sind innovativer

Erst Quotenregelungen haben dazu geführt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Das ist gut so: Eine ausgebremste Gleichstellung verstößt nicht nur gegen Gesetz und Gerechtigkeitsgefühl. Sie ist auch ein wirtschaftliches Hemmnis. Unternehmen selbst bestätigen es: Gemischte Führungsteams - nicht nur von Frauen und Männern, sondern generell von Menschen mit unterschiedlichen Herkunfts- und Lebenserfahrungen - sind innovativer. Sie neigen seltener zur Betriebsblindheit - und können mit Veränderungen und Krisen besser umgehen.

Gleichstellung ist ein wichtiger Antrieb für Wohlstand

Für echte Gleichstellung im Wirtschaftsleben zu sorgen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die wir ein Bündnis aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik brauchen. Politik kann und muss ihren Anteil beitragen, aber ohne kreative Lösungen aus Gesellschaft und Wirtschaft wird es nicht gehen. Die gute Nachricht ist: Es gibt schon viele gute Beispiele in Unternehmen, die zeigen, wie Männer und Frauen gleichermaßen Familien- und Berufsleben unter einen Hut bringen können. Die zeigen, wie Führungsaufgaben geteilt werden können, wie man Fachkräfte durch Familienfreundlichkeit gewinnt und durch eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf im Unternehmen hält.

Wir sind überzeugt: Nur mit den exzellent ausgebildeten Frauen in Deutschland ist die sozialökologische Transformation zu schaffen. Fortschritte bei der Gleichstellung sind daher eine Frage der Gerechtigkeit - und ein wichtiger Antrieb für die Erneuerung unseres Wohlstands und ein Standortvorteil für unsere Wirtschaft.