Deutschlandfunk Manuela Schwesig zur Lohngerechtigkeit

Manuela Schwesig im Gespräch
Manuela Schwesig © Bildnachweis: Bundesregierung/Steffen Kugler

Deutschlandfunk: Wir haben es gerade gehört: Seit Monaten liegt der Gesetzentwurf im Kanzleramt. Fühlen Sie sich von Ihrem Koalitionspartner überhaupt noch ernst genommen?

Manuela Schwesig: Ich finde es wichtig, dass wir mit diesem Gesetz vorankommen. Wir sind eine Große Koalition, die auch große Aufgaben lösen muss, und die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern von 21 Prozent ist ein großes Problem, eine große Aufgabe. Die Politik hat in den letzten Jahren immer nur erklärt, ja, es ist so, finden wir nicht gut, aber nie wirklich was gemacht, und das muss sich ändern. Es ist eine große Ungerechtigkeit für Frauen in unserem Land und dieses Thema müssen wir jetzt mit Mut angehen.

Deutschlandfunk: Wer ist denn schuld an der Blockade?

Manuela Schwesig: Ich habe einen Gesetzentwurf vorgelegt vor sechs Monaten und bisher hat sich nicht viel bewegt. Das muss sich ändern. Deswegen sind wir in Gesprächen und für mich ist ganz klar: Die Frage von gerechten Löhnen für Frauen in unserem Land ist ein großes Gerechtigkeitsthema. Es betrifft Frauen in allen Branchen, auch in verschiedenen Einkommensgruppen. Da gibt es gar keine Unterschiede. Wir sind bei diesem Thema Schlusslicht in Europa und das muss sich ändern. Wenn Deutschland wirtschaftlich erfolgreich ist, müssen auch die Frauen was davon haben.

Deutschlandfunk: Aber, Frau Schwesig, offenbar stoßen Sie ja bei der Union mit diesen Themen an Grenzen. Wird es zu diesem ideologischen Kampf kommen, wie unser Korrespondent das gerade eingeschätzt hat?

Manuela Schwesig: Es sind schwierige Verhandlungen. Das möchte ich gar nicht verhehlen. Denn hier treffen auch unterschiedliche Ansichten innerhalb der Koalition aufeinander, wenn es darum geht, ob Gleichberechtigung für alle Frauen und Männer gelten soll. Für mich als Frauenministerin ist ganz klar, dass ich mich da stark mache. Denn noch mal: Es geht um diese große Lohnlücke und wir können da nicht länger als Politik zuschauen und wir müssen vor allem ein Gesetz machen, was möglichst alle Frauen erreicht.

Deutschlandfunk: Dieses Argument, die 21 Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, der Hauptgrund dafür - das wissen wir ja, Frau Schwesig - ist die Teilzeit, die Babypause bei Frauen oder dass sie weniger in Führungspositionen sind. Frauen wählen das ja aber selbst so, weil zum Beispiel die Familie ihnen wichtiger ist. Der Vorwurf geht also auch an die Frauen?

Manuela Schwesig: Nein, das ist kein Vorwurf an die Frauen. Wir haben wirklich ein strukturelles Problem. Es ist immer noch schwieriger für Mütter als für Väter, Beruf und Familie zu vereinbaren. Da haben wir jetzt eine ganze Menge auf den Weg gebracht, bessere Betreuungsmöglichkeiten. Frauen hängen oft ungewollt in Teilzeit. Ich möchte, dass Betriebe sich mit diesen Themen auseinandersetzen und nicht die Probleme alle auf die Frauen schieben. Aber selbst wenn man das alles bei Seite lässt, dass Frauen in Teilzeit oft arbeiten, weil sie die Familie pflegen, weil sie für die Kinder da sind, weil sie ungewollt in Teilzeit sind, wenn man das alles weglässt, bleibt immer noch eine Lohnlücke von acht Prozent, und auch die ist nicht gerechtfertigt und die hat viel damit zu tun, dass es keine Transparenz bei Löhnen gibt.

Deutschlandfunk: Aber diese Lohnlücke ist natürlich viel kleiner. Und wenn wir noch mal auf die Fakten gucken und feststellen, dass vieles selbst gewählt ist, müssen die Frauen sich nicht bei Berufswahl und Karriereplanung auch mehr selbst in die Pflicht nehmen?

Manuela Schwesig: Ich finde nicht, dass die Lücke von acht Prozent klein ist.

Deutschlandfunk: Kleiner als 21.

Manuela Schwesig: Ja! Aber bei beiden Lücken gibt es strukturelle Probleme für Frauen. Es geht nicht mehr so weiter, dass man sich es einfach macht im Land und sagt, die Frauen sind alle selber schuld. Wir beklagen zum Teil Altersarmut in unserem Land. Die kommt aber dadurch zustande, dass Frauen keine guten Lohnbedingungen im Land haben, insbesondere in Berufen, wo sie arbeiten. Und lassen Sie es uns ganz konkret machen: Wir haben ja eine unabhängige Stelle in der Bundesregierung, die Antidiskriminierungsstelle, und da hat sich zum Beispiel eine Frau hingewandt, die ist Schlosserin und sie verdiente zu Beginn ihrer Anstellung elf Euro und hat herausgefunden, weil sie sich mit den Kollegen gut versteht, dass die zu Beginn 15 Euro bekamen. Es ist dann im Laufe der Zeit sogar die Schere noch weiter auseinandergegangen. Und der Chef hat das gar nicht geleugnet und hat ihr gesagt, das hängt damit zusammen, dass sie eine Frau ist.
Jetzt ist doch die Frage - ich will erklären, worum es geht; Entschuldigung! -, wollen wir uns darauf verlassen, dass die Frauen es irgendwie rausfinden, indem sie mit den Kollegen ein Bier trinken gehen und sich gut verstehen, oder wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, ein Auskunftsrecht zu bekommen. Um dieses Auskunftsrecht wird gestritten, weil mein Koalitionspartner will, dass es nur für Betriebe ab 500 gilt, und ich möchte, dass es möglichst für alle gilt. Wenn man sagt, es ist eine große Ungerechtigkeit, und das haben wir im Koalitionsvertrag gesagt, dann muss man es doch auch möglichst für alle lösen und kann nicht 80 Prozent der Frauen außen vor lassen.

Deutschlandfunk: Aber, Frau Schwesig, aus der Union kommt ja auch das Argument, man dürfe die Wirtschaft nicht mit immer mehr Vorschriften belasten. Aus der Wirtschaft selbst heißt es, was Sie da planen, das ist ein Regulierungsungetüm und Sie stellten die Arbeitgeber unter Generalverdacht.

Manuela Schwesig: Nein, ich stelle die Arbeitgeber nicht unter Generalverdacht. Und wenn alles in Ordnung ist, dann dürfte ja gar keiner mit dem Auskunftsanspruch ein Problem haben. Dann kann man ja alles gut erklären. Aber es ist eben nicht alles in Ordnung. Und wissen Sie, viele dieser Argumente und auch der Umgang miteinander kommt mir bekannt vor von der Auseinandersetzung um die Frauenquote. Wenn es um Vorschläge geht für Frauen heißt es immer gleich, zu viel Bürokratie, es ist zu viel Regulierung, Frau Schwesig soll sich mal nicht so haben. Das sind alles keine Antworten darauf, wie es besser gehen kann. Wer meint, dass meine Vorschläge nicht gut sind, muss selbst bessere Vorschläge machen. Und was ist denn daran bürokratisch, dass ich einer Frau Auskunft gebe, warum sie so eingestuft ist und wie das Durchschnittsgehalt der männlichen Kollegen ist, und wenn es Unterschiede gibt warum sie so sind.

Deutschlandfunk: Das zu erklären ist für die Betriebe viel mehr Aufwand, und wie sollen kleinere Betriebe das leisten.

Manuela Schwesig: Das ist nicht viel Aufwand. Wir haben selbst mal entworfen, wie so was gehen kann. Das sind nicht mal zwei Seiten, die man ausfüllen muss. Es muss doch jeder in der Lage sein, seiner Mitarbeiterin sagen zu können, "Das ist Dein Gehalt, Du bist so eingestuft", und die sechs anderen Kollegen, die den gleichen Job machen, haben ein Durchschnittsgehalt von, und wenn es einen Unterschied gibt auch zu erklären warum. Das ist doch eine Frage auch von Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit, dass ich die Lohnstrukturen gut erklären kann. Wissen Sie, das ist nämlich ein Tabu in Deutschland. Darüber wird nicht gesprochen und dieses Tabu wird dann auch benutzt, um im Zweifel auch Frauen und Männer gegeneinander auszuspielen, und das geht so nicht.

Deutschlandfunk: Frau Schwesig, im Streitfall soll es dann so sein, wenn Ihr Gesetz kommt: Die Beweislast kehrt sich um. Nicht die Arbeitnehmerin - es werden ja meistens Frauen sein - muss beweisen, dass sie ungerecht bezahlt wird, sondern der Arbeitgeber muss beweisen, dass er gerecht bezahlt. Haben Sie keine Sorge, dass das auch eine Abschreckung für Arbeitgeber sein könnte, Frauen anzustellen?

Manuela Schwesig: Sehen Sie, das ist auch so ein Totschlagsargument. Das wird ja bei allen Verbesserungen, die man für Frauen einführt oder einführen möchte, immer benutzt. Ja wenn ihr die Verbesserung einführt, dann werden Frauen gar nicht mehr eingestellt. Das würde ja bedeuten, dass man für Frauen gar keine Rechte in Deutschland haben darf, dann haben sie die besten Einstellungsmöglichkeiten. So kann man die Sache nicht sehen. Noch mal: Auskunft zu geben über Lohn und wie die Lohnstrukturen sind, ganz gezielt für eine Person, für die Frau, die es betrifft, ist für mich keine Bürokratie. Das müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Und wenn es keine Probleme gibt, dann braucht man auch keine Angst davor haben.