Rede von Dr. Hermann Kues, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 31. Januar 2008 anlässlich des informellen Treffens der EU-Gleichstellungsminister und -ministerinnen in Brdo, Slowenien

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Frau Ministerin Cotman,
sehr geehrter Herr Spidla,

ich danke Ihnen, Frau Vorsitzende, für die Ausrichtung dieses informellen Treffens und für den herzlichen Empfang bei einem hervorragenden Abendessen gestern.

Eine Reihe von prominenten Politikerinnen, die weltweit in der ersten Reihe stehen, führt uns vor Augen, dass Frauen Politik mitgestalten können und wollen und mittlerweile auch Spitzenpositionen in der Politik erreichen.

Doch dass diese Frauen noch immer Vorreiterinnen sind, ist uns, denke ich, allen bewusst. Das Hintergrundpapier der slowenischen Präsidentschaft macht es deutlich: In der EU ist das Ziel einer ausgewogenen Repräsentanz von Männern und Frauen in der Politik bisher nicht erreicht.

Eine breite Partizipation beider Geschlechter an der politischen Gestaltung ist aber eine Grundvoraussetzung guten Regierens. Je ausgewogener das Geschlechterverhältnis in der politischen Entscheidungsfindung, je vielfältiger die Teilhabe von Frauen und Männern, alten und jungen, aus Städten oder ländlichen Regionen, desto besser werden die verschiedenen Interessen von Frauen und Männern in der Demokratie vertreten.

In Deutschland haben wir auf Bundesebene eine Mitwirkung von Frauen in der Politik, die wir nicht zu verstecken brauchen. Angela Merkel ist die erste Kanzlerin Deutschlands und in ihrem Kabinett sind neben 10 Ministern 5 Ministerinnen. Unter den Mitgliedern des deutschen Bundestages beträgt der Frauenanteil 31,6%. Auch wenn wir damit noch keine Parität der Geschlechter erreicht haben, ist das Bild doch ausgewogener geworden.

Erreicht wurde diese relativ hohe Repräsentanz von Frauen auf Bundes-Ebene vor allem durch die Aktivitäten der politischen Parteien. Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben mittlerweile klare Regelungen und/oder Förderstrukturen für eine ausgewogene Repräsentanz von Männern und Frauen bei Parteifunktionen und Mandaten. Es gibt unter den Verantwortlichen der Parteien eine gemeinsame Grundüberzeugung, dass im demokratischen Wettstreit der politischen Positionen eine ungenügende Vertretung von Frauen unter den Kandidaten einen schwer aufzuwiegenden Wettbewerbsnachteil darstellt.

Ein Schlüssel für die nachhaltige Erhöhung des Anteils von Frauen in politischen Führungspositionen ist die Förderung einer breiten politischen Partizipation von Frauen vor Ort, an der Basis, in der Jugend.

In Deutschland ist der Anteil der jungen Männer, die sich in der Politik engagieren, mehr als doppelt so hoch wie der der jungen Frauen. In der Phase der Einmündung in erste politische Mandate zeigt sich eine noch stärkere Distanz von Frauen zum politischen Bereich.

Zwei wesentliche Ursachen dieser Distanz sind

  • tradierte Rollenbilder einer männlich geprägten Politik und
  • eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf, Familie und politischem Engagement.

Diese beiden Ursachen müssen wir auf allen Ebenen weiterhin konsequent angehen. Anstrengungen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in politischen Führungspositionen sind in vielerlei Gestalt möglich und erfolgreich. Doch sie können dort nicht greifen, wo Frauen an der politischen Basis fehlen.

Dies wird in Deutschland besonders deutlich, wenn wir auf die lokale und regionale Ebene schauen. Hier sehen wir uns einer deutlichen Unterrepräsentanz von Frauen gegenüber. 2006 wurden lediglich 33 von 218 größeren Städten von einer Oberbürgermeisterin regiert. Das entspricht einem Anteil von 15%. Auch in den meist ehrenamtlich arbeitenden Stadträten und Kreistagen sind Frauen deutlich seltener vertreten als im deutschen Bundestag.

Die kommunale Ebene ist aber die Wurzel der Demokratie. Daher startete mein Ministerium in Kooperation mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) ein Forschungsprojekt zur Stärkung der kommunalpolitischen Partizipation von Frauen.

Ziel des Forschungsprojektes ist es, in einer bundesweiten Befragung herauszuarbeiten, welches die Bedingungen für den erfolgreichen Einstieg und Aufstieg von Frauen in politischen Ämtern ihrer Gemeinde sind. Hieraus sollen konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Sie münden in eine Kampagne zur Stärkung der Partizipation von Frauen in der Kommunalpolitik, die wir in Kürze starten, um mehr Frauen für das politische Engagement zu gewinnen. Denn 2008 - 90 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts in Deutschland - wollen wir Frauen dafür gewinnen, mehr aus diesem Recht zu machen.

Ich danke dem Vorsitz für die Gelegenheit, diesen Gedankenaustausch heute hier führen zu können und Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.