Kristina Schröder im Interview mit der Neuen OZ Osnabrücker Zeitung

Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder gab der Neuen OZ Osnabrücker Zeitung (Erscheinungstag 21. März 2012) das folgende Interview:

Frage: Die Rufe nach einer gesetzlichen Frauenquote gehen an Kanzlerin Angela Merkel (CDU)  nicht vorüber. sie will offenbar 2013 mit dem Thema in den Wahlkampf ziehen. Müssen Sie auf den Quotenzug aufspringen, um nicht abgehängt werden?

Dr. Kristina Schröder: Das wäre bei kühler Kalkulation vielleicht nützlich fürs Image, aber meine Überzeugung spricht dagegen. Ich bin sicher, dass sich eine starre Quote für Aufsichtsräte und Vorstände für die Mehrzahl der Frauen als kontraproduktiv erweist. Starre Quoten ändern nichts an den Ursachen der Benachteiligung. Der Grund für den Mangel an Frauen in Führungspositionen ist doch, dass dort oft eine 60-bis 80- Stunden-Woche erwartet wird. Das begünstigt Menschen, die ihre familiären Pflichten wegdelegieren können und wollen. Deshalb müssen wir an die Unternehmenskulturen ran.

Frage: Wird es zur Kanzlerinnen-Wende bei der Quote kommen?

Dr. Kristina Schröder: Die Kanzlerin hat klar gemacht, dass es mit dieser Regierung keine starre Quote geben wird. Und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat angekündigt, dass es mit der FDP keine Quotenverpflichtung geben werde. Angela Merkel hat meine Idee der Flexi-Quote immer stark unterstützt. Gerade jungen Frauen sind Quoten und das Denken in Geschlechterkollektiven absolut fremd. Ich arbeite daran, dass der Druck in den Betrieben von unten weiter steigt.

Frage: Und Sie erwarten, dass die Flexi-Quote wirkt?

Dr. Kristina Schröder: Ich habe die 30 deutschen DAX-Unternehmen dazu bewegt, sich auf selbst gesteckte Zielmarken für den gesamten Betrieb festzulegen. Aus diesen Selbstverpflichtungen werden die Unternehmen nicht mehr heraus kommen, denn sie stehen ja ab 2015 für jedermann sichtbar zur Überprüfung an. Starre Quoten für Vorstände oder Aufsichtsräte können bedeuten, dass man in ein sechs- oder siebenköpfiges Führungsgremium bloß eine Frau holen muss und schon ist die Vorgabe erfüllt. Ich habe ehrgeizigere Pläne. Wenn die Selbstverpflichtungen nicht nur für ein oder zwei  Top-Posten, sondern für ein paar hundert gute Positionen gelten, muss das Unternehmen sich viel mehr anstrengen. Eine Firma mit 400 Spitzenjobs muss für eine 25-Prozent-Frauenquote 100 Führungspositionen mit Frauen besetzen. Das ist deutlich ambitionierter und nachhaltiger.

Frage: Alles auf Null in Nordrhein-Westfalen, nachdem die rot-grüne Regierung mit ihrem Haushalt 2012 scheiterte und Neuwahlen ausrief. Kann NRW den Kita-Ausbau bis 2013 noch schaffen?

Dr. Kristina Schröder: Nordrhein-Westfalen hinkt beim Kita-Ausbau schon länger hinterher. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, das im letzten halben Jahr praktisch kaum Bundesmittel für den Kita-Ausbau abgerufen hat. Jetzt sollen wegen des geplatzten Haushalts angeblich überhaupt keine Gelder vom Land aus an die Kommunen mehr fließen. Für die Schaffung von Betreuungsplätzen wäre das eine Katastrophe. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)  muss klar sagen, wie sie sich den Baufortgang vorstellt und 2013 den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz einlösen will.

Frage: Rund 4,9 Millionen Arbeitnehmer sind ausschließlich in Minijobs tätig. Vor allem Frauen landen hier. Dabei droht ihnen doch schon die "Teilzeit-Falle"…

Dr. Kristina Schröder: Ich habe ein Problem mit dem Begriff "Teilzeit-Falle". Echte Teilzeitstellen, speziell 20 oder 30 Stunden pro Woche, sind sehr nachgefragt, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Bei den Minijobs sieht es anders aus. Da stehen wir vor dem Problem, dass Frauen nach der Rückkehr aus der Babypause meist Teilzeitarbeit wollen, aber oft in Minijobs abgeschoben werden. Das ist ähnlich unfair, wie wenn man sie mit dem Dreirad auf die Autobahn schickt - die Frauen strampeln sich ab und die anderen ziehen bequem vorbei. Dazu es gibt keine genügende soziale Absicherung. Der Minijob hat seine Berechtigung zum Beispiel für Studenten oder bei Haushaltshilfen. Aber ich plädiere dringend für Vorsicht und Augenmaß, wenn es um die Ausdehnung dieser Arbeitsverhältnisse geht. So sehr die Arbeitgeberseite auf Flexibilisierung drängt: Es gibt hier Grenzen. Für viele junge Mütter, die reguläre Arbeit suchen, wird der Minijob zur biographischen Sackgasse.

Frage: Sie fordern die Ausweitung der Großelternzeit. Ältere Berufstätige sollen künftig besser ihre Arbeitszeit reduzieren können, um sich der Betreuung von Enkelkindern zu widmen. Nur ein schöner Wunsch, weil die Wirtschaft bereits abgeblockt hat?

Dr. Kristina Schröder: Die Wirtschaft ist nicht der Gesetzgeber. Die Unternehmen werden bei genauer Analyse den wirtschaftlichen Nutzen der Großelternzeit erkennen. Sie trägt nämlich auch dazu bei, dass junge, gut ausgebildete Mütter und Väter leichter und besser als bisher wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Rund jedes dritte Kind hat Großeltern, die noch arbeiten und im Umkreis wohnen. Fest steht, 51 Prozent der Großeltern sind fest eingebunden in die Betreuung ihrer Enkelkinder. Diesen Zusammenhalt zwischen den Generationen will ich nun stärker fördern.

Frage: Sie sagen, Familien brauchen Geld, aber vor allem auch eine Zeitpolitik....

Dr. Kristina Schröder: Zeit ist für Familien Mangelware. Schon der Heizungsableser oder der Schornsteinfeger können für berufstätige Eltern zum Problem werden. Wir wollen unsere gesetzgeberische Kompetenz bei Arbeitszeitregelungen ausschöpfen. Wer in der Elternzeit in Teilzeit arbeitet, soll mehr als bisher mitbestimmen können, wie die Arbeitszeit den Tag über verteilt ist. Aber auch die Kommunen sind gefragt, indem sie mit lokalen Partnern verstärkt spezielle Zeitfenster für berufstätige Eltern organisieren. Da kann ein langer Handwerker-Donnerstag speziell für Termine bei berufstätigen Eltern ebenso hilfreich sein wie die Öffnung des Einwohnermeldeamts am Samstagvormittag oder Abend-Sprechstunden beim Kinderarzt. Auch die Unternehmen könnten Eltern das Leben leichter machen, zum Beispiel indem sie anbieten, dass fertiges Essen aus der Kantine mit nach Hause genommen werden kann.