Kristina Schröder im Interview mit der Welt am Sonntag

Mit der Welt am Sonntag sprach Kristina Schröder über die Flexi-Quote, Frauen in Führungspositionen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Welt am Sonntag: Frau Ministerin, im Frühjahr hatten Sie mit der Wirtschaft eine Selbstvereinbarung zu Frauen in Führungspositionen geschlossen. War das nur heiße Luft?

Kristina Schröder: Ganz im Gegenteil. Im März haben die 30 größten Dax-Unternehmen zugesagt, dass sie sich noch in diesem Jahr eigene Zielvorgaben setzen werden. Für den 17. Oktober habe ich mich erneut mit den Vorständen verabredet. Bis dahin wird schon weitestgehend feststehen, welche Quote sich die einzelnen Unternehmen setzen. Diese werden auch einen konkreten Zeitplan enthalten und dann veröffentlicht. Damit setzen die Unternehmen das Prinzip meiner Flexi-Quote um. Das Signal vom März ist offenbar verstanden worden.

Welt am Sonntag: Ihre Kabinettskollegin Ursula von der Leyen war im Frühjahr mit dem Vorschlag einer strikten Frauenquote vorgeprescht.

Kristina Schröder: Von einer starren 30-Prozent-Quote halte ich überhaupt nichts. Denn die Verhältnisse in den einzelnen Branchen sind objektiv ganz unterschiedlich. In der Stahlbranche arbeiten nun mal viel weniger Frauen als in der Kommunikationsbranche.

Welt am Sonntag: Aber wie sinnvoll ist es denn, ein völlig unterschiedliches Quotenniveau zu haben?

Kristina Schröder: Sehr sinnvoll. Denn die Branchen sind nun mal unterschiedlich. Innerhalb derselben Branche wird ein Unternehmen aber unter Rechtfertigungsdruck kommen, wenn es sich ein deutlich niedrigeres Ziel setzt als andere Unternehmen. So wird ein Wettbewerb entstehen, mit einem Fünf-Prozent-Ziel wird daher niemand antreten.

Welt am Sonntag: Ist Ihr geplantes Gesetz zur Flexi-Quote also überflüssig?

Kristina Schröder: Nein, die Zeit der reinen Selbstverpflichtungen ist vorbei. Es muss eine rechtsverbindliche Verpflichtung für die Führungsebenen geben. Wer das selbst gesetzte Ziel verfehlt oder sich gar nicht erst eine Quote setzt, muss mit harten Sanktionen belegt werden.

Welt am Sonntag: Wie sehen die aus?

Kristina Schröder: Da gibt es eine Palette von Möglichkeiten. Die reichen von Geldstrafen bis zur Unwirksamkeit von Beschlüssen etwa von Aufsichtsrat- oder Vorstandsbesetzungen.

Welt am Sonntag: Wann wird das Gesetz kommen?

Kristina Schröder: Ich will den Gesetzentwurf zur Flexi-Quote noch in diesem Jahr vorlegen. Dass die 30 Konzerne jetzt schon freiwillig mit einer Flexi-Quote für den gesamten Betrieb beginnen, ist ein gutes Signal.

Welt am Sonntag: Was ist mit den Unternehmen, die ganz oder teilweise dem Staat gehören?

Kristina Schröder: Die müssen vorangehen. Es kann nicht sein, dass die Politik eine bessere Frauenförderung von der Wirtschaft verlangt, selbst aber bei den Staatsunternehmen besonders schlecht abschneidet.

Welt am Sonntag: Hat Sie das Vorpreschen von Ursula von der Leyen geärgert?

Kristina Schröder: Ich habe als federführende Ministerin einen Vorschlag gemacht. Es ist legitim, dass andere Ministerien, die mit dem Thema auch Berührung haben, sich dazu äußern. Aber mit mir wird es keine Einheitsquote geben, die ich für verfassungsrechtlich bedenklich und ordnungspolitisch falsch hielte.

Welt am Sonntag: Auch die EU-Kommission macht Druck. Reicht Brüssel die Flexi-Quote?

Kristina Schröder: Die Flexi-Quote ist ein neues Instrument, das in anderen europäischen Ländern, etwa in Großbritannien, auf großes Interesse stößt. Allerdings ist klar, dass es nicht die Aufgabe der EU ist, den einzelnen Ländern gesetzliche Regelungen zur Frauenförderung vorzuschreiben. Das ist keine europäische Aufgabe, sondern fällt in die Kompetenz der nationalen Gesetzgeber.

Welt am Sonntag: Die Koalition streitet über das Betreuungsgeld. Können Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe geben, ab 2013 mit der neuen Leistung rechnen?

Kristina Schröder: Wir sind da auf Kurs. Doch es wäre falsch, die Leistung an einen Verzicht auf einen Betreuungsplatz zu koppeln. Ich möchte alle Eltern unterstützen, die Einbußen in Kauf nehmen, um sich in den ersten Jahren dem Kind widmen zu können. Denn auch eine Mutter oder ein Vater, die Teilzeit arbeiten, verzichten für die Familie auf Einkommen und Vorankommen. Ich habe aber auch großen Respekt vor allen Eltern, die sagen, sie möchten mehrere Jahre ganz bei ihrem Kind bleiben und in dieser Zeit nicht berufstätig sein.

Welt am Sonntag: Die Autorin Eva Herman hat Ihnen in einem offenen Brief vorgeworfen, dass Sie als politische Vorzeigemutter mit Ihrer raschem Rückkehr in den Job den Druck auf jene Mütter erhöhen, die gern länger zu Hause bleiben würden.

Kristina Schröder: Wir sollten in Deutschland endlich aufhören, uns gegenseitig vorzuwerfen, das falsche Leben zu führen. Das Traurige ist, dass gerade Frauen untereinander oft so intolerant urteilen, und zwar meistens, ohne die konkrete Situation der jeweils anderen zu kennen. Mal wird über die Latte-macchiato-Mütter, mal über die Rabenmütter gelästert. Das müssen die Familien doch selbst entscheiden. Ich will Wahlfreiheit.

Welt am Sonntag: Kritiker wie Eva Herman argumentieren mit der Bindungsforschung, die zeige, dass die Kinder in den ersten drei Jahren bei ihrer Mutter sein sollten. Trifft Sie das?

Kristina Schröder: Man tut der Bindungsforschung unrecht, wenn man sie so schlicht interpretiert. Die Wissenschaft sagt nicht, dass sich die Bindung nach der Anzahl der gemeinsamen Stunden bemisst, sondern an ganz anderen Faktoren. Wir sollten endlich aufhören, berufstätigen Müttern mit solchen Argumenten ein schlechtes Gewissen einzureden.

Welt am Sonntag: Hätten Sie länger zu Hause bleiben können bei einem Posten, der mit so viel Verantwortung verbunden ist?

Kristina Schröder: Klar ist, dass weder mein Mann noch ich die Möglichkeit haben, Elternzeit zu nehmen. Das hängt nicht nur mit unserer Arbeit als Ministerin beziehungsweise Staatssekretär zusammen, sondern vor allem mit unserem Bundestagsmandat. Abgeordnete sind vom Wähler direkt gewählt. Diese Aufgabe kann man nicht mal für ein Jahr niederlegen, weil dann die Wähler während dieser Zeit im Parlament auch nicht vertreten sind. Dennoch haben wir uns bewusst dafür entschieden und wurden nicht dahin gedrängt. Ganz nebenbei: Ich habe das Glück, dass ich eine Chefin habe, die mir volle Rückendeckung zugesagt hat.

Welt am Sonntag: Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag verändert, seit Sie Mutter sind?

Kristina Schröder: Ich überlege mir bei jedem Abendtermin genau, ob er wirklich notwendig ist. Und ich plane noch viel detaillierter. Wenn ich jetzt schon weiß, dass ich beispielsweise im kommenden Mai einen Termin habe, überlege ich auch gleich, wie wir dann die Kinderbetreuung regeln.

Welt am Sonntag: Nehmen Sie Ihre Tochter eigentlich ins Büro mit?

Kristina Schröder: Ich habe das Glück, dass ich dies ab und zu tun kann.

Welt am Sonntag: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die ein paar Monate vor Ihnen eine Tochter bekommen hat, hat einmal gesagt, man könne gar nicht lange wegbleiben, weil andere versuchen könnten, den Top-Posten wegzuschnappen. Müssen erfolgreiche Frauen solche Ängste haben?

Kristina Schröder: Nicht nur in der Politik gilt, dass Posten auf einer höheren Ebene begehrt sind. Deshalb fragen sich Frauen zu Recht, was passiert, wenn sie aussetzen oder kürzertreten. Übrigens gilt das aber auch für Väter, die Elternzeit nehmen. Auch sie fürchten, dass sie plötzlich als Schluffi gelten könnten. Aber das Gute ist, dass der positive Trend von Elternzeit nehmenden Vätern dazu führt, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein reines Frauenthema mehr ist.

Das Interview erschien am 25. September in der Welt am Sonntag. Das Gespräch führten Miriam Hollstein und Dorothea Siems.