Ursula von der Leyen im Interview mit dem SÜDKURIER

SÜDKURIER: Bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern, wie bei anderen auch, hat man den Eindruck, Rechtsradikalismus wird zum Aufreger, um dann wieder zu verschwinden. Unterschätzen wir die Gefahr von rechts?

Ursula von der Leyen: Wir müssen sie sehr ernst nehmen. Aber vor allem darf es nicht nur ein Aufschrecken zu den Landtagswahlen sein und dazwischen ein Ignorieren dieses Themas. Es ist ein langfristiger pädagogischer Prozess, nicht nur eine Frage der Bundesprojekte. Selbstverständlich beginnt die Erziehung zur Demokratie schon in den ersten Lebensjahren und vor allem in der Schule.

SÜDKURIER: In drei Parlamenten im Osten sitzen die Rechten bereits. Ist der Rechtsradikalismus ein Phänomen des Ostens?

Ursula von der Leyen: Es ist ein stärker ausgeprägtes Phänomen im Osten, auch wegen der starken Umbruchsituation, die es in den neuen Bundesländern gab. Und auch deswegen, weil dort viele Menschen weggezogen und eher diejenigen mit geringerer Perspektive geblieben sind. Aber wir haben ja auch westliche Bundesländer gehabt, in denen die NPD in den Landtag eingezogen war. Sie entzaubert sich dann sehr schnell, weil sie dann auch außerhalb der populistischen Methoden im Alltag mitarbeiten muss.

SÜDKURIER: Glauben Sie, dass diese Entzauberung im Osten auch funktioniert? Dort sind die wirtschaftlichen Probleme doch viel größer.

Ursula von der Leyen: Natürlich liegt daneben ein zweiter Prozess und das ist die wirtschaftliche Entwicklung. Die Ränder werden immer stark in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wo Menschen Angst haben. Parteien, die die Ängste schüren, polarisieren und vermeintlich schneller darauf mit radikalen Rezepten reagieren, sollen die Dinge zum Besseren wenden. Das jedoch ist nicht der Fall.

SÜDKURIER: Was sind die Inhalte Ihres neuen Programms?

Ursula von der Leyen: Das bisherige Programm gegen den Rechtsextremismus existiert seit sechs Jahren. 192 Millionen Euro sind in 4500 Projekte investiert worden. Wir haben 19 Millionen Euro im Haushalt 2006 gehabt. Dieses wird ungekürzt fortgesetzt in 2007, obwohl die alte  Bundesregierung noch zwei Millionen einsparen wollte. Klar ist: Der Bund kann immer nur Modellprojekte anstoßen und wird das Geld künftig gezielter einsetzen.

SÜDKURIER: Wie wollen Sie die Jugendlichen auf dem Land erreichen?

Ursula von der Leyen: Hier muss ich noch mal ganz deutlich sagen: 19 Millionen Euro des Bundesfamilienministeriums allein werden keine Wende bringen. Sie sind nur ein Baustein. Ganz entscheidend ist die politische Bildung, die auf Länderebene stattfindet und das Thema Jugendhilfe auf kommunaler Ebene. Um die Jugend auf dem Land zu erreichen, werden jetzt die Aktionspläne in den Gemeinden zusammen mit den Trägervereinen entwickelt.

SÜDKURIER: Wie würden Sie einem Jugendlichen ohne Aussicht auf einen Job Mut machen?

Ursula von der Leyen: Genau da ist die Aufgabe der Bundespolitik, Strukturen aufzubauen, dass solche jungen Leute in Arbeit integriert werden. Wir richten Kompetenzagenturen ein, um benachteiligten Jugendliche die Chance zu geben, in einen Betrieb integriert zu werden.

SÜDKURIER: Rechtsradikale äußern offen ihre Ablehnung demokratischer Grundwerte. Sind Sie für einVerbot dieser Parteien?

Ursula von der Leyen: Soweit ich die reine verfassungsrechtliche Seite überblicke, ist die Diskussion um ein Verbot eine Illusion, dass man damit wirkungsvoll vorankommen könnte. Ich bin allerdings angewiesen auf die Meinung der Experten, die sagen, dass ein Verbot nichts bewirkt. Die Radikalen erscheinen dann unter anderem Namen wieder. Entscheidend ist Überzeugungskraft zu entwickeln, aber nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei älteren Menschen. In den neuen Bundesländern zeigt sich, dass gerade auch unter älteren Menschen, die verbittert sind, die sehr einfache Antwort vorherrscht: Na, dann wählen wir die Radikalen. Das können wir nicht hinnehmen, deshalb werden wir die Arbeit gegen den Rechtsextremismus mit verbesserten Programmen fortsetzen.

Das Interview ist am 25.9.2006 im SÜDKURIER erschienen. Interview: Birgit Hofmann