Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek verteidigt Recht auf Meinungsfreiheit

Dr. Ralf Kleindiek, Bildnachweis: Bundesregierung / Denzel
Dr. Ralf Kleindiek © Bundesregierung / Denzel
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ralf Kleindiek, hat am 22. Juli das folgende Statement vor dem Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts abgegeben. Anlass ist die mündliche Verhandlung über einen Antrag im Organstreitverfahren der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) gegen Bundesministerin Manuela Schwesig.

Die NPD wirft Manuela Schwesig vor, ihre parteipolitische Neutralitätspflicht verletzt zu haben, weil sie in einem Zeitungsinterview gesagt hat, dass es das Ziel Nummer 1 sei, dass die NPD nicht in den Thüringer Landtag komme. Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek begegnet diesem Vorwurf vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts und verteidigt das Recht der Bundesministerin, über Risiken und Gefahren, die nach ihrer Einschätzung von einer bestimmten politischen Partei ausgehen, in der öffentlichen Diskussion zu sprechen. 

Statement des Staatssekretärs im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ralf Kleindiek, vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts

"Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Bundesverfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter,
Frau Bundesministerin Manuela Schwesig hat durch ihr Interview Rechte der Antragstellerin nicht verletzt. Sie hat entsprechend ihrer festen politischen Überzeugung als stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ihre Ziele im Kampf gegen den Rechtsextremismus dargestellt. Und sie hat das von ihr als Ministerin verantwortete Programm der Bundesregierung zur Extremismusprävention erläutert.

Der Kampf gegen Verfassungsfeinde ist Frau Schwesig als Politikerin ein wichtiges Anliegen. Auch unabhängig von ihrer ministeriellen Verantwortung für das Präventionsprogramm, entspricht das Eintreten gegen Rechtsextremismus ihrem Selbstverständnis, das sie in ihrem Handeln leitet.

Wie sie in ihrem Interview angekündigt hat, wird sie im Thüringer Wahlkampf als Bundespolitikerin der SPD mithelfen, damit verfassungstreue Parteien durch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung unterstützt und verfassungsfeindliche Parteien aus dem Landtag ferngehalten werden. Als führendes Mitglied der SPD wird sie dafür eintreten, dass die NPD nicht in den Thüringer Landtag gewählt wird. Genau das hat sie in ihrem Interview mit der Thüringischen Landeszeitung angekündigt. Zu diesem Ziel steht Frau Schwesig als SPD-Politikerin.

Sie hat sich in dem Interview so geäußert, wie es jede Bürgerin oder jeder Bürger auch hätte tun können. Sie hat weder auf öffentliche Mittel zurückgegriffen noch eine amtliche Publikation zur Verbreitung ihrer Meinung benutzt. Interviews kann jedes Mitglied einer politischen Partei geben. Alle Exponenten der politischen Parteien in Deutschland wirken auf diese Weise an der politischen Willensbildung des Volkes mit, wie es das Grundgesetz als Aufgabe der politischen Parteien definiert.

An diesem Recht zur Wahrnehmung ihrer in der Verfassung begründeten Aufgabe ändert sich nichts dadurch, dass führende Vertreter einer politischen Partei ein Regierungsamt innehaben. Auch als Regierungsmitglieder bleiben sie Politiker mit allen Rechten und Pflichten. Sie dürfen allerdings nicht die spezifischen Möglichkeiten ihres Regierungsamtes nutzen, um die eigene Partei zu bevorteilen oder andere Parteien zu benachteiligen. Sie dürfen und sollen aber an politischen Auseinandersetzungen teilnehmen und sich in Wahlkämpfen engagieren. Darauf ist die parlamentarische Demokratie angewiesen. Nur so kann die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Legitimation der politischen Willensbildung in Deutschland funktionieren.

Hohes Gericht,
Frau Bundesministerin Schwesig wäre aber auch als Mitglied der Bundesregierung berechtigt, sich im Wahlkampf in amtlicher Funktion über die Medien an die Öffentlichkeit zu wenden. Der Beschluss dieses Senats vom 15. Juli 2014, mit dem Sie im vorliegenden Verfahren den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt haben, bringt dies in der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck. Frau Bundesministerin Schwesig hat in dem Interview mit der Thüringer Landeszeitung - wie dargelegt - von ihrer Meinungsfreiheit als Politikerin Gebrauch gemacht. Aber auch wenn man ihre Äußerung ihr als Regierungsmitglied zuordnen würde, hätte sie hat dabei gemäß den Vorgaben der Verfassung die Chancengleichheit der Parteien beachtet. Der Senat hat zuletzt in seinem Urteil vom 10. Juni 2014 zur Äußerungsbefugnis von Verfassungsorganen in Bezug auf als verfassungsfeindlich angesehene politische Parteien betont, dass negative Werturteile über eine politische Partei erst dann unzulässig werden, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit den Anspruch der betroffenen Partei auf gleiche Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigen. Das gilt nach diesem Urteil auch für die Beteiligung staatlicher Stellen an der öffentlichen Auseinandersetzung über die Einleitung eines gegen die Antragstellerin gerichteten Verbotsverfahrens. Wie der Bundespräsident, so ist auch eine Bundesministerin berechtigt, über Risiken und Gefahren, die nach ihrer Einschätzung von einer bestimmten politischen Partei ausgehen, in der öffentlichen Diskussion zu sprechen.

Frau Schwesig ist eine klare Gegnerin der NPD. Das Grundgesetz hat das Gemeinwesen der Bundesrepublik als wehrhafte Demokratie konstituiert. Frau Schwesig handelt ganz in diesem Sinne, wenn sie die Verfassungsfeindlichkeit der NPD öffentlich thematisiert. Das hat sie in dem Interview ebenso zum Ausdruck gebracht wie ihren Einsatz gegen rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Bestrebungen. Nach der Rechtsprechung dieses Gerichts sind Einschätzungen einer Partei als rechtsextrem oder verfassungsfeindlich, Teil der öffentlichen Auseinandersetzung, denen die betroffene Partei mit den Mitteln des Meinungskampfes begegnen muss. Wie Sie festgestellt haben, hat sich Frau Bundesministerin Schwesig nicht ungerechtfertigt herabsetzend oder polemisch gegenüber der Antragstellerin geäußert. Folglich hat Frau Bundesministerin Schwesig die Antragstellerin unter keinem Gesichtspunkt in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

Hohes Gericht,
in diesem Verfahren geht es auch darum, dass unsere Demokratie wehrhaft sein muss. Wehrhaft gegenüber denjenigen, die unsere Demokratie abschaffen wollen. Das Grundgesetz verlangt dies von uns. Frau Bundesministerin Schwesig ist unserer wehrhaften Demokratie verpflichtet. Deshalb lässt sie sich von der NPD nicht den Mund verbieten."