Vier zu einem Quadrat aufgereihte Holzwürfel mit schwarzen Diagramm darauf
© iStock/Parradee Kietsirikul

Privatwirtschaft - Die Quote wirkt!

börsennotierter Softwarekonzern

Debora Murseli, Diversity Beauftragte

Portrait Lisa Paus
Zitat von Lisa Paus© Felix Zahn

"Das Führungspositionen-Gesetz hat das klare Ziel, bessere Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führung zu schaffen. Frauen, die mitentscheiden, sind ein echter Erfolgsfaktor. Ihr Potenzial ist für die Wirtschaft unverzichtbar. Für den Aufstieg in Führungspositionen brauchen sie Vernetzung und Unterstützung. Und, das hat sich gezeigt, auch feste Quoten und Vorgaben zur Mindestbeteiligung. Solange unsere Gesellschaft vielfältiger ist als unsere Führungsetagen, dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen."

Lisa Paus

Der Frauenanteil in Führungsebenen der Privatwirtschaft ist seit Inkrafttreten des ersten FüPoG 2015 kontinuierlich gestiegen. Doch es hat sich auch gezeigt: nur verbindliche Vorgaben sind ein wirksames Instrument für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen. Ein unabhängiges Evaluationsgutachten zur Wirkungsweise des Gesetzes ergab: Der Frauenanteil an Führungspositionen ist seit Inkrafttreten des Gesetzes in den mehr als 100 Unternehmen, die unter die feste Geschlechterquote für die Aufsichtsräte fielen, deutlich schneller und höher gestiegen als in den Unternehmen, die sich nur freiwillige Zielgrößen setzten.

Das FüPoG ist auf folgende Gesellschaftsformen anwendbar:

  • die Aktiengesellschaft (AG),
  • die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA),
  • die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH),
  • die eingetragene Genossenschaft (eG),
  • den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG),
  • die Europäische Gesellschaft (SE) mit Sitz im Inland,
  • die Europäische Genossenschaft (SCE) mit Sitz im Inland.

Das FüPoG sieht für die Privatwirtschaft zwei Förderungsmaßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen vor: die Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent (feste Quote) für Aufsichtsräte und die Pflicht zur Festlegung und Veröffentlichung von Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Leitungsorgan und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands.

Die feste Quote für Aufsichtsräte findet auf Unternehmen Anwendung, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Diese Voraussetzungen erfüllen die AG, die KGaA und die SE.

Die Pflicht zur Veröffentlichung von Zielgrößen trifft nach dem FüPoG - mit Ausnahme der Aufsichtsratsebene - auch die Unternehmen, die der festen Quote für den Aufsichtsrat unterliegen.

Das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, kurz FüPoG II, entwickelt das 2015 in Kraft getretene Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) weiter, verbessert seine Wirksamkeit und schließt Lücken. Eine zentrale Neuerung ist ein Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in großen deutschen Unternehmen.

Mindesbeteiligungsgebot

Die bewährte fixe Quote für Aufsichtsräte aus dem FüPoG wird mit dem FüPoG II durch ein Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände ergänzt. Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen müssen künftig mindestens eine Frau in den Vorstand berufen, wenn ihr Vorstand aus mehr als drei Personen besteht. Davon sind 66 Unternehmen betroffen von denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens 2021 21 keine Frau im Vorstand hatten.

Keine Toleranz für Zielgröße Null

Unternehmen müssen sich seit Inkrafttreten des FüPoG 2015 Zielgrößen für die zukünftige Beteiligung von Frauen für die obersten Führungsebenen setzen, also für Aufsichtsrat, Vorstand sowie die erste und zweite Managementebene. Oft lautete die Zielgröße Null. Das ist mit Inkrafttreten des FüPoG II nicht länger akzeptabel. Unternehmen werden künftig im Rahmen einer Berichtspflicht begründen müssen, wenn sie sich für den Vorstand null Frauen als Ziel setzen. 

Wenn Unternehmen keine Zielgröße melden oder keine Begründung für die Zielgröße Null angeben, droht ein empfindliches Bußgeld. Dies soll Unternehmen anhalten ihre weiblichen Angestellten auf allen Ebenen besser zu fördern, um den Vorgaben künftig gerecht werden zu können.

Anteil von FüPoG-Unternehmen mit Zielgröße größer Null

Anteil von FüPoG-Unternehmen, die Zielgrößen veröffentlichen

Anteil von FüPoG-Unternehmen mit Zielgröße gleich Null

Frauenanteil in Aufsichtsräten

Im Bereich der Aufsichtsräte der unter das Gesetz fallenden Unternehmen ist eine kontinuierliche Steigerung seit dem Geschäftsjahr 2015 bis zum Geschäftsjahr 2021 um 7 Prozentpunkte zu beobachten. 

In den übrigen börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten ebenfalls kontinuierlich, und zwar im absoluten Vergleich von 18 Prozent im Geschäftsjahr 2015 auf 25 Prozent im Geschäftsjahr 2021. 

Die börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, die seit dem 1. Januar 2016 eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent erfüllen müssen, überschritten die gesetzlichen Mindestvorgaben bereits um 5,7 Prozentpunkte. Der Frauenanteil liegt hier für das Geschäftsjahr 2021 bei 35,7 Prozent.

Frauenanteil im Aufsichtsrat

Frauenanteil in den Vorständen

Auf der Vorstandsebene sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Der Frauenanteil in den Vorständen der betrachteten Unternehmen stieg im Betrachtungszeitraum weiter kontinuierlich um insgesamt 4 Prozentpunkte auf insgesamt niedrigem Niveau von 6 Prozent im Geschäftsjahr 2015 auf 10 Prozent im Geschäftsjahr 2020. 75 Prozent der Unternehmen hatten im Geschäftsjahr 2020 keine Frau im Vorstand. 

Frauenanteil im Vorstand

Frauenanteil in der 1. Managementebene unter dem Vorstand

Frauenanteil in der 2. Managementebene unter dem Vorstand

Lisa Paus am Schreibtisch
© Laurence Chaperon

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen noch in diesem Jahrzehnt zu erreichen. Dafür müssen wir an Tempo zulegen. Die beiden Gesetze für mehr Frauen in Führungspositionen haben zwar eine zaghafte Trendwende eingeleitet, trotzdem sind Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen noch immer unterrepräsentiert. Es braucht einen Kulturwandel in den Unternehmen. Frauen müssen gezielt gefördert und ermutigt werden. Das zahlt sich am Ende auch für die Unternehmen aus. Denn wir wissen aus zahlreichen Studien: gemischte Teams sind erfolgreicher und innovativer.

Lisa Paus

Die börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen haben keine Verpflichtung, sich für den Aufsichtsrat eine Zielgröße zu setzen. Bei den übrigen börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen haben 43 Prozent der betrachteten Unternehmen im Geschäftsjahr 2020 nicht auf allen erforderlichen Ebenen Zielgrößen veröffentlicht. 

Aufsichtsrat

Soweit für den Aufsichtsrat Angaben zu Zielgrößen veröffentlicht wurden, veröffentlichten die nur börsennotierten Unternehmen zu 82 Prozent und die mitbestimmten und zugleich börsennotierten Unternehmen zu 86 Prozent Angaben zu Zielgrößen für den Aufsichtsrat. Hier sind auf allen Ebenen Steigerungen zu verzeichnen, teilweise um mehr als 10 Prozentpunkte.

Von den börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen veröffentlichten 83,7 Prozent trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung freiwillig eine Zielgröße auch für den Aufsichtsrat.

Vorstand 

Für den Vorstand haben im Geschäftsjahr 2020 60 Prozent der unter das FüPoG fallenden Unternehmen Zielgrößen veröffentlicht. Die Gruppen der nur börsennotierten oder nur paritätisch mitbestimmten Unternehmen sowie alle Unternehmen, die zur Angabe von Zielgrößen verpflichtet sind machten zu mehr als 80 Prozent Angaben zu den Zielgrößen für den Vorstand. 

Führungsebenen unterhalb des Vorstands

Für eine mittel- und längerfristig angelegte Veränderung im Sinne eines unternehmerischen Kulturwandels ist auch der Blick auf die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands wesentlich. Um den Frauenanteil auf der Vorstandsebene perspektivisch deutlich zu erhöhen, ist auch eine wesentliche Steigerung des Frauenanteils auf den obersten Managementebenen von großer Bedeutung. Denn aus diesen Führungsebenen werden vorrangig Mitglieder für die Unternehmensleitung berufen. Dem trägt das FüPoG Rechnung, indem es die Unternehmen verpflichtet, auch für diesen Bereich Zielgrößen festzulegen und zu veröffentlichen.
Für die erste Führungsebene unterhalb des Vorstands haben im Geschäftsjahr 2020 rund 60 Prozent aller Unternehmen eine Zielgröße veröffentlicht. Von den börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen sind es dagegen 95 Prozent. Für Unternehmen, die börsennotiert waren und der unternehmerischen Mitbestimmung unterlagen, wurden Angaben zu Zielgrößen von 91 Prozent der Unternehmen veröffentlicht. Für die zweite Führungsebene unterhalb des Vorstands veröffentlichten rund 52 Prozent aller betrachteten Unternehmen Zielgrößen für das Geschäftsjahr 2020.

Cover der Publikation
© FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte e.V.

Der Verein Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) zeigt mit dem jährlichen Ranking des Women on Bord Index (WoB-Index) die aktuellen Entwicklungen des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen der großen Unternehmen. Der seit 2017 veröffentlichte WoB-Index 185 umfasst die 160 im DAX, MDAX und SDAX sowie die aktuell 20 im Regulierten Markt notierten, voll mitbestimmten Unternehmen. Die Studie ermöglicht einen Vergleich der Entwicklung bei den der festen Quote unterliegenden Unternehmen mit der nicht unter die Quote fallenden, im DAX notierten Konzerne.

Hier geht`s zum WoB-Index.

Die Führungspositionen-Richtlinie der Europäischen Union (EU) steht für eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Führungspositionen. Denn Frauen sind in den Führungsetagen privater Unternehmen auch in der gesamten EU nach wie vor unterrepräsentiert. Mit verbindlichen Standards sollen sie in allen Mitgliedstaaten gleichberechtigt am wirtschaftlichen Leben teilhaben. Ziel der Richtlinie ist es, den Frauenanteil in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen in der EU substanziell zu erhöhen. Vorgesehen ist, das Ziel von 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten oder insgesamt 33 Prozent in Aufsichtsräten und Vorständen zusammengerechnet zu erreichen. Mitgliedstaaten, in denen bereits wirksame Maßnahmen ergriffen wurden, sind von den Regelungen ausgenommen. In Deutschland gelten durch die Vorgaben des  FüPoG sowie des FüPoG II bereits umfangreiche Maßnahmen.

Deutschland hat am 14. März 2022 zusammen mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten der EU  der EU-Führungspositionen-Richtlinie zugestimmt. Am 16. Juni 2022 hat die französische Ratspräsidentschaft beim Rat für Beschäftigung und Soziales (EPSCO-Rat) in Luxemburg darüber informiert, dass die Trilogergebnisse mit dem Europäischen Parlament am 15. Juni 2022 gebilligt wurden. Die Führungspositionen-Richtlinie ist am 27. Dezember 2022 in Kraft getreten.


 


Portrait von Lisa Paus
© Laurence Chaperon

"Mit der EU-Führungspositionen-Richtlinie kommt die Gleichstellung von Frauen in Europa einen großen Schritt weiter. Die Erfahrungen in Deutschland zeigen: Feste gesetzliche Quoten zeigen Wirkung. Man braucht diese festen Quoten, damit mehr Frauen es in Führungspositionen schaffen. Ich bin froh, dass die neue Bundesregierung Frankreich unterstützt hat und dass die Blockade der Richtlinie nach zehn Jahren endlich überwunden wurde. Wir brauchen diese verbindlichen Standards für alle europäischen Mitgliedstaaten, damit es mehr Frauen in die Führungsetagen der Unternehmen schaffen. Diese Richtlinie ist ein Bekenntnis zu Chancengleichheit als gemeinsamem europäischen Wert."

Lisa Paus
Paus Interview mit NOZ-data
© Laurence Chaperon

Das zweite Führungspositionengesetz ist erfolgreich. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die festen Quoten für Aufsichtsräte und Vorstände wirken. Um gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen durchzusetzen, müssen wir aber das gesamte Management in den Blick nehmen. Frauen tragen mit hoher Qualifikation und starker Leistung maßgeblich zum Erfolg von Unternehmen bei. Das muss sich auch in allen Führungsebenen abbilden. Es ist ein gutes Zeichen, dass das Mindestbeteiligungsgebot von Frauen in Vorständen so schnell umgesetzt wurde, und ich freue mich, dass viele Unternehmen mehr Frauen in den Aufsichtsräten haben als gesetzlich erforderlich ist.

Lisa Paus

Ost-West-Vergleich 

Vergleicht man die Unternehmen in Ost- und West-Deutschland, so konnte der Anteil der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder in ostdeutschen Unternehmen von 21,1 Prozent im Geschäftsjahr 2015 auf 28,6 Prozent im Geschäftsjahr 2021 gesteigert werden. In den betrachteten westdeutschen Unternehmen steigerte sich vom Geschäftsjahr 2015 bis zum Geschäftsjahr 2021 der Anteil der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder von 18,5 Prozent auf 25,9 Prozent. 

Frauenquote im Ost-West-Vergleich