Queerpolitik Hasskriminalität gegen queere Menschen wird zukünftig besser geahndet

Progress Pride Flag am Bundesfamilienministerium in Berlin
Progress Pride Flag am Bundesgleichstellungsministerium© Jens Ahner

Am 22. Juni hat der Deutsche Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf für ein "Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt" beschlossen. Damit werden "geschlechtsspezifische" sowie "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in die Strafgesetze zu Hasskriminalität (§ 46 StGB) aufgenommen.

Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung: "Hasstaten und Gewalt gegen queere Menschen sind menschenverachtende Straftaten. Alltäglich werden in Deutschland LSBTIQ* angegriffen. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*). Die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Diesen Straftaten muss der Staat entschlossen entgegentreten. Die ausdrückliche Aufnahme 'geschlechtsspezifischer' sowie 'gegen die sexuelle Orientierung gerichteter' Motive in den Gesetzestext erhöht bei den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden die Sensibilität für LSBTIQ*-feindliche Taten. Denn was Schwarz auf Weiß im Gesetzestext steht, findet in der Rechtspraxis mehr Beachtung. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Beweggründe unterstreicht zudem, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat. LSBTIQ*-Feindlichkeit wird so in Gerichtsverfahren eher strafverschärfend einbezogen und damit besser geahndet.

Angeheizt von gezielten Kampagnen richtet sich Gewalt gegen sichtbares queeres Leben und soll LSBTIQ* einschüchtern. Als demokratische Gesellschaft muss es unser Ziel sein, dass alle Menschen offen, sicher und angstfrei leben können und sich LSBTIQ* im Alltag nicht verstecken müssen. Im ressortübergreifenden Aktionsplan der Bundesregierung 'Queer leben' ist die Sicherheit von LSBTIQ* eins von sechs Handlungsfeldern. Die Umsetzung mit der Zivilgesellschaft und den Bundesländern hat begonnen. Auf ihrer letzten Sitzung hat sich auch die Innenministerinnen und -ministerkonferenzkonferenz verpflichtet, die Bekämpfung von LSBTIQ*-feindlicher Gewalt weiter zu verbessern.

Grundlage dafür müssen die Empfehlungen aus dem Abschlussbericht des Arbeitskreises 'Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt' sein. Das Hellfeld muss weiter vergrößert und die Sensibilität und Prävention in Bezug auf LSBTIQ*-feindliche Taten erhöht werden. Jede Tat sollte zur Anzeige gebracht werden."

Hintergrund des neuen Gesetzes 

Zukünftig wird es in § 46 Strafgesetzbuch Grundsätze zur Strafzumessung heißen:

"Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische, geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtende [Beweggründe und Ziele des Täters]."

"Geschlechtsspezifische" Beweggründe umfassen dabei auch solche Motive, die sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität des Opfers richten. In der aktuellen Version ist Hass gegen Frauen und LSBTIQ* nicht explizit erwähnt, sondern fällt als Tatmotiv unter die Formulierung der "sonstigen menschenverachtenden" Beweggründe.

Registrierte Fälle von Hasskriminalität weiter gestiegen

2022 sind die registrierten Fälle von Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) weiter gestiegen. So wurden im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1005 Straftaten (davon 227 Gewaltdelikte) und im Unterthemenfeld "geschlechtliche Diversität" 417 Straftaten (davon 82 Gewaltdelikte) erfasst.