Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Senator Scheele,
sehr geehrte Damen Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren!
I.
zunächst vielen Dank für Ihre freundliche Einladung zum Senatsempfang anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Hamburger Allianz für Familien.
Ich bin heute sehr gerne zu Ihnen nach Hamburg gekommen, denn es ist ein gutes Gefühl, über Familienfreundlichkeit vor einem Publikum zu sprechen, das vom Nutzen einer familienfreundlichen Arbeitswelt überzeugt ist.
Hamburg ist bekannt als weltoffene wie auch moderne Stadt. Deshalb wundert es mich nicht, dass die Mitglieder der "Hamburger Allianz für Familien" vor 10 Jahren bereits erkannt haben, dass sich die Investition in Familienfreundlichkeit lohnt: Für Hamburg -als attraktive Stadt für junge Familien. Und für die Unternehmen in Hamburg, die Fachkräfte anziehen und um Fachkräfte konkurrieren.
Ich war vor einigen Wochen in Nürnberg und habe Renate Schmidt getroffen. Renate Schmidt hat als Familienministerin ebenfalls vor 10 Jahren die Bundesinitiative Lokale Bündnisse für Familie ins Leben gerufen.
Seitdem arbeitet auch die "Hamburger Allianz für Familien" eng mit den "Lokalen Bündnissen für Familie" zusammen und unterstützt die Bündnisse.
In Hamburg ist das partnerschaftliche Handeln von Politik und Wirtschaft für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Erfolgsgeschichte - so wie die Initiative der Lokalen Bündnisse für Familie mit mehr als 670 Standorten bundesweit. Dass Eltern in Hamburg Beruf und Familie heute besser miteinander vereinbaren können als vorher, ist auch ein Verdienst der "Hamburger Allianz für Familien" mit ihren vielfältigen Unterstützungs- und Vernetzungsangeboten.
II.
Eine familienfreundliche Unternehmenskultur hat Vorteile für die Familien und Vorteile für die Unternehmen!
Wenn es heute wieder Stimmen gibt, die sagen: "Familienfreundlichkeit belastet die Wirtschaft", dann müssen wir dem gemeinsam entgegentreten. Denn wir wissen es besser.
Starke Familien tragen die Wirtschaft. Unternehmen, die die Bedürfnisse von Müttern und Vätern ernstnehmen und aufgreifen, bekommen viel zurück:
- Eine stabile Belegschaft,
- weniger Krankentage
- und einen früheren Wiedereinstieg von Müttern in den Beruf.
All diese Effekte kennen Sie aus Ihrer betrieblichen Praxis. Mehr Familienfreundlichkeit - mehr Erfolg, das ist vielfach bewährt.
Die Palette Ihrer Angebote ist breit. Es gibt viele Unternehmen:
- die dafür sorgen, dass keine Besprechungstermine außerhalb gesicherter Kinderbetreuungszeiten stattfinden,
- die Karrieren in Teilzeit für Männer und Frauen fördern oder Ausbildung in Teilzeit anbieten, um die besten Köpfe und die qualifiziertesten Kräfte zu gewinnen,
- die familienfreundliche Schichtmodelle entwickelt haben, zum Beispiel mit Hilfe von Jahresarbeitszeitkonten.
Sie haben in Ihren Unternehmen eine Kultur entwickelt, die ich mir für ganz Deutschland wünsche.
Und es werden immer mehr Unternehmen, die Familienfreundlichkeit groß schreiben! Mehr als 5.500 Unternehmen in Deutschland sind inzwischen Mitglied in unserem Netzwerk familienfreundlicher Unternehmen, das wir gemeinsam mit dem DIHK ins Leben gerufen haben.
Ähnlich wie in der Hamburger Allianz für Familien bieten wir mit diesem Netzwerk konkrete Beratung und Hilfestellung für Unternehmen und tragen gleichzeitig die Idee der Familienfreundlichkeit in die Wirtschaft. Das ist gut, denn wir brauchen noch viel mehr Unternehmen - vor allem im Mittelstand -, die mitmachen.
Wir haben schon viel erreicht - auch dank der Arbeit, die Sie vor Ort leisten.
III.
Aber es gibt auch noch viel zu tun! So ist es in zahlreichen Unternehmen immer noch die Ausnahme, in Teilzeit zu arbeiten und eine Führungsposition zu haben. Ein Leiter einer IT-Abteilung schrieb mir, sein Unternehmen habe ihm auf seine Anfrage hin mitgeteilt, dass man sich "eigentlich keinen Abteilungsleiter in Teilzeit vorstellen kann".
Die Skepsis gegenüber der Vereinbarkeit von Teilzeitarbeit und Führungsaufgaben ist eher gefühlt als sachlich begründet. Vor allem ist es weniger eine Frage von möglich oder unmöglich als eine Frage von gut organisiert oder schlecht organisiert. Die Ergebnisse einer aktuellen Beschäftigtenbefragung zeigen: Nur für ein Drittel der Befragten ist Familienfreundlichkeit in ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit.
Und das, obwohl fast jedes Unternehmen in Deutschland mittlerweile familienfreundliche Angebote bereithält. Das zeigt der "Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit", den das Institut der Deutschen Wirtschaft seit 2003 regelmäßig durchführt.
IV.
Eine Erklärung ist, dass sich das Selbstverständnis in den Familien geändert hat. Das alte Modell, wonach der Mann das Geld nach Hause bringt, sich die Frau um die Kinder kümmert und höchstens etwas dazuverdient, ist mittlerweile überholt. 60 Prozent der Paare mit kleinen Kindern halten Partnerschaftlichkeit bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie heute für das ideale Lebensmodell.
Das bedeutet: Väter wollen mehr Zeit für ihre Kinder haben und eine aktive Rolle in der Erziehung spielen.
Gleichzeitig wünschen sich viele junge Mütter, mit mehr als 20 Wochenstunden wieder in den Beruf einzusteigen. Es gelingt aber nur 14 Prozent der Eltern, diesen Wunsch auch umzusetzen!
Meine Antwort: Wir müssen den Menschen ihre Zeit zurückgeben. In der Rush-Hour des Lebens, zwischen 25 und 45 Jahren, wo die jungen Leute im Beruf durchstarten, brauchen sie berufliche Perspektiven, eine Existenzgrundlage und auch Zeit für die Familie.
Meine Idee einer Familienarbeitszeit knüpft direkt daran an.
Immer mehr Männer wünschen sich, Zeit für ihre Familie zu haben. Die Männer, die alle Vollzeit arbeiten, wünschen sich, ein Stück herunterzukommen. Dabei geht es um eine Reduzierung von 40 auf 35 Wochenstunden; sie reden nicht von der Hängematte. Viele Männer sehen, dass ihre Frauen, die bei 19 Stunden Arbeitszeit hängen, nur länger arbeiten können, wenn sie sie unterstützen, wenn sie sie entlasten.
Die Idee, dass sich die Arbeitszeit angleicht, dass man sich die Zeit für Job und für Familie partnerschaftlich teilt, ist eine gute Idee für Familien - und vor allem für die Frauen. Ob Familienarbeitszeit 30 Stunden bedeutet, 32 oder 35 - darüber können wir reden. Es geht nicht darum, den Familien irgendeine Stundenzahl vorzuschreiben.
Auch hier begegnet mir das Vorurteil: Das belastet doch die Wirtschaft! Nein! Das Gegenteil ist der Fall! Erstens wissen familienfreundliche Unternehmen es besser. Die können nämlich rechnen: zweimal 32 ist mehr als einmal 40. Eine Familienarbeitszeit hilft nicht nur den Familien, sondern ist auch gut für die Arbeitswelt und damit für die Unternehmen.
Hier kommen zwei Dinge zusammen, die gut zueinander passen. Zweitens sind es die Familien, die nicht immer stärker belastet werden dürfen. Immer flexibler, immer mehr Anforderungen, immer weniger Zeit - das geht nicht.
V.
Ein erster Schritt in Richtung einer Familienarbeitszeit ist das ElterngeldPlus, das derzeit im Deutschen Bundestag beraten wird. Es unterstützt besonders die Eltern, die während des Elterngeldbezugs in Teilzeit wieder in den Beruf einsteigen.
Ein zweiter Schritt ist das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familien, Pflege und Beruf, das in wenigen Tagen in den Deutschen Bundestag eingebracht wird. Es entlastet Menschen, die Angehörige pflegen. Das ist ein Thema, das in immer mehr Unternehmen ankommt, weil immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind.
Die 10-tägige Auszeit mit Lohnersatzleistung aus der Pflegeversicherung, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit als Möglichkeiten, die Arbeitszeit eine Zeitlang zu reduzieren, sind flexible Möglichkeiten, die die Familien entlasten.
Wir entlasten aber auch die Unternehmen. Denn Beschäftigte mit einem Pflegefall zuhause müssen nicht aus dem Beruf aussteigen, sondern bleiben dem Arbeitgeber als Fachkräfte mit ihren Erfahrungen erhalten.
VI.
Ich werde weiter an Modellen einer Familienarbeitszeit arbeiten und in der Politik dafür werben.
Familien sind aber auch auf Unternehmen angewiesen, die ihre familienfreundliche Maßnahmen in der Praxis und mit den Beschäftigten weiterentwickeln. So wie Sie es in der Hamburger Allianz für Familien tun.
Partnerschaftlich.
Das ist auch das Stichwort für ein Thema, bei dem ich mit den Ländern zusammen die Initiative ergriffen habe: Kinderbetreuung.
Eine gute Kinderbetreuung ist ein Muss für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Eltern wollen ihre Kinder bestmöglich betreut wissen - und Kinder haben ein Recht auf ein gutes Aufwachsen. Deshalb brauchen wir nicht nur mehr Kita-Plätze, sondern auch mehr gute Kita-Plätze.
Das Bundeskabinett hat beschlossen, das Sondervermögen Kinderbetreuungsausbau in dieser Legislaturperiode auf eine Milliarde Euro aufzustocken. Wir haben uns vorgenommen, nicht nur die Zahl der Plätze zu erhöhen, sondern auch die Qualität der Kindertagesbetreuung zu verbessern.
In Zukunft sind auch Ausstattungsinvestitionen förderfähig, die der gesunden Versorgung, der Ganztagsbetreuung sowie der Inklusion dienen.
Qualität in der Kita kann aber nicht vom Bund verordnet werden. Deshalb werde ich mich am 6. November 2014 mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern zu einer Bund-Länder-Konferenz treffen, um gemeinsam zu beraten, wie wir Qualität in der Kinderbetreuung weiterentwickeln können.
Lieber Herr Senator Scheele, ich freue mich heute schon auf unsere Zusammenarbeit, denn wir verfolgen ein gemeinsames Ziel! Ich bin sicher, dass wir hierbei zu guten Vereinbarungen kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Erfolg der "Hamburger Allianz für Familie" zeigt: Politik und Wirtschaft sind keine Gegenspieler, wenn es um Familienfreundlichkeit geht. Im Gegenteil - als Partner auf Augenhöhe arbeiten Sie zusammen, um Vätern und Müttern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu erleichtern. Ich danke Ihnen dafür!
Und ich will Sie gleichzeitig dazu ermutigen, sich nicht mit dem zufrieden zu geben, was Sie erreicht haben. Machen Sie weiter, arbeiten Sie weiter so gut zusammen, suchen Sie weiter nach neuen Wegen für neue Herausforderungen!
Damit Hamburg als moderne und weltoffene Stadt auch beim Thema Familienfreundlichkeit die Nase vorn hat.