Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Politik für Familien ist Zeitpolitik. Sie entzerrt Lebenszeiten, entlastet Alltagszeit und schafft Zeit für Fürsorge.
Wir reden heute über einen Bericht zum Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung von 2006. Zusammengefasst kann man sagen:
Der Fortschritt im Ausbau der Kinderbetreuung 2006 war eine Schnecke. Von 2005 bis 2006 ist das Verhältnis von Plätzen zu Kindern gestiegen - ja, aber nur um magere 0,7%.
Damit sind wir bei insgesamt 8,1% in den westlichen Bundesländern. Gut ist:
Kommunen haben die Wichtigkeit des Themas erkannt.In 2006 hatten bereits 64% ein Ausbaukonzept. Aber die Dynamik reicht bei weitem nicht! Wenn wir so weiter machten, dann wären wir in einem viertel Jahrhundert so weit, dass wenigstens ein Drittel aller Eltern mit Kindern unter 3 ein Angebot finden. Wir haben aber in diesem ersten Halbjahr 2007 der Schnecke gewissermaßen Flügel verliehen.
Und das ist gut so. Sie wissen, was vereinbart ist. Von 2008 an wird der Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen schneller und mehr Plätze in Kindertagesstätten und bei Tagesmüttern schaffen.
Wir wollen gemeinsam, dass 2013 für ein Drittel aller Kinder unter drei Jahren ein Angebot da ist. Der Bund beteiligt sich bis 2013 mit vier Milliarden Euro und übernimmt auch über 2013 hinaus verlässlich finanzielle Mitverantwortung.
Meine Damen und Herren,
Wir können bei dem Thema nicht mehr Zeit vergeuden, denn das ist Lebenszeit von jungen Familien!
Das Thema Zeit für Familie zieht sich auch wie ein roter Faden auch durch den 7. Familienbericht.
Familien brauchen Zeit: Eltern für ihre Kinder, Kinder mit ihren Eltern. Familienpolitik als Zeitpolitik heißt, die Zeitorganisation unserer Gesellschaft mit dem Blick auf Familie auszurichten. Das gilt erst einmal für den einzelnen Tag: Die Balance von Zeit für Kinder oder Pflege muss genauso verlässlich sein, wie Zeit für gute Arbeit. Ganz viel hängt dabei von Zeitrhythmen im Umfeld ab,
- die Öffnungszeiten von Kindertagesstätten
- oder Tagespflege für Demenzkranke
- Ladenöffnungszeiten
- oder die Taktzeiten des öffentlichen Nahverkehrs.Das muss zueinander passen und Familien entlasten, ihnen Hetze und Druck nehmen, damit Zeit füreinander da ist.
Die andere Seite ist die Lebenszeit. In Deutschland quetschen wir in eine kurze Lebensphase - der Familienbericht spricht von der Zeit zwischen 27 und 34 / 35 Jahren - ganz viele wesentliche Entscheidungen:
- den Ausbildungsabschluss,
- den Berufseinstieg, oft schon verbunden mit der Entscheidung über zukünftige Karrierechancen,
- die Entscheidung für einen Lebenspartner
- und die Entscheidung für Kinder.
Alles gleichzeitig und, verglichen mit anderen Ländern, wenig aufeinander abgestimmt.
Der 7. Familienbericht fordert zu Recht eine Zeitpolitik für Familien, die in dieser "Rush Hour" des Lebens das Nebeneinander entzerrt und die Entscheidung für Familie leichter macht. Einen großen Schritt in diese Richtung sind wir mit dem Elterngeld gegangen.Zeit ist Geld, heißt es; hier gilt umgekehrt:
Die finanzielle Absicherung durch das Elterngeld macht ein Stück Lebenszeit für Kind und Familie frei. Einen kleinen Erfolg dieser Zeitpolitik, der sich jetzt schon abzeichnet, darf ich an dieser Stelle nennen:
Der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, hat sich im 1. Quartal 2007 schon von 3,5 auf 7 Prozent verdoppelt.
Zeit für Familie ist Lebenszeit für Frauen und für Männer. Ein weiterer Schritt ist die Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen. Der 7. Familienbericht macht auch darauf aufmerksam, dass Familien im Alltag mit ganz unterschiedlichen Zeitanforderungen klarkommen müssen.
Da ist die traditionelle Zeit der Arbeitswelt mit festen Zeiten am Arbeitsplatz und der Unsitte, lange Anwesenheitszeiten als Zeichen von Leistungsbereitschaft zu belohnen.
Zum Glück verliert dieser Rhythmus mehr und mehr von seiner Monotonie. Das Netzwerk von Unternehmen, die sich mit meinem Ministerium zusammenschließen, um familienbewußte Arbeitsstrukturen einzuführen, wächst. Wir haben inzwischen 750 Unternehmen an Bord.
Vor wenigen Tagen habe ich mit der Hertie-Stiftung 200 Unternehmen ausgezeichnet, die in diesem Jahr das Audit für Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschafft haben. Vor wenigen Jahren waren das gerade mal weniger als 10 Unternehmen pro Jahr - Es tut sich also was, aber es muss noch mehr werden.
Familien brauchen flexible Zeit für die Überraschungen des Alltags, sie brauchen aber auch verlässliche Zeit für sich.
Sie brauchen Zeit, die nicht irgendwo herausgeschnitten, gemanagt, optimiert ist, sondern einfach Zeiten der Ruhe, der Zuwendung, des Miteinander. Familien gewinnen solche Zeiten, wenn es Netzwerke gibt, die sie nah am Wohnort oder am Arbeitsplatz, im Alltag entlasten. Zu diesen Netzwerken gehört nicht nur gute Kinderbetreuung, sondern auch ein Netzwerk für Pflege.Zur Unterstützung für all diejenigen, die ältere Angehörige pflegen.
Deshalb ist es mir wichtig, dass wir im Zusammenhang mit der Reform der Pflegeversicherung eine Pflegezeit einführen. Die Pflegezeit von 6 Monaten gibt in Krisensituation die Zeit. Das können Situationen sein, in denen ein Familienangehöriger stirbt und jeder die Zeit anhalten möchte, um den letzten Weg zu begleiten. Das kann eine Situation sein, wo plötzlich durch einen Schlaganfall Pflegebedürftigkeit eintritt oder wenn die Alzheimerkranke Mutter sich so verschlechtert, dass sie den Alltag nicht mehr allein schafft.
Dann brauchen Söhne und Töchter Zeit, um Pflege zu Hause zu ermöglichen und zu organisieren, ohne dass sie ihr eigenes Leben aufgeben müssen.
Die Uhr des demografischen Wandels tickt. Aber mit Blick auf das, was wir in den vergangenen anderthalb Jahren erreicht haben, können wir heute durchaus sagen:
Die Zeit ist günstig. Sie läuft für Familien in Deutschland.
Vielen Dank.