Berlin Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vor dem Deutschen Bundestag zum Haushalt 2017

Manuela Schwesig spricht zum Haushalt 2017
Manuela Schwesig spricht zum Haushalt 2017© Bildnachweis: Deutscher Bundestag

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Gestern und vorgestern war hier im Hohen Hause viel von gesundem Wirtschaftswachstum und Spielräumen im Bundeshaushalt die Rede. Vielen Menschen in Deutschland geht es gut. Es werden endlich wieder mehr Kinder geboren: 738 000 im letzten Jahr. Das sind so viele Kinder, wie seit 15 Jahren nicht mehr. Viele Menschen in Deutschland sagen: Mir geht es materiell gut. Dennoch sagen viele auch: "Ich bin verunsichert", so viele wie schon lange nicht mehr. Sie haben Angst vor Gewalt, Kriminalität und Terror, vor Zuwanderung und internationalen Krisen. Und es gibt politische Kräfte, die diese Verunsicherung ausnutzen. Diese Kräfte schlagen keine Lösungen für die Alltagsherausforderungen vor, sondern sie schüren Ängste und Verunsicherung.

Unsere gemeinsame politische Aufgabe ist es, diesen Ängsten und dieser Verunsicherung etwas entgegenzusetzen, sie nicht zu schüren, sondern ernst zu nehmen und die Menschen im Alltag zu unterstützen. Es liegt in unserer Verantwortung, ob die Menschen im Land wieder mehr Vertrauen und Zuversicht bekommen. Eine Antwort heißt: Wir machen das stark, was Menschen stark macht, was Vertrauen und Zuversicht gibt. Das ist in erster Linie die Familie. Für 75 Prozent der Menschen in Deutschland garantiert die Familie Sicherheit. Ich erlebe das in vielen Gesprächen, in denen mir Menschen sagen: Gerade angesichts der vielen unüberschaubaren internationalen Krisen ist es ganz wichtig, dass man sozusagen für sich selbst einen Anker hat, die Familie hat. Aber gleichzeitig sagen sie: Der Familienalltag ist auch eine große Herausforderung, insbesondere wenn man Kinder oder pflegebedürftige Angehörige hat und arbeiten geht.

Deshalb ist es unsere Aufgabe, Familien stark zu machen, damit sie den Menschen Sicherheit und Zuversicht geben können. Familien brauchen ganz konkrete Unterstützung in ihrem Alltag: mit Geld für Familie, mit Zeit für Familie und mit guter Betreuung und Bildung für Kinder.

Ich freue mich, Ihnen heute den Haushaltsentwurf des Bundesfamilienministeriums für das Jahr 2017 vorstellen zu können. Wir haben uns gegenüber dem Anfang dieser Legislaturperiode wirklich verbessert. Ich erinnere mich an die erste Debatte in dieser Legislaturperiode, 2013, die zu einer sehr familienunfreundlichen Zeit, spät abends, stattfand. In zeitlicher Hinsicht haben wir uns verbessert; denn wir debattieren jetzt zu einer familienfreundlicheren Uhrzeit. Aber wir haben uns auch geldmäßig verbessert. Mit rund 9,2 Milliarden Euro ist der Etat so groß wie nie zuvor. Als ich Bundesfamilienministerin wurde und den Etat übernommen habe, betrug er knapp 7 Milliarden Euro. Wir haben die Familien in dieser Legislaturperiode also von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr besser unterstützt.

Konkret heißt das: mehr Geld für Familien, mehr Geld für gute Kinderbetreuung und vor allem moderne familienpolitische Leistungen, die die Familienvielfalt in unserem Land respektieren und Kinderarmut bekämpfen. Für 2017 veranschlagen wir 6,2 Milliarden Euro für das neue Elterngeld Plus und das bisherige Elterngeld. Das liegt an der guten Nachricht, dass mehr Kinder geboren werden, aber auch daran, dass diese Leistung so beliebt wie nie zuvor ist.

Aber es gibt immer wieder Diskussionen. Weil man mit 4 Milliarden Euro gestartet ist und diese Zahl jetzt auf 6 Milliarden steigt, kommt immer wieder die Forderung, gerade auch aus dem Finanzministerium, hier einzugreifen, damit das nicht noch teurer wird. Aber ich sage ganz klar: Wenn mehr Kinder geboren werden, wenn die Löhne steigen und wenn endlich mehr Väter Elternzeit nehmen und dadurch die Ausgaben für das Elterngeld steigen, dann sind das gute Nachrichten, die jeden Euro wert sind – und dabei muss es auch bleiben.

Das neue Elterngeld Plus bietet den Paaren mehr Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade wenn man Teilzeit arbeitet. Ich freue mich sehr, dass das gut angenommen wird. Wir müssen jetzt das Elterngeld perspektivisch ausbauen zu einem Familiengeld; denn es kann nicht nur um Unterstützung im ersten Lebensjahr des Kindes gehen. Es geht auch darum, mehr Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu bekommen, wenn die Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr sind, mindestens bis zum Schuleintritt. Es muss für Frauen und Männer möglich sein, in dieser Zeit Teilzeit zu arbeiten und Unterstützung zu bekommen. Teilzeit darf keine Sackgasse in Deutschland sein. Teilzeit muss geachtet werden: in der Arbeitswelt, aber auch monetär bei den Familienleistungen.

Auch der Kinderzuschlag für Eltern, die arbeiten gehen, aber am Ende des Monats kaum Geld übrig haben, wurde erhöht. Das ist eine konkrete Unterstützung zur Bekämpfung der Kinderarmut. Oft sind es Alleinerziehende, die wenig Geld haben, und oft alleinerziehende Frauen. So bekommt eine Frau, die zwei Kinder allein großzieht und 1 200 Euro netto verdient, 320 Euro Kinderzuschlag zum Kindergeld. Das ist wichtig. Alle, die Kinder haben, für die gerade das neue Schuljahr begonnen hat, wissen, wie es ist: Jedes Kind braucht nach ein paar Jahren einen neuen Ranzen, es braucht Schulmaterial, und es braucht neue Kleidung, weil Kinder wachsen. Da sind ruck, zuck 200, 300 Euro ausgegeben. Das geht ganz schnell, auch wenn man nicht üppig einkauft. Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen Kinderzuschlag zahlen. Das ist Geld, das direkt bei den Familien ankommt, die fleißig sind und jeden Tag für wenig Geld arbeiten.

Sie brauchen diese Unterstützung. Damit bekämpfen wir die Kinderarmut. Zu guten Rahmenbedingungen für Familien gehört auch eine gute Kinderbetreuung. Deshalb stocken wir das Sondervermögen "Kinderbetreuungsausbau" 2017 auf. Mir geht es darum, dass wir mehr Kitaplätze haben und es keine Konkurrenz um Kitaplätze zwischen einheimischen Kindern und Flüchtlingskindern gibt. Wir brauchen für alle Kinder in Deutschland Kitaplätze, und wir brauchen Randzeiten, die der Arbeitswelt gerecht werden. Mich hat gerade eine junge Frau angesprochen, die Kellnerin ist. Sie hat mir gesagt: Eine Kita, die um 16 Uhr schließt, passt nicht zu meinen Arbeitszeiten. So bekomme ich keinen Job. Ich bekomme nur Absagen, obwohl ich arbeiten will. - Ich freue mich, dass unser neues Programm zur Schaffung bedarfsgerechter Betreuungszeiten angenommen wird. Wir fördern mit "KitaPlus" 300 Kitas bundesweit, und es gibt einen regelrechten Run auf dieses Programm. Das zeigt, wie wichtig es für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist.

Wichtig ist aber nicht nur der Kitaplatz selbst, sondern auch gute Förderung. Dazu gehört vor allem die Sprachförderung in den Kitas. Sie ist übrigens für einheimische Kinder genauso wichtig wie zum Beispiel für Flüchtlingskinder, die zu uns kommen und natürlich schnell Deutsch lernen sollen. Deshalb freue ich mich, dass wir die Mittel für das gute Programm aus der letzten Legislatur um 150 Millionen Euro auf 278 Millionen Euro aufstocken konnten, um die großen Herausforderungen in der Kitalandschaft im Bereich der Sprachförderung zu stemmen. Es wird mehr Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas geben. Das ist ein wichtiger Baustein zur Qualitätsverbesserung.

Das Familienministerium steht aber auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er ist wichtiger denn je. Wir tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass die Kräfte, die unser Land spalten wollen, es nicht schaffen, dass auch die Menschen gespalten werden, in Zuversicht und Protest. Wir brauchen deshalb mehr Unterstützung für gesellschaftlichen Zusammenhalt. An dieser Stelle unterstützen wir vor allem das freiwillige Engagement, und zwar mit mehr Stellen für den Bundesfreiwilligendienst, aber auch mit unserem neuen Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen". Uns geht es darum, dass wir uns im Alltag die Hand reichen und uns nicht aus dem Weg gehen. Das unterstützen wir. Das tun auch viele Ehrenamtliche in unserem Land. Ihnen gilt unser Dank, aber auch unsere ganz konkrete materielle Unterstützung.

Wir brauchen mehr Sicherheit im Land. Es wird viel darüber diskutiert, wie die innere Sicherheit gestärkt werden kann, zum Beispiel vonseiten der Bundespolizei und des Verfassungsschutzes. Wir brauchen für mehr Sicherheit aber auch die zweite Seite der Medaille, und zwar Prävention und bessere Bildung. Das erreichen wir durch unser Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zur Demokratieförderung und Extremismusprävention. Wir gehen in Schulen und unterstützen zum Beispiel das Projekt "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage", bei dem über 2 000 Schulen mit über 1,5 Million Schülerinnen und Schülern mitmachen.

Wir wollen, dass unsere Kinder in einem Land groß werden, in dem man sich anschaut, in dem man aufeinander zugeht, in dem man sich nicht streitet bzw. in dem man sich, wenn man sich gestritten hat, wieder die Hand reicht und in dem kein Hass gesät wird; denn Hass ist immer die Grundlage für Gewalt. All das verfolgen wir mit diesem Programm. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir durchgesetzt haben, dass die Mittel für dieses Programm von 30 Millionen Euro, die es zu Anfang dieser Legislatur waren, auf 50 Millionen Euro aufgestockt wurden und dass im Bundeshaushalt 2017 100 Millionen Euro dafür veranschlagt sind. Das ist ein wichtiges Signal an die Zivilgesellschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das, was diese Regierung schon erreicht hat. Letzter Punkt - dann möchte ich zum Ende kommen -: Wir haben es gehört, der Finanzminister sieht auch weitere Spielräume. Das freut mich. Ich sage aber ganz klar: Wenn wir weitere Spielräume haben, dürfen wir nichts mit der Gießkanne verteilen, sondern müssen noch einmal konkret schauen, wo Unterstützung gebraucht wird.

Die Alleinerziehenden, die jeden Tag ihren Job stemmen, aber vom Expartner nicht unterstützt werden, brauchen unsere Unterstützung, und sie bekommen unsere Unterstützung mit dem Unterhaltsvorschuss. Jedoch hat mir eine Alleinerziehende gesagt: Ja, erst macht sich mein Partner aus dem Staub, und der Staat macht sich aus dem Staub, wenn mein Kind zwölf Jahre alt ist; dann wird nämlich nicht mehr gezahlt. - Eine andere Frau sagt: Ich habe sechs Jahre lang Unterhaltsvorschuss bekommen. Jetzt kommt mein Kind in die Schule, und es gibt gar nichts mehr.

Das kann nicht sein. Wir als Staat haben die Verantwortung, diese Alleinerziehenden zu unterstützen. Deshalb bin ich dafür, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten, aber auch für bessere konkrete Maßnahmen, den Unterhalt wieder einzutreiben. Denn es kann nicht sein, dass sich Partner oder Partnerinnen aus der Verantwortung für ihr Kind stehlen und sich auf den Staat verlassen. Jeder, der ein Kind in die Welt setzt, muss auch Verantwortung dafür übernehmen. Wenn das Alleinerziehende in besonderer Weise tun, unterstützen wir sie. Aber wir sollten die, die sich aus der Verantwortung stehlen, stärker zur Verantwortung ziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb hoffe ich, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, in den parlamentarischen Beratungen noch einmal auf den Unterhaltsvorschuss zu schauen und zu schauen, ob es hier weitere Spielräume für die Verbesserung gibt, Unterstützung findet. Ich freue mich auf die Beratungen und ich hoffe auf so gute Unterstützung wie in den letzten Jahren. Dann geht wieder ein Signal von diesem Haushalt an die Familien im Land: Ihr seid uns wichtig. Die Kinder im Land sind uns wichtig. Wir wollen unseren Beitrag leisten.  

Herzlichen Dank.