Land ohne Kinder? - Ein deutsch-französischer Vergleich

In Deutschland und Frankreich gibt es deutliche Unterschiede in den Einstellungen zu Kindern, in den Rollenbildern aber auch in den Möglichkeiten Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Diese Unterschiede können in einem Zusammenhang zu den unterschiedlichen Geburtenraten in beiden Ländern gesehen werden.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Repräsentativbefragung der 16- bis 49-jährigen Bevölkerung in Frankreich und Deutschland, die vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Zeitschrift Bild der Frau der Axel Springer AG durchgeführt wurde. In der Untersuchung wurden in beiden Ländern Fragen gestellt nach Kinderwünschen und idealer Kinderzahl, nach den wahrgenommenen Bevorzugungen und Belastungen durch Kinder sowie Gründen, die gegen Kinder sprechen. Weitere Themen waren die Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten, bevor man sich für Kinder entschließt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Kinderbetreuung.

"Kinderfreundlichkeit muss jeden Tag gelebt werden, sie kann nicht verordnet werden. Die Politik verbessert die Rahmenbedingungen, aber die Einstellung zu Kindern beginnt in unseren Köpfen. Jeder sollte sich fragen, was er persönlich dafür tut," so Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen.

Einstellung zu Kindern

Die Ergebnisse zeigen, dass sich schon das Selbstbild in beiden Ländern deutlich unterscheidet: Die französische Bevölkerung ist zutiefst davon überzeugt, in einem kinderfreundlichen Land zu leben (80 Prozent), in Deutschland sind es dagegen nur 25 Prozent der Bevölkerung. Die Mehrheit der Deutschen hält Deutschland für wenig kinderfreundlich.

Die Studie zeigt, dass sowohl in Frankreich als auch in Deutschland die Geburtenzahl hinter den Wünschen zurückbleibt. Im Durchschnitt geben die Befragten die ideale Kinderzahl in Deutschland mit 2,0 und in Frankreich mit 2,4 an. Während 36 Prozent der französischen Bevölkerung die ideale Kinderzahl mit 3 und mehr Kindern ansetzen, sind dies nur 16 Prozent der deutschen Bevölkerung.

Eltern und Kinderlose

Eltern und Kinderlose unterscheiden sich in Deutschland in vielerlei Hinsicht weitaus mehr als in Frankreich. Dies gilt für die Grundhaltung zu Kindern, für die Überzeugung, dass Kinder das Leben bereichern, wie für die persönlichen Prioritäten. Während nicht nur die große Mehrheit der französischen Eltern, sondern auch die Mehrheit der französischen Kinderlosen ihren Lebenssinn auch über Kinder definieren und ausgeprägt familienorientiert sind, liegen hier zwischen deutschen Eltern und Kinderlosen Welten. 74 Prozent der deutschen Eltern und nur 27 Prozent der Kinderlosen definieren ihren Lebenssinn auch über Kinder. In Frankreich wird Kinderlosigkeit als eine Phase im Leben angesehen, in Deutschland dagegen eher als Lebensentscheidung.

In beiden Ländern sagen Eltern, dass ihre Kinder sie glücklich machen. Die Eltern argumentieren positiv aus der Erfahrung des Alltages heraus. Aber Kinderlose argumentieren in beiden Ländern sehr unterschiedlich:

Deutsche Kinderlose verbinden die Elternschaft mit auffallend vielen Nachteilen wie finanziellen Einschränkungen, viel Stress, enorme zeitliche Belastungen und Zurückstecken im Beruf. 78 Prozent der deutschen, aber nur 54 Prozent der französischen Kinderlosen assoziieren mit Elternschaft materielle Einbußen. In Deutschland wächst allerdings die Überzeugung, dass sich der Staat verstärkt für junge Familien engagiert.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die größten Unterschiede zwischen dem deutschen und französischen Meinungsbild treten beim Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf. 62 Prozent der Französinnen, aber nur 22 Prozent der deutschen Frauen haben den Eindruck, dass sich Familie und Beruf alles in allem gut miteinander vereinbaren lassen. Die überwältigende Mehrheit der Franzosen ist überzeugt, dass auch eine Vollzeitberufstätigkeit der Mutter sich ohne weiteres mit Kindern vereinbaren lässt. Dies hält eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht für möglich.

Auch die Vorstellungen von der idealen Aufgabenteilung in den Familien sind deutlich unterschiedlich. Während deutsche Mütter am ehesten das Modell favorisieren, bei dem die Vollzeitberufstätigkeit des Mannes durch eine Teilzeitbeschäftigung der Partnerin ergänzt wird, präferieren französische Mütter am ehesten die Vollzeitberufstätigkeit beider Partner. Dass den Franzosen die Kinder und der Beruf so wichtig sind, hat auch etwas damit zu tun, unter welchen Bedingungen man seinen Beruf ausüben kann.

Sehr unterschiedlich wird auch die Frage beurteilt, ab welchem Alter die Kinder in einer Kinderkrippe oder Kindertagesstätte betreut werden können. 62 Prozent der französischen Frauen, aber nur 7 Prozent der deutschen Frauen halten es ohne weiteres für möglich, Kinder schon mit weniger als einem Jahr in eine externe Betreuungseinrichtung zu geben. 

Die neuen Familienleistungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich im Vergleich zu früher einiges für junge Familien getan. Dazu gehören die neuen Familienleistungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: das Elterngeld und die stärkere Steuerbegünstigung der Kinderbetreuungskosten.

Das neue Elterngeld löst für Geburten ab 1. Januar 2007 das bisherige Erziehungsgeld ab. Es gleicht erstmals den Einkommensverlust von Müttern und Vätern aus, die eine Zeit lang vom Beruf eine Auszeit nehmen und sich um ihr Kind kümmern möchten. Rückwirkend zum 1. Januar 2006 können Eltern erheblich mehr Kosten für die Kinderbetreuung von der Steuer absetzen als bisher. Außerdem wird der Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren vorangetrieben. Bund, Länder und Kommunen kamen bei einem Treffen im April darin überein, dass bis zum Jahr 2013 für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz entstehen soll.

Eine familienfreundliche Arbeitswelt und Unternehmenspolitik voranzutreiben ist ebenfalls wesentlicher Teil der nachhaltigen Familienpolitik. Unter dem Dach der "Allianz für die Familie" sind Initiativen für eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt gebündelt. Mit dem Unternehmensprogramm "Erfolgsfaktor Familie. Unternehmen gewinnen", werden die Initiativen konzentriert und erreichen ein neues Niveau. Ziel ist es, Familienfreundlichkeit zu einem Managementthema und zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft zu machen.