Am 7. Oktober hat der Europarat einen Bericht zum Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention vorgelegt. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt entstand 2011 in Istanbul. Der Bericht evaluiert, welche Vorgaben der Konvention Deutschland bereits umgesetzt hat und wo noch Handlungsbedarf besteht. Verfasst hat ihn ein Expertengremium (englisch: Group of experts on action against violence against women and domestic violence, GREVIO).
Die GREVIO-Fachleute loben Deutschland für zahlreiche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, die das Ziel haben, den Schutz von Frauen vor Gewalt effektiv voranzubringen. Zugleich betonen sie, dass trotz der Fortschritte weiter Handlungsbedarf besteht und fordern eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene.
Bundesfrauenministerin Lisa Paus erklärte: "Ich stehe zur vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention. Wir haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart und sie ist für mich als Frauenministerin und Feministin eine wichtige Richtschnur. Wir werden daher das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern. Wir haben vereinbart, auf Bundesebene einen Rechtsrahmen für die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern zu schaffen. Wir wollen in der Bundesregierung eine Koordinierungsstelle einrichten, die eine ressortübergreifende Strategie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen erarbeitet. Außerdem wird mein Ministerium noch in diesem Jahr eine unabhängige Beobachtungsstelle schaffen. Dort werden Daten und Erkenntnisse zur Gewalt gegen Frauen zusammengeführt. Ich danke dem Europarat für die gründliche Analyse des Umsetzungsstands in Deutschland. Sie zeigt uns, wo wir noch besser werden müssen."
Forderungen des Gremiums
Die Expertinnen und Experten fordern die zuständigen staatlichen Ebenen in Deutschland auf, mehr Frauenhausplätze zu schaffen und das Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Frauen weiter auszubauen. Dabei soll auf eine ausgeglichene geografische Verteilung geachtet werden. Außerdem sollen die Bedürfnisse besonders verletzlicher Gruppen, etwa von Frauen mit Behinderungen, geflüchteten Frauen oder queeren Menschen, berücksichtigt werden. Jede Frau und ihre Kinder müssten einen gesicherten Zugang zum Hilfesystem haben.
Weiter mahnt der GREVIO-Bericht an, dass Deutschland die Verpflichtung noch nicht ausreichend umsetzt, koordinierte politische Maßnahmen gegen Gewalt zu beschließen. Deutschland brauche daher eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene und die Entwicklung einer langfristigen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Auch solle es künftig verpflichtende Trainings für alle Berufsgruppen geben, die in Kontakt mit Opfern oder Tätern von Gewalt kommen. Zudem solle das Umgangsrecht mit Rücksicht auf die Interessen von Gewaltopfern reformiert werden.
Das Monitoringverfahren
GREVIO hat das erste Monitoringverfahren für Deutschland im Februar 2020 eröffnet. Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Bundesregierung im September 2020 einen Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland beim Europarat eingereicht. Im September 2021 folgte ein Länderbesuch von GREVIO-Expertinnen und -Experten, nun hat GREVIO den angehängten Bericht basierend auf den Informationen aus dem Staatenbericht, Berichten aus der Zivilgesellschaft und dem Länderbesuch vorgelegt.
Die Istanbul-Konvention
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die Istanbul-Konvention, schützt Frauen und Mädchen vor jeglicher Form von Gewalt. Sie ist als völkerrechtlicher Vertrag rechtlich bindend für diejenigen Staaten, die sie ratifiziert haben. In Deutschland trat die Konvention am 1. Februar 2018 in Kraft. Die Konvention sieht die Überwachung der staatlichen Umsetzung durch eine unabhängige Gruppe von Expertinnen und Experten (GREVIO) vor.