Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder gab der taz (Erscheinungstag 17. November 2012) das folgende Interview:
Frage: Frau Ministerin, warum sind Sie nicht längst Fördermitglied bei uns? Ihre Amtskollegin in NRW, Angelika Schwall-Düren (SPD), hat sich nicht lumpen lassen und unterstützt den Verein.
Dr. Kristina Schröder: Die Idee von proQuote finde ich sehr gut. Das ist übrigens vom Ansatz her eine Flexiquote: Eine spezifische Branche gibt sich selbst eine Zielvorgabe.
Frage: Wir fordern 30 Prozent der Chefsessel. Also, machen Sie mit?
Dr. Kristina Schröder: Man kann auch ohne Unterschrift das Prinzip unterstützen. Der wirkungsvollste Weg zu mehr Frauen in Führungspositionen führt darüber, dass die Unternehmen sich ihre Ziele selbst setzen. Wir veröffentlichen solche Zielvorgaben auf unserer Seite www.flexi-quote.de. Da kann dann alle Welt prüfen: Wer will viel, wer schafft wenig? Diese Transparenz schafft durch öffentliche Kritik den Druck, das auch wirklich etwas passiert.
Frage: Kritik gibt es doch seit Jahrzehnten. Vor zehn Jahren hieß es schon einmal, die Unternehmen hätten sich verpflichtet. Nichts bis wenig ist danach passiert.
Dr. Kristina Schröder: Da vergleichen manche Äpfel mit Birnen. 2001 haben sich die Unternehmen überhaupt nicht einzeln verpflichtet, sondern ihre Verbände. Die haben sich bei einem Treffen mit Gerhard Schröder gegenseitig auf die Schultern geklopft, und am Ende kam eine wachsweiche Erklärung heraus. Die einzelnen Unternehmen konnten sich damals wunderbar wegducken.
Frage: Wieso? Die sind doch in den Verbänden.
Dr. Kristina Schröder: Eben, und aus dieser Anonymität habe ich sie hervor geholt. Seit letztem Jahr verpflichten sich einzelne Unternehmen selbst. Das gab es vorher noch nie. Die Firmen wären blamiert, wenn sie ihre eigenen Vorgaben nicht erreichten.
Frage: Sie haben bislang keine gesetzliche Möglichkeiten, dies einzufordern.
Dr. Kristina Schröder: Ich will gesetzliche Sanktionen. Allerdings erteilt die FDP einem gesetzlichen Weg leider eine Absage.
Frage: Da kommt Ihnen ja nun EU-Kommissarin Viviane Reding zur Hilfe. Deren Richtlinienvorschlag will Firmen verpflichten, bis 2020 Aufsichtsratsposten zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Sogar von Geldstrafen ist die Rede.
Dr. Kristina Schröder: Offenkundig hat die EU-Kommission den Vorschlägen nur zugestimmt, weil die dort genannten 40 Prozent gerade nicht als starre Quote missverstanden werden dürfen. Ich wundere mich, wie stark die Debatte um die Aufsichtsräte kreist - dabei sagt selbst Frau Reding, dass sie die Aufsichtsräte nur deshalb ins Zentrum rückt, weil sie damit in den operativen Geschäftsbetrieb gar nicht entscheidend eingreift.
Frage: Was ist daran so schlecht?
Dr. Kristina Schröder: Das Sonnendeck optisch weiblicher zu machen führt leider nicht automatisch zu frauenfreundlicheren Arbeitsbedingungen. Das sehen wir an Norwegen: Da gibt es die Quote für Aufsichtsräte schon länger. Es hat sich darunter aber fast nichts bewegt.
Frage: Frauen müssen an die operativen Top Positionen?
Dr. Kristina Schröder: Ja, in die Vorstände. Meine Flexiquote beinhaltet die Vorstandsposten und die von mir mit den Dax-30 vereinbarten Selbstverpflichtungen gilt für alle Führungsebenen darunter. Im Fall etwa einer Siemens AG geht es da gleich um 770 Frauen. Mir reichen eben nicht drei bis vier neue Vorzeige-Frauen für den Aufsichtsrat. Nur wenn Masse da ist, bewegt sich etwas.
Frage: Deshalb fordern wir die Chefsessel in den Redaktionen.
Dr. Kristina Schröder: Die Verlagsbranche ist ein ganz besonderer Fall. Das habe ich den Verlegern beim Publishers' Summit auch gerade gesagt. Die Mehrzahl der Blätter forciert das Quotenthema massiv und fordert quasi täglich, dass mehr passiert. Aber die Verlage, denen die Zeitungen gehören, sind oft alles andere als Vorreiter.
Frage: Was haben Sie denn den Verlagen gesagt?
Dr. Kristina Schröder: Ich habe sie aufgefordert: Ändert das, definiert euch für den Verlag eigene Zielgrößen. Wir veröffentlichen das gerne neben den Zielmarken der Dax 30-Konzerne. Ich glaube, das wäre hoch interessant und würde vielen Redakteurinnen nutzen.
Frage: Mit Sicherheit. Dann könnten Sie feststellen, wie die Verlage mit Taschenspielertricks die Zahlen biegen, damit sie gut dastehen, ohne dass sich viel geändert hat. Haben sich denn schon welche gemeldet, die das tun wollen?
Dr. Kristina Schröder: Ja, es sind direkt gleich prominente Verlagschefs zu mir gekommen und haben gesagt: "Wir machen das jetzt."
Frage: Und welche waren das?
Dr. Kristina Schröder: Die Namen zu nennen wäre jetzt nicht fair. Aber das Ergebnis werde ich nachhalten.
Frage: Wieso, das ist doch Sinn ihrer Flexiquote, dass die sich selbst verpflichten. Und das haben sie Ihnen gegenüber dann ja getan. Also raus mit den Namen.
Dr. Kristina Schröder: Nein, das öffentlich zu machen muss ich denen schon selbst überlassen. Der Verlag soll sich ja selber rechtfertigen.
Frage: Sie haben mal gesagt: Frauen, die Karriere machen wollen, bräuchten keine Quote, sondern verlässliche Partner. Fehlt all den Kolleginnen, die mit viel Talent und auch Ehrgeiz auf der Etappe dennoch hängen blieben, schlichtweg der richtige Mann oder die richtige Frau?
Dr. Kristina Schröder: Der Kern des Problems liegt in der oft familienunfreundlichen Struktur der Arbeitswelt. Die macht Frauen das Leben furchtbar schwer, die auch noch in der privaten Welt Verpflichtungen haben. Die brauchen Partner in der Arbeitswelt, hab ich damals gesagt, die Respekt vor familiären Verpflichtungen haben, und Partner zu Hause, die ihren Teil übernehmen.
Frage: Ist das bei Ihnen der Fall?
Dr. Kristina Schröder: Wir haben beide nicht furchtbar familienfreundliche Jobs. Das ist schon eine Herausforderung. Aber wir schaffen das irgendwie.
Frage: Interviewen mehr Männer oder Frauen Sie?
Dr. Kristina Schröder: Selbst in der männerlastigsten Redaktion sitzt auf dem für mich zuständigen Platz fast immer eine Frau.
Frage: Ihr Ressort ist der Männerwelt egal?
Dr. Kristina Schröder: Nein, den Frauen wird eher klischeehaft zugeschrieben, das seien ihre Themen. Frauen interessieren sich ja auch tatsächlich dafür. Wir sollten nicht so tun, als ob es solche Vorlieben nicht gäbe. Ich habe auch Soziologie studiert. So ist es eben. Warten Sie mal, meine Kleine macht gerade ein bisschen Terror. Jetzt bin ich wieder für Sie da.
Frage: In etwa 20 Jahren wird ihre Tochter im Beruf sein. Könnte sie dann auch noch unter einer gläsernen Decke hängen bleiben?
Dr. Kristina Schröder: Der Mangel an Fachkräften wird die Lösung dieses Problems erleichtert haben. Allerdings glaube nicht, dass wir jemals überall eine Fifty-Fifty-Verteilung bekommen. Also die Hälfte E-Technikerinnen, die Hälfte Erzieher ... . Geschlechter müssen aber auch nicht überall komplett gleich verteilt sein. Jeder soll so frei wie möglich seine Präferenzen und Fähigkeiten fair ausleben können. Was das am Ende für zahlenmäßige Verteilungen ergibt, das ist mir dann relativ egal.