Berlin Manuela Schwesig zum Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst

Manuela Schwesig vor dem Bundesrat, Bildnachweis: Bundesrat
Manuela Schwesig vor dem Bundesrat© Bildnachweis: Bundesrat

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident!
Sie sind nicht der Einzige, der mich bei der Frauenquote nicht auf dem Zettel hat. Aber bei Ihnen ist es nur eine Formalie gewesen. Da bin ich mir ganz sicher.

Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich darüber, dass wir so weit sind, dass wir über ein Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen beraten, zunächst im Bundestag und heute im Bundesrat.

Das ist ein wichtiger Schritt, nachdem vor über 30 Jahren – vor über 30 Jahren! – die damalige Ministerin Antje Huber erstmalig das Thema einer Geschlechterquote diskutiert hat. So lange währt die Debatte schon, mit allen Höhen und Tiefen. Ich darf daran erinnern, dass auch der Bundesrat am 21. September 2012 mit einer breiten, parteiübergreifenden Mehrheit dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien zugestimmt hat.

Begründet wurde der Gesetzentwurf so – ich zitiere –:Damit der Staat der in Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz festgelegten Handlungsaufforderung zur Durchsetzung gleichberechtigter Teilhabe beider Geschlechter und zur Hinwirkung auf die Beseitigung bestehender Nachteile nachkommt, ist ein gesetzliches Tätigwerden nunmehr geboten.

Diese Einschätzung ist heute genauso richtig wie damals. Drei Viertel der Frauen, die berufstätig sind, sagen: Es geht in der Arbeitswelt ungerecht zu. – Drei Viertel! Das ist eine starke Größe. Warum sagen dieFrauen das? Sie spüren, dass sie für die gleiche Arbeit nicht gleich entlohnt werden. Das spüren sie nicht nur, das sehen sie auch ganz konkret in ihrem Portemonnaie. Sie merken, dass sie immer noch diejenigen sind, die benachteiligt sind, wenn es darum geht, Beruf und Familie zu vereinbaren, ob mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.

Obwohl heute Abiturienten in der Mehrzahl Frauen sind, obwohl diejenigen, die einen Studienabschluss haben, vor allem Frauen sind, und obwohl Frauen heute höchste Leistungsbereitschaft zeigen, merken sie, dass sie nicht in Führungsetagen ankommen, weil es die sogenannte gläserne Decke gibt, die wahrscheinlich auch viele hier im Raum kennen. Daran stoßen Frauen trotz super Ausbildung und Qualifikation, trotz hoher Leistungsbereitschaft und obwohl sich die eine oder andere vielleicht bewusst gegen Familie entschieden hat, weil sie weiß, dass das ein noch größeres Hemmnis ist.

Die Lebenswirklichkeit von Frauen in der Arbeitswelt hat nichts mit dem Grundrecht zu tun, wonach Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Es ist wichtig, dass wir endlich die Lücke zwischen dem, was in unserem Grundgesetz verankert ist, gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern, und der Lebenswirklichkeit schließen, damit die Gleichberechtigung endlich in der Realität ankommt.

Wir haben im vergangenen Jahr begonnen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und vor allem die Partnerschaftlichkeit in den Mittelpunkt zu rücken. Der Bundesrat hat dabei geholfen. Ob es das Elterngeld Plus, das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege oder der weitere Kita-Ausbau war – wir sind da wichtige Schritte gemeinsam gegangen.

In diesem Jahr geht es darum, vor allem gleichen Lohn für gleiche Arbeit voranzubringen. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr gemeinsam über ein Entgeltgleichheitsgesetz debattieren. Heute geht es darum, den dritten wichtigen Punkt – mehr Frauen in Führungspositionen – weiter voranzubringen.

Natürlich sieht es eine Frauenministerin gerne, dass es ein Ministerpräsident war, der im Bundesrat länder- und parteiübergreifend sozusagen schon den Boden dafür bereitet hat, dass wir ein solches Gesetz auf den Weg bringen können.

Ich darf Ihnen sagen, dass das Gesetz der Bundesregierung, über das Sie beraten, im positiven Sinne weit über die Vorschläge hinausgeht, die der Bundesrat damals beschlossen hat. Deswegen verstehe ich die Forderungen einzelner Landesregierungen, einzelner Teile von Landesregierungen, dass es mehr sein sollte – 40 Prozent und ein weiterer Kreis von Unternehmen. Aber wir tun schon mehr, als der Bundesrat damals beschlossen hat. Ich glaube, es ist wichtig, endlich anzufangen und nicht immer nur zu sagen: So müsste es sein.

Der Gesetzentwurf sieht bewusst zwei Säulen vor: in der ersten Säule den privatrechtlichen Teil mit einer fixen, starren Quote für über 100 Unternehmen mit den größten Aufsichtsräten, in der zweiten Säule die verbindlichen Zielvorgaben, die sich über 3 500 Unternehmen geben müssen.

Damit haben wir im privatrechtlichen Teil genau den Spagat geschafft, den es zu machen gilt: einerseits eine feste Quote, feste Zielvorgaben vorzusehen, andererseits gerade den mittleren Betrieben die Möglichkeit zu geben, auf Branche und Größe Rücksicht zu nehmen.

Deswegen, glaube ich, sind die Vorschläge von Bayern, nun wieder mehr Ausnahmen zuzulassen, weil die Betriebe mehr Flexibilität bräuchten, nicht richtig; wir haben genau das berücksichtigt. In der zweiten Säule übertragen wir die Vorschriften für die Privatwirtschaft auf den öffentlichen Dienst. Wir sind im öffentlichen Dienst bei dem Thema 'Frauen in Führungspositionen' besser. Das ist aber angesichts der schlechten Zahlen in der deutschen Wirtschaft nicht wirklich schwer.

Deshalb ist es wichtig, dass die Vorgaben für die Privatwirtschaft und für den öffentlichen Bereich gelten. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht nur um die einzelnen Positionen geht, die zukünftig in Aufsichtsräten zu besetzen sind, sondern es geht darüber hinaus darum, dass wir einen Kulturwandel, einen gesellschaftlichen Wandel brauchen, den das Gesetz definitiv anstößt.

Die 30 Prozent sind hier die wichtige Größe. Jede Frau kennt das: Ist sie in einem Gremium die einzige Frau, so hat sie es ein wenig schwerer, als wenn wenigstens drei Frauen an Bord sind. Dann benehmen sich die Männer gelegentlich vernünftiger als sonst. Alle anwesenden ausgenommen: sie werden es sicherlich auch tun, wenn nur eine Frau anwesend ist.

Deshalb ist es wichtig, dass wir zumindest die 30 Prozent als kritische Masse haben; das sieht der Gesetzentwurf vor. Ich finde es sehr erfreulich, dass mit dem Gesetzentwurf die Debatte längst begonnen hat und dass sie auch in Bereiche trägt, die nicht konkret vom Gesetz erfasst werden.

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. Caritas Deutschland sagt: 80 Prozent derjenigen, die bei uns den Job machen, sind Frauen. – Ich glaube, das überrascht nicht. Soziale Arbeit von Kita bis Pflege, wer macht es? Die Frauen! Aber nur 20 Prozent Frauen sind in Führungsgremien. Also dort, wo über Arbeitsbedingungen und Lohnbedingungen der Frauen, die den Job machen, entschieden wird, sitzen wenig Frauen. Deswegen sagt der Präsident der Caritas Deutschland: Das muss sich ändern! Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen.

Allein an diesem Beispiel sehen Sie: Mit dem Gesetz haben wir eine Debatte angestoßen, die weit in die Gesellschaft hineinreicht. Das erhoffe ich mir. Insofern möchte ich mich sehr herzlich für die konstruktiven Beratungen bedanken. Ich hoffe, dass wir in den folgenden Lesungen weiter vorankommen, damit das Gesetz endlich wirkt und wir einen wichtigen Schritt in Richtung auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auch an Führungspositionen machen; denn dies gehört zur Gleichberechtigung.