Funke Mediengruppe Corona-Pandemie: Balance halten in der Weihnachtszeit

Pressefoto der Ministerin
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Gespräch mit der Funke Mediengruppe© Imo/photothek.net

Funke Mediengruppe: Wie feiert die Familienministerin in der Corona-Pandemie das Fest der Familie?

Franziska Giffey: Wir werden im kleinsten Familienkreis feiern. Das ist vernünftig, und es ist wichtig, dass viele andere in Deutschland das auch so machen - so schwer es fällt. Ich hätte mir auch gewünscht, ein paar alte Freunde wiederzusehen. Aber das geht dieses Jahr eben nicht. Wir sollten uns auf die Zeit freuen, die danach kommt. Kontakt halten kann man ja trotzdem - digital, per Telefon oder vielleicht auch mit einer schönen handgeschriebenen Weihnachtskarte.

Funke Mediengruppe: Bund und Länder haben sich darauf verständigt, die Corona-Schutzmaßnahmen an Weihnachten und Silvester wieder zu lockern. Ist das zu verantworten?

Franziska Giffey: Ja, wenn wir die Balance halten. Einerseits sollte der Staat nicht zu sehr in ein familiäres Fest reinreden. Andererseits ist es dem Coronavirus herzlich egal, ob Weihnachten ist oder Silvester. Es ist jetzt entscheidend, dass wir die Verbreitung des Virus eindämmen. Das dürfen wir nicht vergessen. Deshalb bleibt trotz der grundsätzlich erlaubten Lockerungen der Appell an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Wer Oma und Opa besuchen will, sollte sich gut überlegen, was er in der Woche davor macht. Und jeder sollte daran denken, dass es sehr viele Menschen gibt, die Weihnachten gar nicht mehr erleben. Wir nehmen das immer so hin, diese Meldungen von Corona-Toten. Aber es muss auch darüber gesprochen werden, welches Leid das für diese Familien bedeutet.

Funke Mediengruppe: Auf was für ein Weihnachtsfest müssen sich Menschen in Alten- und Pflegeheimen einstellen?

Franziska Giffey: Wir dürfen nicht noch einmal in eine Situation kommen, wie wir sie im Frühling hatten: Menschen, die sozial isoliert sind, die alleine sterben, weil sie nicht besucht werden dürfen. Wir müssen verhindern, dass Menschen vereinsamen. Eine große Erleichterung bringen die Schnelltests. Sie ermöglichen, dass Besucher zu ihren Verwandten kommen können, ohne sie in Gefahr zu bringen. Wir können sehr dankbar sein, dass es dieses Mittel jetzt gibt. Das ist anders als im Frühjahr. Und der Zeitaufwand für das Testen zahlt sich am Ende aus.

Funke Mediengruppe: Trotzdem kommt es immer noch vor, dass Menschen ohne ihre Angehörigen sterben - auf Covid-Stationen in Krankenhäusern, aber auch in Pflegeheimen.

Franziska Giffey: Es muss alles unternommen werden, damit Besuche in Pflegeheimen möglich bleiben. Für Menschen mit Demenz ist es besonders wichtig, einen regelmäßigen Kontakt zu haben und nicht zu vereinsamen. Es gibt aber nach wie vor Situationen, da geht es einfach nicht. Wenn es ein akutes Ausbruchsgeschehen in einer Einrichtung gibt, kann man nicht noch Besucherinnen und Besucher reinlassen.

Funke MediengruppeMüssen wir uns damit abfinden, dass Heimbewohner in der Pandemie alleine sterben? 

Franziska Giffey: Nein. Das eine ist der Besuch, das andere ist die Sterbebegleitung. Wir sollten es in jedem Fall ermöglichen, dass Menschen, die im Sterben liegen, nicht alleine sind und dass Angehörige Abschied nehmen können.

Funke Mediengruppe: Wie geht es nach der Weihnachtspause in den Kitas weiter? Bleiben sie in jedem Fall geöffnet?

Franziska Giffey: Das hängt von der weiteren Entwicklung ab. Wir haben in Deutschland mehr als 56.000 Kitas - 13.000 von ihnen machen bei unserem Kita-Register mit und 7000 melden regelmäßig Corona-Zahlen und Details über die jeweilige Situation und Schutzmaßnahmen vor Ort, die das Deutsche Jugendinstitut und das Robert Koch-Institut fortlaufend auswerten. Nach den aktuellsten Zahlen waren lediglich 5,8 Prozent der Kitas aufgrund von Infektionen ganz oder teilweise geschlossen, das heißt: In den anderen mehr als 90 Prozent lief der Betrieb. Und das zeigt doch: Es war richtig, dass wir darauf gesetzt haben, Kitas offenzuhalten. Kitas sind keine Infektionstreiber.

Funke Mediengruppe: Welches gesicherte Wissen haben Sie über das Infektionsgeschehen an den Kitas?

Franziska Giffey: Ich kann Ihnen den aktuellen Stand der Corona-Kita-Studie nennen. Die Gruppe der Null- bis Fünfjährigen infiziert sich nach wie vor am seltensten mit dem Coronavirus. Die Zahl der Neuinfektionen liegt hier im bundesweiten Durchschnitt bei 59 pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen liegt die Inzidenz derzeit im Schnitt bei 105. In beiden Gruppen ist die Tendenz rückläufig. Wenn es zu Corona-Ausbrüchen in Kitas kommt, gehen diese meist auf Erwachsene zurück, die sich dort aufhalten, also auch Eltern, Hilfskräfte und Erzieherinnen und Erzieher.

Funke Mediengruppe: … die jetzt die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu testen.

Franziska Giffey: Das anlasslose Testen gibt Sicherheit. Deswegen ist es gut, wenn es die Möglichkeit für Erzieherinnen und Erzieher gibt, regelmäßig einen Schnelltest zu machen. Das ist ein wichtiger Baustein bei der Eindämmung der Pandemie und auch für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Funke Mediengruppe: Sollten Erzieher zu den ersten gehören, die geimpft werden?

Franziska Giffey: Ich finde ja. Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung sollten als eine der ersten Gruppen die Möglichkeit zur Impfung bekommen. In diesem Arbeitsfeld kann sich das Personal am wenigsten schützen. Sie tragen ja meist auch keinen Mundschutz, weil die Mimik im Umgang mit Kleinkindern so wichtig ist. Auch Lehrerinnen und Lehrer sollten zu den ersten gehören, die sich impfen lassen können.

Funke Mediengruppe: Der erste Lockdown - mit Schul- und Kitaschließungen - hat zu einer Zunahme von Gewalt in den Familien geführt. Läuft das jetzt besser?

Franziska Giffey: Es gibt dazu bislang keine belastbaren Erkenntnisse. Unser Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen kann aber ein Indikator sein. Da sind die Zahlen in der Zeit des ersten Lockdowns hochgegangen um etwa 25 Prozent gegenüber 2019, auffällig war es an den Osterfeiertagen. Ich fürchte, an Weihnachten erleben wir das wieder. Das kennen wir auch aus anderen Jahren. An Feiertagen gibt es mehr Anrufe. Zurzeit sind es bis zu 480 Beratungen in der Woche zu häuslicher Gewalt - das ist etwas weniger als im Frühling. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir ein deutlich größeres Dunkelfeld haben. Wir informieren mit viel Aufwand und Einsatz über das Hilfetelefon und andere Hilfsangebote, aber verhindern können wir häusliche Gewalt damit leider nicht.

Funke Mediengruppe: Haben Sie Verständnis für die Wütenden, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen?

Franziska Giffey: Mein Verständnis ist begrenzt. Jeder hat natürlich das Recht, die Maßnahmen auch kritisch zu sehen. Ich kann diese massive Ablehnung aber nicht nachvollziehen. Wir haben inzwischen wirklich hohe Todesfallzahlen. Was muss denn noch passieren, damit diese Leute begreifen, wie gefährlich diese Krankheit ist? Wenn wir die Corona-Einschränkungen nicht machen würden, hätten wir noch viel mehr Tote und schwer Kranke zu beklagen.

Funke Mediengruppe: Die Sorge ist groß, dass die Bewegung von Rechtsextremisten unterwandert wird. Muss der Verfassungsschutz die Querdenker beobachten?

Franziska Giffey: Wir als Staat müssen wachsam sein, wenn die Demokratie angegriffen wird. Oder wenn unsere demokratischen Organe bedroht werden, wie neulich, als Störer in den Bundestag eingedrungen sind und Abgeordnete daran hindern wollten, ihrer Arbeit nachzugehen. So etwas gab es bislang nicht. Dem muss etwas entgegengesetzt werden. Bei Gruppen, die sich verfassungsfeindlich äußern oder einen Angriff auf die Demokratie planen, muss sich der Verfassungsschutz einschalten. Das heißt nicht, dass alle, die bei solchen Demonstrationen mitlaufen, als Verfassungsfeinde angesehen werden.

Funke Mediengruppe: Was können Sie als Ministerin tun?

Franziska Giffey: Wir fördern mit dem Bundesprogramm "Demokratie leben!" Projekte und Einrichtungen, die sich für Demokratie und gegen jede Form von Extremismus engagieren. Ich möchte hier mehr Verlässlichkeit und finanzielle Absicherung erreichen. Deshalb ist es gut, dass wir uns in der Bundesregierung nun geeinigt haben: Der Bundesinnenminister und ich werden in Kürze Eckpunkte für ein Wehrhafte-Demokratieförder-Gesetz vorlegen. Es geht dabei ausdrücklich nicht nur um Demokratieförderung, sondern auch um Extremismus-Prävention. Ich hoffe sehr, dass wir das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschließen können. Dazu muss allerdings die Union mitziehen. Über die finanzielle Ausstattung sind wir uns im Übrigen längst einig: Für das Programm "Demokratie Leben!" sind schon jetzt 150,5 Millionen Euro im Jahr 2021, dann 165 Millionen Euro im Jahr 2022 und von da an jeweils 200 Millionen Euro vorgesehen. Mit einem Demokratiefördergesetz, wie ich es mir vorstelle, geben wir der Arbeit, die jetzt immer nur auf der Basis von Projekten gemacht werden kann, eine dauerhafte, gesetzlich verankerte Perspektive.