Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Elterngeld:
Der Haushalt des Bundesfamilienministeriums hat für das nächste Jahr einen Aufwuchs von 1 Mrd. Euro bekommen. Das ist ein Quantensprung.
Nun habe ich die Debatten der vergangenen Tage verfolgt und wahrgenommen, dass diese Mehrausgabe einer zusätzlichen Milliarde in das Elterngeld teilweise mit Kritik begleitet wird. Diesen Kritikern sei nur gesagt: Allein durch den Rückgang der Geburten seit 1997 haben die Finanzminister nicht gezahltes Kindergeld von über 1,2 Mrd. Euro gespart. Von kindbezogenen Sozialleistungen, Freibeträgen, Ausbildungskosten gar nicht zu sprechen. da kommen ganz schnell Milliardenersparnisse zusammen.
Aber um welchen Preis?! Um den Preis von Lebensoptionen und Zukunftsvorstellungen einer Gesellschaft! Es ist an der Zeit, sich den veränderten Realitäten zu stellen. Das erfordert haushaltspolitisch einen Kraftakt, aber es ist die richtige, die zeitgemäße Investition.
Zu den Zahlen: Das Erziehungsgeld hat in 2005 rund 2,9 Mrd. Euro gekostet. Das sind die jüngsten Ist-Zahlen, die vorliegen. Das Elterngeld ist berechnet im Jahr 2007 mit 3,5 Mrd. Euro, wir liegen also unter dem verabredeten Soll. Im Jahr 2008 sind 4,4 Mrd. Euro geplant, weil sich in diesem Jahr das auslaufende Erziehungsgeld mit dem dann vollen Elterngeld überlagert. Das ist ein Einmaleffekt. Und ab 2009 kostet das Elterngeld wie verabredet 3,9 Mrd. Euro.
Sollte das Gesamtvolumen des Elterngeldes in späteren Jahren steigen - dann ist dies doch das Beste, was unserem Land passieren kann: Es bedeutet, dass mehr Kinder geboren werden und dass ihre Eltern Arbeit haben! Wenn gestern Herr Westerwelle davon spricht: "Jedes Kind sei gleich viel wert...". Da hat er natürlich vollkommen Recht, aber das Elterngeld ist keine kindbezogene Leistung, es ist eben kein Kindergeld, sondern eine elternbezogene Leistung. Es berücksichtigt, dass junge Menschen, die ein Kind bekommen und sich dafür Zeit nehmen, im Vergleich zu ihren Berufskollegen Einkommen verlieren.
Das Elterngeld macht deutlich, dass Kinder nicht nur ein großes Glück für ihre Eltern und Geschwister bedeuten, sondern auch einen großen Gewinn für dieses Land. Und wenn sich nicht mehr alle jungen Menschen für Kinder entscheiden - aus welchen Gründen auch immer -, aber alle auf nachwachsende Generationen bauen, dann können auch alle aus Steuermitteln dazu beitragen, den Einkommensverlust der Eltern am Anfang abzumildern.
Und wenn Herr Gysi gestern von den "Besserverdienern" spricht, dann bitte ich auch hier erst einmal die Realitäten wahrzunehmen. 98 Prozent aller Frauen im 30. Lebensjahr - das ist das Alter in dem im Durchschnitt das erste Kind geboren wird - haben Nettoeinkommen, die unter der Obergrenze für die Förderung im Elterngeld liegen. So klein sind eben die Einkommen am Berufsanfang, aber in dieser Zeit werden die Kinder geboren. Das Elterngeld fängt hier gezielt den Einkommenseinbruch ab.
Die jungen Erwachsenen müssen Chancen zur Gestaltung eigener Lebensvorstellungen haben. Dazu gehören Berufwünsche genauso selbstverständlich wie Kinderwünsche.
Ich bin froh, dass wir es gemeinsam geschafft haben, auch dank der breiten Unterstützung aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, das Elterngeld auf den Weg zu bringen. Das Elterngeld wird allen Eltern nützen, die sich im ersten Lebensjahr Zeit für ihr Neugeborenes nehmen und auf Einkommen verzichten. Es ist aber auch ein klares Signal, dass es von der Gesellschaft akzeptiert ist, dann auch in den Beruf zurückzukehren. Auch weil die Eltern grundsätzlich für den Lebensunterhalt ihrer Kinder verantwortlich sind.
Erst wenn sie ihn nicht selbst erarbeiten können, dann ist es Aufgabe des Sozialstaates - aber nicht des Elterngeldes - den Lebensunterhalt zu sichern. Und deshalb ist es konsequent, die Kernleistung auf ein Jahr zu begrenzen.
Das Elterngeld wird an Vater und Mutter für maximal 14 Monate gezahlt, beide können den Zeitraum frei untereinander aufteilen. Allerdings kann ein Elternteil höchstens zwölf Monate allein nehmen, zwei weitere Monate sind für den anderen Partner reserviert.
Das hat enorme Diskussionen ausgelöst und diese Diskussionen haben Sinn gemacht. Sie haben längst überfällige Diskurse über die Rolle des Vaters in der Erziehung von Kindern ausgelöst und seine Fragen nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Mittelpunkt gerückt. Die Partnermonate sind eine echte Option, d.h. man kann die Monate nehmen oder es lassen. Damit stärken wir auch den Vätern den Rücken, die sich Zeit für ihr eigenes Kind nehmen wollen. Denn selbstverständlich wird das zum Umdenken in der Arbeitswelt führen - das ist auch gewollt. In einer modernen Gesellschaft werden Kinder ihre Väter im Alltag genauso brauchen wie ihre Mütter.
Damit erweitert sich auch die Interpretation des so viel genutzten Wortes Wahlfreiheit. Wahlfreiheit gilt für beide Geschlechter. Die Möglichkeit bei den Kindern zu sein und die Möglichkeit zu arbeiten. Echte Wahlfreiheit kommt aber vor allem den Kindern zugute, weil sie mehr von beiden Eltern haben.
Das Elterngeld steht nicht allein. Ebenso wichtig ist Kinderbetreuung. Beides muss Hand in Hand gehen. Auch in Schweden war die Kinderbetreuung bei Einführung des Elterngeldes vor zehn Jahren noch sehr lückenhaft. Erst das Elterngeld und die Diskussion darüber haben den entscheidenden Schub zum flächendeckenden Ausbau gebracht.
Die Diskussion hat auch bei uns inzwischen richtig eingesetzt, nämlich nicht mehr mit der Frage, ob wir Kinderbetreuung überhaupt brauchen, sondern wie wir sie als Chance für alle Kinder gestalten können. Ich werde den Bericht zum Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung Mitte Juli der Öffentlichkeit vorstellen. Wir sind im internationalen Vergleich noch Jahre zurück, das ist unbestritten. Doch wir tun jetzt einen kraftvollen Schritt voran - und dabei ist das Elterngeld die richtige Investition in eine moderne, zukunftsfähige Gesellschaft.
Der Einzelplan 17 orientiert sich an den Ist-Ergebnissen des Jahres 2005. Ab 2007 möchten wir - auf Empfehlung der Berichterstatter des Haushaltsausschusses - die Ausgaben für die Bereiche Familien-, Senioren- und Gleichstellungspolitik in einem neuen Titel zusammenführen. Das entspricht einem modernen Ansatz der Haushaltsführung, gibt dem Haus mehr Flexibilität und kommt unseren Schwerpunktvorhaben zu Gute.
Einer dieser Schwerpunkte ist das Programm "Frühe Hilfen". Wir werden gemeinsam mit Ländern und Kommunen Modelle entwickeln, um frühzeitig Kinder in prekären Familiensituationen zu helfen. Die ersten Lebensjahre sind von prägender Bedeutung für das gesamte weitere Leben eines Kindes. Wir brauchen ein "Frühwarnsystem", um Kinder rechtzeitig in schwierigen Familiensituationen zu finden und gezielt Hilfe an zu bieten. Die Strukturen dafür mit: Hebammen, Familienhelfern, Kinderärzten und Geburtshelfern und die Kinder- und Jugendhilfe, haben wir bereits. Jetzt gilt es, sie effizienter zu vernetzen. Das Projekt "Frühe Hilfen" ist im Kinder- und Jugendplan veranschlagt und wird mit Verabschiedung des Haushaltsgesetzes starten.
Mehrgenerationenhäuser
Um den Zusammenhalt der Generationen zu stärken steht das Modellprogramm Mehrgenerationenhäuser in den Startlöchern. Wenn Familie kleiner und bunter wird, und wenn wir den Kreislauf des Gebens und Nehmens zwischen den Generationen mehr denn je brauchen werden, dann sind Mehrgenerationenhäuser die zeitgemäße Antwort darauf.
Mehrgenerationenhäuser schaffen Räume, in denen sich die Generationen gegenseitig im Alltag helfen und Kompetenzen austauschen. Sie dienen auch als Marktplatz für Dienstleistungen, die insbesondere Familien entlasten, und als Marktplatz für bürgerschaftliches Engagement. Bis 2010 soll es in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ein Mehrgenerationenhaus geben, insgesamt 439. Dafür stellen wir aus Bundesmitteln 98 Mio. Euro zur Verfügung.
Ich freue mich sehr über die große Resonanz, die die Mehrgenerationenhäuser bereits im Vorfeld erfahren haben und danke Ihnen, dass viele die Idee bereits aktiv in Ihre Wahlkreise getragen haben. Gleich nach Verabschiedung des Haushalts 2006 werden wir eine Servicestelle für das Projekt einrichten. Die erste Ausschreibungs- und Förderwelle wird noch 2006 erfolgen; eine zweite Welle folgt im Jahr 2007.
Toleranz und Demokratie
Dieser Tage - während der WM - präsentiert sich Deutschland als weltoffenes, tolerantes Land, in dem Menschen vieler Kulturen friedlich zusammen leben. Das soll so bleiben. Wir wollen demokratisches Verhalten und ziviles Engagement in unserem Land nachhaltig stärken. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und jede Form von Extremismus dürfen keine Chance haben.
Die bisherigen Programme laufen planmäßig im Jahr 2006 aus. Aber mit einem neuen Programm ab 2007 wird die Bundesregierung - wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt - konsequent den Weg zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie und gegen Rechtsextremismus weitergehen. Hierzu planen wir im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2007 mit einem gleich hohen Betrag wie in 2006.
Unser Haushalt setzt die richtigen Schwerpunkte
für Kinder
für ihre Eltern
und für den Zusammenhalt der Generationen