Bild am Sonntag Manuela und Stefan Schwesig über gleichberechtigte private und berufliche Verwirklichung

Manuela Schwesig, Bildnachweis: Bundesregierung / Denzel
Manuela Schwesig © Bildnachweis: Bundesregierung / Denzel

Bild am Sonntag: Herr Schwesig, als Ministerin hat Ihre Frau keinen Anspruch auf Elternzeit. War für Sie sofort klar, dass Sie das erste Jahr mit dem Baby zu Hause bleiben?

Stefan Schwesig: Ja. Ich bin sehr glücklich, dass wir noch ein Kind bekommen. Meine Frau und ich sind beide mit Geschwistern aufgewachsen. Eine Familie mit mehreren Kindern - das war von Anfang an unser großer Wunsch. Als unser Sohn 2007 geboren ist, bin ich nach meiner Steuerberaterprüfung im Job durchgestartet und Manuela ist das erste Jahr zu Hause geblieben. Jetzt machen wir es umgekehrt. Ich freue mich sehr, dass ich viel Zeit mit unserem Kind verbringen werde.

Bild am Sonntag: Sie sind kaufmännischer Leiter eines Entsorgungsunternehmens bei Schwerin. Müssen Sie berufliche Nachteile befürchten?

Stefan Schwesig: Ich denke nicht. Allerdings ist es auch noch nicht selbstverständlich. Wir brauchen eine Unternehmenskultur, in der man seine erreichten Karriereschritte nicht aufgeben muss, nur weil man ein Jahr in Elternzeit ist. Wenn man die Arbeit in einem Team gut gemeinsam organisiert, kann man ein Jahr gut überbrücken.

Bild am Sonntag: Frau Schwesig, gibt es etwas, das Ihr Mann zu Hause besser kann als Sie?

Manuela Schwesig: Er macht das beste Frühstück. Und kann die Spülmaschine viel besser einräumen. Bei ihm passt einfach mehr rein als bei mir. Dafür mache ich lieber die Wäsche. Aber bei uns geht es ja bald vor allem um Zeit fürs Kind. Mein Mann wird sich um unser Baby genauso gut kümmern wie ich. Wir merken an unserem Sohn Julian, wie gut es ihm tut, dass er zu uns beiden eine enge Bindung hat.

Bild am Sonntag: Wie waren die Reaktionen auf Ihre ungewöhnliche Rollenaufteilung?

Manuela Schwesig: Unsere Eltern unterstützen uns. Mein Mann hat ja bereits bei Julian zwei Monate Elternzeit genommen. Er gehörte zu den ersten Männern, die das gemacht haben.

Stefan Schwesig: Die Reaktionen im Beruf waren damals genauso überrascht wie jetzt. Mittlerweile sind ja ein oder zwei Monate Elternzeit normal, aber ein ganzes Jahr hat mir schon erstaunte Blicke eingebracht. Kritik gab es keine, eher Neugier, dass es auch so herum geht. Leider ist das ja noch nicht üblich in der Arbeitswelt, deshalb haben viele Männer Sorge vor den Konsequenzen, wenn sie sich Zeit für die Familie nehmen. Dabei ist noch kein Unternehmen pleitegegangen, weil ein Mitarbeiter Elternzeit genommen hat.

Bild am Sonntag: Können in einer Partnerschaft mit Kindern wirklich beide Karriere machen oder muss zwangsläufig einer von beiden beruflich zurückstecken?

Stefan Schwesig: Karriere für beide geht – vielleicht nicht immer gleichzeitig zu 100 Prozent. Für mich ist klar, dass ich das nächste Jahr für unser Kind da bin. Danach möchte ich wieder in meinen Beruf einsteigen. Arbeitgeber sollten die Erfahrung in der Erziehungszeit wertschätzen: Da lernt man Sozialkompetenz und man muss mit einem Kind ja auch ziemlich flexibel sein.

Manuela Schwesig: Die ersten Monate mit einem Baby sind so eine wertvolle Zeit, warum sollte diese nur den Müttern zustehen? Ich gönne meinem Mann diese Phase. Dieses Abwechseln zu Hause tut auch unserer Beziehung sehr gut. Nach den zwei Monaten mit Julian sagte mein Mann zu mir: Jetzt weiß ich, was Mütter leisten.

Bild am Sonntag: Worauf freuen Sie sich am meisten?

Manuela Schwesig: Man kann selbst noch einmal Kind sein und die Welt neu entdecken. Gestern haben wir mit Julian am Strand unseren Drachen steigen lassen. Ich glaube nicht, dass Stefan und ich das allein gemacht hätten.

Stefan Schwesig: Wenn man ein Kind bekommt, zählt man irgendwie noch zur jüngeren Generation.

Manuela Schwesig (lacht): Wie viele Kinder sollen wir noch bekommen, damit wir uns jung fühlen?

Bild am Sonntag: Wissen Sie schon, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?

Stefan Schwesig: Noch nicht. Unser Sohn Julian ist schon ganz neugierig.

Bild am Sonntag: Was wird die größte Herausforderung?

Manuela Schwesig: Der Schlafmangel. Allerdings sehe ich das jetzt entspannter als bei der ersten Schwangerschaft. Damals habe ich mir viel mehr Gedanken gemacht, wie das Leben mit Baby wird. Nach der Erfahrung mit Julian weiß ich, dass sich vieles von selbst zurechtruckelt. Es kommt eh anders, als man es geplant hat, weil das Baby den Tagesrhythmus bestimmt. Ich finde es schade, dass Mütter und Väter heute unter eine Art Perfektionsdruck gesetzt werden. Viel besser wäre es, Eltern würden weniger Stress haben und mehr die Zeit mit ihrem Baby genießen können.

Bild am Sonntag: Sie wollen nach zwölf Wochen Mutterschutz wieder im Ministerium am Schreibtisch sitzen. Wie werden Sie das organisieren?

Manuela Schwesig: Mir geht es aktuell sehr gut, deshalb rechne ich damit, bis zum Beginn des Mutterschutzes, also sechs Wochen vor der Geburt, an Bord bleiben zu können. Den Mutterschutz von drei Monaten werde ich sehr strikt einhalten. Weil ich diese Zeit für mich und das Kind brauche und auch zeigen will, dass man an diesem Schutzraum nicht rütteln soll. Mit meinem Team habe ich bereits für diese Zeit alles besprochen. Die Staatssekretäre werden mich gut vertreten. Natürlich bin ich als Ministerin in Notfällen erreichbar. Wenn ich ab Mai wieder an Bord bin, werde ich nicht wie jetzt 14 bis 16 Stunden pro Tag arbeiten, sondern Stück für Stück wieder einsteigen. Mein Dienstwagen ist mein rollendes Büro. Akten bearbeite ich eher auf der Fahrt zwischen unserem Zuhause in Schwerin und Berlin. Und ich werde auch Homeoffice machen. Klar ist aber auch: Ohne meinen Mann und seine Unterstützung könnte ich Ministeramt und zwei Kinder nicht schaffen.

Bild am Sonntag: Kommt das Baby auch mal mit nach Berlin?

Manuela Schwesig (lacht): Ich habe nicht vor, mein Ministerbüro zu einem Babyzimmer umzubauen. Meinem Mann und mir ist es wichtig, dass einer von uns zu Hause für das Kind da ist.

Bild am Sonntag: Können Sie dann stillen?

Manuela Schwesig: Das Wichtigste ist, dass das Kind gesund zur Welt kommt. Der Rest findet sich.

Bild am Sonntag: Es kann sein, dass Ihr Kind zuerst Papa sagt. Ein Problem?

Manuela Schwesig: Überhaupt nicht. Mein Mann ist doch keine Mutter zweiter Klasse, sondern genauso wichtig wie ich.

Stefan Schwesig: Da sind wir entspannt. Vielleicht sagt das Kleine auch zuerst Julian.

Bild am Sonntag: Sie haben also nie ein schlechtes Gewissen?

Manuela Schwesig: Natürlich kenne ich das schlechte Gewissen gegenüber meinem Kind, wenn ich zum Beispiel abends nicht nach Hause komme. Ich weiß, dass es Julian bei seinem Papa gut geht, aber trotzdem ist das manchmal nicht so einfach für mich. Schlimm ist, dass Frauen mit so Unwörtern wie Rabenmutter unter Druck gesetzt werden. Stattdessen brauchen wir bessere Bedingungen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mein Mann und ich könnten gar nicht beide berufstätig sein, wenn es nicht den Hort an Julians Schule gäbe. Das ist aber in Deutschland nicht die Regel. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf die Ganztagsschule.

Bild am Sonntag: Ab wann ist das realistisch?

Manuela Schwesig: Das letzte Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen gab es unter Kanzler Schröder. Es wird also dringend Zeit, leider unterstützt das die Union nicht. Deshalb will die SPD auf dem Parteitag im Dezember einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Schule beschließen. Wir diskutieren dabei, wie der Bund sich stärker an der Finanzierung beteiligen kann.

Bild am Sonntag: Manch konservativer Unionspolitiker ist von der Politik Ihrer Frau genervt und nennt sie eine Emanze. Stimmt's?

Stefan Schwesig: Nee, überhaupt nicht. Sie kämpft mit Leidenschaft für ihre Ziele. Das unterstütze ich.

Manuela Schwesig: Familien- und Frauenpolitik sind einer der großen Unterschiede zwischen SPD und Union. CDU und CSU hängen immer noch dem alleinigen Gesellschaftsbild von der Ehe mit Kindern, er arbeitet, sie bleibt zu Hause, nach. Gegen dieses Familienmodell ist auch gar nichts zu sagen. Nur ist die Gesellschaft heute viel bunter. Und mein Job als Familienpolitikerin ist es, den Leuten zu sagen: Wann immer sich jemand für ein Kind entscheidet, ist das großartig. Politik darf den Familien nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben.

Bild am Sonntag: Die SPD will das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting umbauen. Wie soll das funktionieren?

Manuela Schwesig: Niemandem soll etwas weggenommen werden. Wer das Ehegattensplitting schon bekommt, für den hat es Bestand. Aktuell gehen aber knapp vier Millionen Familien, also nicht verheiratete Paare mit Kindern und auch die Alleinerziehenden, bei dieser steuerlichen Förderung leer aus. Das ist ungerecht. Deshalb will die SPD eine steuerliche Förderung für alle Familien mit Kindern.

Bild am Sonntag: Warum haben Sie selbst eigentlich geheiratet?

Stefan Schwesig: Wir wollen füreinander da sein, und da gehört die Eheschließung für uns dazu. In diesem Punkt sind wir traditionell. Das ist immer eine persönliche Entscheidung, die jeder selbst treffen sollte, wie er möchte.

Bild am Sonntag: Will die SPD die Menschen mit ihrer Familienpolitik umerziehen?

Manuela Schwesig: Nein. Im Gegenteil. Der SPD ist einzig wichtig, dass Kinder behütet und gesund aufwachsen. Ob alleinerziehend, verheiratet, zusammenlebend, in Patchwork oder Regenbogenfamilien spielt dabei keine Rolle. Die Union hingegen schließt mit ihrer Fokussierung auf die Ehe andere Familienformen aus.

Bild am Sonntag: Bild am Sonntag: Frauenquote, gleicher Lohn für Männer und Frauen, mehr Unterstützung für Alleinerziehende, das Wahlprogramm der SPD ist frauenfreundlich. Nur wählen immer weniger Frauen die SPD. Treten die Spitzengenossen zu machomäßig auf?

Manuela Schwesig: Das hat sich geändert. Zum Beispiel mache ich in der nächsten Woche zusammen mit Vizekanzler Sigmar Gabriel eine Konferenz zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Betreuung frühkindlicher Bildung. Es gab bislang keinen Wirtschaftsminister, der die Kinderbetreuung als wichtig für unsere Gesellschaft erachtet hat.

Bild am Sonntag: Die SPD will die Möglichkeit von Doppelspitzen einführen. Können Sie sich vorstellen, ein Tandem mit Gabriel zu bilden?

Manuela Schwesig: Beim Bundesparteitag im Dezember werde ich wieder als stellvertretende Vorsitzende kandidieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Bild am Sonntag: Zwei Jobs, bald zwei Kinder. Auf was müssen Sie verzichten?

Stefan Schwesig: Ich finde es total schade, dass Kinder immer mit Verzicht in Verbindung gebracht werden.

Manuela Schwesig: Unser Leben ist bodenständiger. Wir können jetzt vielleicht keine Safari durch Afrika machen, dafür genießen wir mit Julian die Ostsee. Vermissen wir etwas? Nein! Ein Leben ohne Kinder, das wäre für mich Verzicht.