Berlin Manuela Schwesig bei der 2./3. Lesung des Gesetzentwurfes zum ElterngeldPlus

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Ich bin dem Deutschen Bundestag sehr dankbar für die Feststunde heute zum 25. Jahrestag des Mauerfalls. Frau Katrin Göring-Eckardt hat es bereits gesagt: Gerade wir, die in Ostdeutschland groß geworden sind, fragen uns gelegentlich, was wäre, wenn die Mauer nicht eingerissen worden wäre. – Ich kann für mich sagen: Ich würde heute mit Sicherheit nicht als Bundesfamilienministerin hier stehen können, was ich sehr bedauern würde. Ich hoffe, einige von Ihnen auch.

Ich freue mich sehr, dass ich an diesem Tag die Gelegenheit habe, das wichtige familienpolitische Projekt Elterngeld Plus als ersten Schritt zur Familienarbeitszeit mit Ihnen abschließend zu beraten. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, weil ich schon in den parlamentarischen Beratungen im Ausschuss gespürt habe, dass es über Fraktionsgrenzen hinweg viel Unterstützung gibt. Das ist ein gutes Signal.

Das ist auch ein gutes Signal für die Familien in Deutschland. Im Januar hat mir eine Frau aus Leipzig geschrieben: "Ich würde mich freuen, wenn das Elterngeld Plus für mich greifen würde, weil das ein großer Anreiz wäre, auch in Elternzeit meinen Teilzeitarbeitsplatz zu behalten und nicht ganz auszusteigen."

Im Juli haben bei einer Allensbach-Befragung 67 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren gesagt: "Das Elterngeld Plus ist eine gute Regelung." Heute ist es so weit: Der Bundestag wird das Elterngeld Plus beschließen. Wir schlagen mit dem Elterngeld Plus ein neues Kapitel in der Familienpolitik auf. Wir gehen einen Schritt in Richtung einer modernen Familienpolitik, die berücksichtigt, dass Mütter und Väter Zeit für die Familie, aber auch gleichzeitig Zeit für den Job haben wollen.

Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Wir stärken damit allen jungen Eltern den Rücken, die gemeinsam für ihre Kinder da sein und ihre berufliche Entwicklung dafür nicht aufgeben wollen. Wir bestärken Mütter und Väter darin, mit dem Elterngeld Plus im Rücken früher in den Job zurückzukehren. Wir stärken Mütter und Väter, die Familie und Beruf partnerschaftlich vereinbaren wollen.

Die Frau, die mir im Januar geschrieben hat, ist Managerin für Künstler, ihr Mann Kirchenmusiker. Sie würde gern schon recht früh nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Beruf einsteigen, aber in Teilzeit – nicht zuletzt, weil sie ihre Arbeit auch gut von zu Hause aus machen kann. Mit dem Elterngeld Plus kann sie das tun und trotzdem ihren Elterngeldanspruch ausschöpfen. Denn wer während des Elterngeldbezugs wieder einsteigt und Teilzeit arbeitet, bekommt doppelt so lange Elterngeld Plus. Das ist der erste Vorteil des neuen Gesetzes.

Das Elterngeld Plus kommt den Bedürfnissen von Eltern entgegen, die nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Job einsteigen wollen, aber eben in Teilzeit, um auch Zeit für die Familie zu haben. Wenn auch der Mann wieder in Teilzeit einsteigt oder seine Arbeitszeit reduziert – je nachdem, in welcher Situation er ist –, wenn sich also beide Zeit für das Kind nehmen, aber auch Zeit in den Job investieren, dann gibt es Partnerschaftsboni. Es gibt vier zusätzliche Elterngeld-Plus-Monate, wenn beide während des Elterngeldbezugs Teilzeit arbeiten, und zwar vier für den einen Partner und vier für den anderen Partner.

Der Partnerschaftsbonus ist der zweite Vorteil des Elterngeld Plus. Partnerschaftlichkeit wird belohnt. Mehr Partnerschaftlichkeit – damit ist das Elterngeld Plus ein Schritt hin zu einer Familienarbeitszeit, eine Arbeitszeit für Familien in Deutschland, die beides ermöglicht: Zeit in den Job zu investieren, aber eben auch Zeit für Kinder zu haben. Das wünschen sich Paare. 60 Prozent der Paare mit Kindern unter drei Jahren wünschen sich, dass beide Zeit für die Familie haben und eben auch Zeit für die Kinder. Aber nur 14 Prozent der Paare schaffen es.

In Deutschland haben wir die Situation, dass fast alle Männer Vollzeit arbeiten, aber als Väter die Arbeitszeit gerne ein wenig reduzieren wollen. Und wir haben die Situation, dass die meisten Mütter zwar im Job sind, aber oft nur 19 Stunden arbeiten und gerne mehr arbeiten möchten. Sie wünschen sich ein Modell, in dem sich die Arbeitszeiten angleichen, partnerschaftlich auf Augenhöhe und nicht starr vorgeschrieben in Form einer 30-, 32- oder 35-Stunden-Woche, sondern gemeinsam ausgehandelt. So würde sich die Lücke allmählich schließen. Das wünschen sich die Paare. Das wäre für die Paare und ihr Familieneinkommen gut, aber auch für die Wirtschaft gut; denn bekanntlich ist zweimal 32 mehr als einmal 40. Das haben Fachleute wie der DIHK-Chef Schweitzer erkannt.

Ein weiterer Schritt hin zur Familienarbeitszeit ist das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, über das wir in einer Woche hier im Bundestag beraten. Zur partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört natürlich auch eine gute, ausreichende und bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Mit dem neuen Kitagesetz beteiligt sich der Bund noch mehr am Kitaausbau. Die Kommunen haben gestern bei der Bund-Länder-Konferenz zum Thema frühkindliche Bildung bestätigt, dass die Entwicklung schnell voranschreitet und wir weitere Kitaplätze in Deutschland brauchen, insbesondere Ganztagsplätze. Ich freue mich sehr, dass wir gestern mit den Ländern erstmalig in einem Kommuniqué schriftlich festgehalten haben, dass wir uns auf den Weg machen wollen, gemeinsame Quali-tätsstandards für die Kindertagesbetreuung zu entwickeln. Denn wir brauchen nicht nur eine ausreichende Zahl an Plätzen, sondern auch gute Plätze.

Alleinerziehende profitieren genauso wie Elternpaare. Das ist mir ganz wichtig; denn die Familienformen in Deutschland sind bunt. Wir haben viele Alleinerziehende, die tagtäglich einen harten Job in der Familie machen und gleichzeitig berufstätig sind. Das sind zu 90 Prozent Frauen. Aber auch die 10 Prozent alleinerziehende Männer müssen beachtet werden. Es gibt verschiedene Paarformen, ob nun Ehepaare, Paare ohne Trauschein oder gleichgeschlechtliche Paare. Für alle muss die Familienpolitik da sein. Das kommt im neuen Elterngeld Plus zum Ausdruck. Alleinerziehende profitieren vom neuen Elterngeld Plus genauso wie Familien, egal ob sie gut, durchschnittlich oder wenig verdienen. Alleinerziehende können ebenfalls den Partnerschaftsbonus in Anspruch nehmen. Vier zusätzliche Elterngeld-Plus-Monate – das gilt auch für Alleinerziehende. Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass sie auf meine Bitte hin die Empfehlung der Länder aufgenommen haben, eine Verbesserung für die Alleinerziehenden im parlamentarischen Verfahren zu erreichen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und ein Signal an die Alleinerziehenden in unserem Land. Wir stärken ihnen den Rücken und wollen, dass sie genauso gut von der neuen Familienpolitik profitieren.

Ich bin auch für eine wichtige Ergänzung aus dem parlamentarischen Verfahren dankbar, nämlich für die sogenannte Zustimmungsfiktion. Wenn der Arbeitgeber auf einen Teilzeitantrag in der Elternzeit nicht innerhalb einer bestimmten Frist reagiert, gilt die Zustimmung als erteilt. Das ist gut. Damit haben die Eltern Planungssicherheit. Herzlichen Dank dafür!

Eine weitere Verbesserung, die wir heute schaffen, ist die Flexibilisierung der Elternzeit. Es gibt auch später im Leben eines Kindes, also nach dem dritten Lebensjahr, Phasen, in der die Eltern eine Auszeit brauchen. Das kann zum Beispiel die Zeit der Einschulung sein. Es ist wichtig, dass sich die Eltern auch dann Zeit nehmen können. Deshalb wird es künftig möglich sein, bis zu 24 Monate einer Elternzeit bis zum 8. Lebensjahr des Kindes zu nehmen. Eltern erhalten damit mehr Zeit und mehr Flexibilität bei der Betreuung und der Unterstützung ihrer Kinder, eben dann, wenn es die Familie braucht.

Zum Ausgleich wird den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, bei der Anmeldung des dritten Elternzeitabschnitts dringende betriebliche Gründe ins Feld zu führen. Das zeigt, dass wir versuchen, die Balance zwischen den Notwendigkeiten aufseiten der Arbeitgeber und den Wünschen der Familien zu halten. So lautet mein Wunsch und Appell an alle Arbeitgeber, nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Wissenschaft und des öffentlichen Bereichs: Wir als Politiker können zwar gute Gesetze machen, wir können auch die Familien finanziell gut unterstützen, aber wir brauchen die Bereitschaft der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, auch auf die Situation der Familien Rücksicht zu nehmen! Die Familien in unserem Deutschland haben eine familienfreundliche Arbeitswelt verdient. Sie brauchen diese familienfreundliche Welt. Das Gute daran ist: Beide profitieren, die Familien und die Arbeitgeber.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Wandel der Bedürfnisse junger Eltern, der Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit ist eine Entwicklung, die das Elterngeld mit in Gang gesetzt hat. Die Familienpolitik hält mit dieser Entwicklung Schritt. Mit dem Elterngeld Plus machen wir das Elterngeld moderner, schlagen wir ein neues Kapitel auf. Die neuen Regelungen zum Elterngeld Plus und zu der Elternzeit gelten für alle Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juli 2015 geboren werden. Insofern hoffe ich, dass jetzt einige Paare in Deutschland zuhören und es sich vielleicht überlegen. Es ist jetzt die richtige Zeit.

Ich brauche das nicht zu konkretisieren. Ich glaube, alle wissen, was gemeint ist. Wenn Sie, Herr Weinberg, noch Nachhilfe brauchen, dann rufen Sie das noch einmal in den parlamentarischen Ausschussberatungen auf.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte mich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit im parlamentarischen Verfahren bedanken. Das sage ich an die Adresse der Koalitionsfraktionen, das sage ich aber auch ausdrücklich zu den Oppositionsfraktionen. Ich freue mich auch sehr, dass die Fraktion der Grünen im Ausschuss ebenfalls dafür gestimmt hat. Das ist ein Zeichen dafür, dass man auch über Fraktionsgrenzen hinweg zusammen gute Dinge machen kann, und das ist das, was die Familien in Deutschland brauchen.

Herzlichen Dank.