Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Brühl,
sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Abgeordneter,
sehr geehrte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Tafeln,
sehr geehrte Sponsorinnen und Sponsoren,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der Jungen Tafel,
sehr geehrte Damen und Herren,
in meiner Heimatstadt Schwerin gibt es mittlerweile drei Kindertafeln. Sie geben kostenloses Mittagessen für Kinder aus. Die begleitenden Erwachsenen zahlen einen Euro. Die etwa zwanzig Ehrenamtlichen, die diese Tafel betreuen, nehmen sich auch die Zeit, mit den Kindern zu spielen, zu basteln oder bei den Hausaufgaben zu helfen.
Gleichzeitig besuchen die Lebensmittel-Kuriere der Schweriner Tafel jede Woche 72 alte und kranke Menschen zu Hause. Menschen, die es auf eigenen Beinen nicht zur Tafel schaffen. Auch hier sind die mitgebrachten Lebensmittel nicht alles. Die Lebensmittel-Kuriere haben ein offenes Ohr für die Menschen, die sie besuchen. Sie reden mit ihnen und geben gern auch mal ein Rezept weiter.
Was ich mit diesen Geschichten sagen will: Armut kennt kein Alter. Kinder sind von Armut betroffen. Ältere Menschen sind ebenfalls von Armut bedroht. Und die Tafeln sind längst eine breite Bewegung mit einem breiten Spektrum von Angeboten rund um das Essen. Wie zum Beispiel auch Bringdienste und das Spielen mit Kindern. Das Gemeinsame all dieser Angebote: Menschlichkeit.
Mindestens so viel, wie die Tafeln an Essen sammeln und ausgeben, so viel verschenken sie an Zeit und Zuwendung. Die Tafelbewegung ist kein Notnagel und weit mehr als ein Verwertungsprogramm für Nahrungsmittel. Die Tafeln sind ein wichtiger Baustein des Sozialen in Deutschland.
Wer eine Tafel besucht, trifft zunächst einmal auf Menschen. Auf eine oder einen der 60.000 Ehrenamtlichen, die bei den Tafeln das tun, was ich gerade gelobt habe: Zeit und Zuwendung schenken. Wir denken heute auch an diejenigen, die an den 900 Tafeln mit ihren mehr als 3.000 Ausgabestellen die Hand- und Beinarbeit leisten. Darunter sind viele junge Leute, die sich mit der Aktion Junge Tafel hier vorstellen. Sie machen das Soziale menschlich. Sie machen unsere Gesellschaft besser. Es ist nicht egal, ob sich jemand engagiert. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Es ist ein so einfacher Gedanke: Essen, das weggeworfen würde, obwohl es keine Mängel hat, einzusammeln und an Bedürftige zu verteilen. Erst wenn man sich die Liste der Unternehmen anschaut, die die Tafeln unterstützen, merkt man, was man alles braucht, um diese einfache Idee wirklich in die Tat umzusetzen. Lebenmittelunternehmen - klar. Eine Autofirma - logisch. Aber die Autos müssen auch gewartet werden, gelegentlich müssen sie zur Reparatur, sie müssen versichert sein.
Alle diese Leistungen werden von Sponsoren bereitgestellt. Ein Unternehmen gibt den Tafeln Transportbehälter für Lebensmittel. Ein anderes Unternehmen spendet Reinigungssets und schult die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafeln in Hygienefragen. Rechtsberatung, Werbung, Veranstaltungsorganisation: Ich könnte die Liste der Leistungen, die Unternehmen den Tafeln unentgeltlich zur Verfügung stellen, noch eine Weile fortsetzen.
Nicht zu vergessen: Aktionen für einen guten Zweck, wie ich sie kürzlich bei den Helioskliniken in Schwerin mitgemacht habe, wo Kunstwerke von Kindern verkauft wurden. Der Erlös ging an die Tafeln.
Die Tafelbewegung ist eine große Bewegung unternehmerischen bürgerschaftlichen Engagements. Der Erste Engagementbericht der Bundesregierung hat berechnet, dass Unternehmen etwa 11 Milliarden Euro im Jahr für das Gemeinwohl ausgeben. Eine langfristige, größer angelegte Unterstützung zum Beispiel der Tafeln oder eine kleine Spende an den örtlichen Sportverein: Auf ganz verschiedene Weise gehört das Engagement zur gelebten Unternehmenskultur in Deutschland. Ich sage auch dafür ganz herzlich: Danke!
Ich sage aber auch ganz deutlich: Das ist kein Plädoyer dafür, dass Unternehmen soziale Sicherheit auf Spendenbasis herstellen sollen. Mitverantwortung - ja. Zusammenarbeit - ja, unbedingt. Aber es ist der Staat, der in erster Linie verantwortlich dafür ist, Armut zu bekämpfen und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Zum Beispiel durch den Mindestlohn, den wir gerade eingeführt haben.
Zum Beispiel durch Familienleistungen. Allein das Kindergeld sorgt dafür, dass gut 1,2 Millionen Familien nicht auf Hartz IV angewiesen sind. Und doch kommen Kinder zu den Tafeln. Das heißt: Wir müssen noch mehr tun, damit Kinder und ihre Familien nicht in Armut rutschen.
Zum Beispiel Kinderbetreuung. Die Gesamtevaluation der Familienleistungen hat ergeben, dass Kinderbetreuung das Armutsrisiko von Familien mit Kindern um 7 Prozentpunkte senkt. Wenn die Bundesregierung also in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro in gute Kinderbetreuung investiert - in mehr Plätze, in mehr Ganztagsplätze und in bessere Qualität -, dann werden das auch Investitionen in soziale Gerechtigkeit sein.
Die Tafeln bekommen oft zu hören: Am besten wäre es, wenn ihr nicht mehr nötig wärt. Wenn ihr aufhören könntet, weil ihr nicht mehr gebraucht werdet. Ja, es wäre schön, wenn niemand mehr so arm wäre, dass er oder sie zur Tafel gehen würde.
Aber abgesehen mal von dem ganzen Essen, was wir dann zusätzlich wegwerfen würden: Ich möchte nicht, dass das verschwindet, was die Tafeln ausmacht und stark macht:
- die Bereitschaft vieler Menschen, ihre Zeit für andere einzusetzen;
- der Einfallsreichtum, eine Idee umzusetzen, die an so vielen Stellen so großen Nutzen bringt;
- und, nicht zuletzt, die Bereitschaft so vieler Unternehmen, ihre Mittel für einen guten Zweck einzusetzen.
Das alles soll bleiben! Und genau in diesem Sinne wünsche ich den Tafeln weiter viel Erfolg. Jetzt freue ich mich darauf,
die Tafelteller mit zu überreichen. Ich sage noch einmal ganz einfach: Danke.