Zukunftstag Familie 2030 Eine zukunftsorientierte Familienpolitik gibt Familien Sicherheit und Chancen

Familie mit Hund beim Spaziergang
Mütter und Väter wollen Verantwortung in Beruf UND Familie übernehmen© Bildnachweis: Fotolia/vvvita

Am 15. September hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig den "Zukunftstag Familie 2030" mit einer Grundsatzrede über eine zukunftsorientierte Familienpolitik eröffnet und betont:

"Familienpolitik muss zu den Lebenswirklichkeiten der Familien von heute passen und gute Rahmenbedingungen für sie und für die Familien von morgen setzen."

Über 180 Teilnehmende aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden und Stiftungen kamen zusammen, um auf Grundlage von Erkenntnissen des "Zukunftsreports Familie 2030" des Kompetenzbüros Wirksame Familienpolitik über Trends in Familienleben, Partnerschaft, Erwerbstätigkeit und Arbeitswelt und künftige Anforderungen an die Familienpolitik zu diskutieren.

Als wesentliche Beiträge zu einer zukunftsorientierten Familienpolitik hob Manuela Schwesig besonders die Einführung einer Familienarbeitszeit mit einem Familiengeld hevor, um Eltern jüngerer Kinder in zuwendungsintensiven Phasen der Elternschaft die mehrheitlich gewünschte partnerschaftliche Lebensweise zu erleichtern. Dabei gehe es auch darum, mehr Eltern Zeit für Familie und individuelle Existenzsicherung zu ermöglichen.

Wichtig sei auch die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Nachmittagsbetreuung für Schulkinder mit einer qualifizierten Hausaufgabenbetreuung, damit die Chancengerechtigkeit für die Kinder gestärkt werde und die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht ende, wenn die Kinder in die Schule kommen.

In Hinblick auf einen wirksamen Schutz vor Armutsrisiken spielten Familienleistungen wie der Kinderzuschlag und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende eine wichtige Rolle.  Die Bundesfamilienministerin wies auch darauf hin, dass für die Zukunft ein familienfreundlicheres Steuerrecht benötigt werde, das unabhängig von der Lebensform der Eltern dort entlastet, wo Verantwortung für Kinder übernommen wird. Fehlanreize, die vor allem Mütter daran hinderten, in gewünschtem Umfang erwerbstätig zu sein, müssten abgebaut werden

Förderung einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit

Unterstützung für ihre Ideen erhielt Manuela Schwesig in einem gemeinsamen Gespräch mit Prof. Renate Köcher vom Allensbacher Institut für Demoskopie und Christian Böllhoff von der Prognos AG. Dass Familien sowie auch die Bevölkerung mehrheitlich eine weitere Modernisierung der Familienpolitik befürworten – mit einer besseren Unterstützung Alleinerziehender und wirtschaftlich schwacher Familien, der Förderung einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit und bedarfsgerechten und qualitativ guten Kinderbetreuungsangeboten – legte Prof. Renate Köcher anhand aktueller Umfrageergebnisse dar.

Christian Böllhoff verwies auf die wichtige Gestaltungsfunktion der Familienpolitik und betonte, die Familienpolitik solle ihre Handlungsoptionen für mehr Lebensqualität von Familien, mehr Wohlstand und Wachstum in der Gesellschaft ergreifen: durch gezielte Maßnahmen, die Mütter und Väter in ihren Wünschen unterstützen.

In der Diskussion über zukünftige Bedarfe von Familien zeigte Dr. Monika Queisser, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Entwicklungen im Ländervergleich auf: Deutschland hat zwar eine der höchsten Frauenerwerbsquoten, allerdings auch besonders geringe Stundenumfänge bei Teilzeitarbeit – verbunden mit einer hohen Teilzeitquote bei Müttern, jedoch einer sehr niedrigen bei den Vätern.

"Deutschland muss wichtige Probleme lösen, die es im internationalen Vergleich hat: bei der Vereinbarkeit, der eigenen Existenzsicherung von Frauen und der Lohngleichheit. Partnerschaftliche Vereinbarkeit in vollzeitnaher Teilzeit zu unterstützen ist auch vor dem Hintergrund zukunftsweisend, dass in Vollzeit tätige Mütter und Väter in Deutschland besonders viele Stunden arbeiten müssen und die verbreitete 'halbe Stelle' für Väter nicht attraktiv ist", so Dr. Monika Queisser.

Dr. Christina Boll, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, legte dar, dass Mütter, die familienbedingt ihre Erwerbstätigkeit länger unterbrechen und/oder die Wochenstunden umfänglich reduzieren, über den Lebensverlauf in der Regel beträchtliche Einkommensverluste gegenüber durchgängig vollzeitbeschäftigten Frauen gleicher Bildung haben. Dies gefährde nicht nur die materielle Sicherheit von Familien, sondern setze Frauen auch erhöhten Armutsrisiken im Alter aus:

"Bei der Evaluation politischer Maßnahmen ist daher die Lebensverlaufsperspektive unabdingbar - den kurzfristigen Kosten von Maßnahmen wie etwa der Familienarbeitszeit müssen die langfristigen Erträge gegenübergestellt werden, die sich – auch für den Fiskus – bei einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit und der Erwerbstätigkeit beider Eltern ergeben würden."

Dr. Irene Becker, Volkswirtin und Expertin für Kinderarmut, wies auf die Bedeutung einer wirksamen Armutsbekämpfung für Familien hin:

"Eine bedarfsgerechte Umgestaltung des Kindergelds wäre eine zielgerechte Maßnahme."

Dass Eltern, die beide fest im Beruf stehen, ihre Familie nicht nur besser absichern können, sondern auch von den Kindern positiv gesehen werden, unterstrich Svenja Pfahl, Institut für Sozialwissenschaftlichen Transfer:

"Kinder finden es selbstverständlich, gerecht und gut, wenn beide Eltern arbeiten – aber die meisten vermissen ihre Väter! Und die Wünsche der Väter nach Zeit mit ihren Kindern sind ebenfalls groß. Was Mütter und Väter brauchen, ist die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten phasenweise an die familiären Bedürfnisse anzupassen - damit verlässliche Zeiten für die Familie für beide möglich sind."

Panel 1 - Partnerschaftliche Vereinbarkeit: Schlaglichter der Diskussionen

Chancen:

- steigende Erwerbsorientierung (hinsichtlich Erwerbstätigkeit und Arbeitszeitumfang) sowie steigende Qualifikation der Frauen; zunehmende Familienorientierung der Männer

- verbesserte individuelle Berufschancen und mehr Verhandlungsmacht für Arbeitnehmer/innen durch steigenden Fachkräftebedarf der Wirtschaft

Herausforderungen:

- Betreuungs – und Unterstützungsinfrastruktur für Familien lückenhaft; Vereinbarkeitsmängel führen zu verbreiteter Altersarmut von Frauen

- Regelungen im Steuer- und Sozialversicherungssystem setzen Anreize gegen eine partnerschaftliche Vereinbarkeit

- Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 und des globalen Wettbewerbs schränken Möglichkeiten für familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein

Handlungsansätze:

- Ausbau unterstützender Infrastrukturen / Investitionen im sozialen Bereich / Verzahnung relevanter Akteure der föderalen Ebenen und Wirtschaft und Verbesserung der Übergänge zwischen Betreuungsarten

- Väterbezogene Regelungen (Elterngeld, Familiengeld und Familienarbeitszeit) durch Kampagnen und Sensibilisierungsmaßnahmen flankieren

- Verringerung steuerlicher Fehlanreize, Gleichwertigkeit aller Familienmodelle

- Förderung familienfreundlicher Arbeitswelt durch Anreize und Regulierung, zum Beispiel steuerliche Förderung familienfreundlicher Maßnahmen, Rechtsanspruch auf Homeoffice, keine Beschränkung familienpolitischer Maßnahmen auf Familien mit Kleinkindern

Panel 2 - Familienleben der Zukunft (Gesellschafts- und Steuerpolitik): Schlaglichter der Diskussionen

Chancen und Herausforderungen:

- Nebeneinander unterschiedlicher Familienleitbilder muss ausbalanciert werden

- Der Generationenzusammenhalt (Kinder – Eltern – Großeltern), eine wichtige Ressource für Familien, wird durch Anforderungen an räumliche Mobilität oder auch städtebauliche Entwicklungen erschwert

- Partnerschaftliche Familienmodelle benötigen aktive Unterstützung

- Familien mit geringen Einkommen unterstützen bedeutet, administrativ und konzeptionell neue Wege zu gehen (für verbesserte Wirksamkeit)

Handlungsansätze:

- Auf den Erkenntnissen der Gesamtevaluation aufsetzen, Fehlanreize beim Ehegattensplitting abbauen 

- einfache, transparente und unbürokratische Unterstützung aus einer Hand

- Familienarbeitszeit einführen und gegebenenfalls an das Elterngeld anknüpfen

- Einkommensunabhängige oder –abhängige Kindergrundsicherung versus Optimierung vorhandener Leistungen, zum Beispiel einkommensabhängiges Kindergeld

- Ausweitung des Unterhaltsvorschusses als wirksame Unterstützung von Alleinerziehenden; Unterstützung partnerschaftlicher Vereinbarkeit mithilfe einer Familienarbeitszeit als Armutsprävention auch mit Blick auf spätere Phasen des Allein-Erziehens

Panel 3 - Familie und moderne Arbeitswelt: Schlaglichter der Diskussionen

Chancen:

- Multiplikatorenfunktion der Betriebsräte nutzen

- Dienstleistungsberufe aufwerten

- Familienpolitik als Investition (Studie "Renditepotentiale der NEUEN Vereinbarkeit")

Herausforderungen:

- Unternehmenskultur: tradierte Rollenbilder in Gesellschaft und Betrieben; Teilzeit ist noch keine "Normalität" für Männer; Abgrenzung Arbeits-Familienzeit

- strukturelle Unterschiede (Stadt-Land, Ost-West), Spaltung des Arbeitsmarkts (Mobil, flexibel Arbeiten nicht in allen Branchen gleichermaßen möglich); atypische Beschäftigung

- passgenaue (Vereinbarkeits)Maßnahmen, auch für KMUs ermöglichen; Personalersatz für kurzzeitige Ausfälle finden schwierig

Handlungsansätze:

- Abschied von der "Normalarbeitszeit"; Einführung unterschiedlicher Arbeitszeitmodelle

- Führungskräfte als Vorbilder: Führen in Teilzeit vorleben, ermöglichen; soft skills stärken

- Einführung beweglicher Arbeitsorganisation (Tandems, Vertretungsregelungen); Mitbestimmung und interne Kommunikation stärken

- tradierte Rollenbilder verändern (Beispiel NRW Väterkampagne)