Namensbeitrag Kinderrechte ins Grundgesetz: Die Zeit ist reif

Nebeneinanderstehende Porträts von Manuela Schwesig und Hannelore Kraft
Manuela Schwesig und Hannelore Kraft© Bundesregierung/Steffen Kugler; Land NRW/M. Hermenau Galerie

Seit 25 Jahren gilt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland. Und seit 25 Jahren diskutieren wir darüber, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Es ist Zeit, dass wir Nägel mit Köpfen machen!

Das Wohl des Kindes muss bei allen staatlichen Entscheidungen, die sie betreffen, maßgeblich berücksichtigt werden. Wir müssen Kinder besser schützen und ihnen ein umfassendes, subjektives Recht auf Beteiligung und auf Berücksichtigung ihrer Meinung geben. Bisher spielen Kinder im Grundgesetz nur eine Nebenrolle. Sie werden zum Beispiel im Zusammenhang mit dem so genannten staatlichen Wächteramt genannt, wenn ihr Wohl gefährdet ist. Als Hauptpersonen treten sie in unserer Verfassung nicht auf. Das müssen wir ändern.

Kinder und Jugendliche sind regelmäßig darauf angewiesen, dass ihre Rechte durch andere wahrgenommen werden. In erster Linie sind dies die Eltern. Gleichzeitig haben Staat und Gesellschaft einen Schutzauftrag für ein gutes und unversehrtes Aufwachsen. Auch bei großen politischen Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Interessen betreffen, können sie nicht direkt mitentscheiden. Im Bund haben sie erst ab 18 Jahren ein Wahlrecht, in Nordrhein-Westfalen auf kommunaler Ebene immerhin schon ab 16. Die Diskussion über eine Absenkung des Wahlalters ist wichtig und richtig, aber sie geht nicht weit genug. Wir müssen die Rechte von Kindern und Jugendlichen bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, stärker berücksichtigen. Wir müssen sie schützen gegen Gewalt und Vernachlässigung. Wir müssen sie fördern und beteiligen.

Das wird gerade dann wichtig, wenn ihren Rechten andere Interessen entgegenstehen. "Kinderrechte ins Grundgesetz" ist eine Verbesserung, die sich ganz konkret auf den Kinderschutz auswirken würde. Eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz würde den Schutz von Kindern vor wiederholten Misshandlungen stärken. Um den Schutz der Rechte von Kindern geht es auch, wenn ein Spielplatz hinter hohen Mauern versteckt wird, weil sich Anwohner über den Lärm beschweren oder Angst haben, dass ihre Eigentumswohnungen an Wert verlieren. Oder wenn für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr wichtige Zebrastreifen, Ampeln und Tempolimits zur Diskussion stehen, weil sie den Verkehrsfluss behindern könnten.

Auch im Internet stehen die Interessen der Unternehmen an den Daten den Rechten junger Menschen auf Teilhabe und Schutz gegenüber. In all solchen Fällen zeigt sich der Stellenwert der Rechte und des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft. Bei allen staatlichen Entscheidungen, bei denen ein Ausgleich zwischen den Interessen von Erwachsenen und Kindern erfolgt, müssen wir, die Verantwortlichen, ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Kindern legen. Damit das immer passiert, brauchen wir einen umfassenden Ansatz, der Kinder, Eltern und Familien tatsächlich und nicht nur symbolisch stärkt. Wir müssen den Kinderrechten endlich dort ein Zuhause geben, wo sie hingehören: bei den Grundrechten im Grundgesetz. Das geht zu Gunsten und nicht, wie teilweise befürchtet, zu Lasten der Eltern und Familien.

Die Länder haben diesen Schritt wiederholt vom Bund gefordert, zuletzt mit einem einstimmigen Beschluss der Justizministerinnen und Justizminister am 17. November 2016. Der Koalitionsvertrag sieht auf Bundesebene ausdrücklich die konsequente und vollständige Umsetzung der Kinderrechtskonvention vor. 79 Prozent der Erwachsenen wollen, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden.

Unser gemeinsamer Vorschlag ist ein neuer Absatz in Artikel 6 des Grundgesetzes:

"Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte und das Wohl des Kindes und trägt Sorge für kindgerechte Lebensbedingungen. Bei allem staatlichen Handeln, das Kinder betrifft, ist das Wohl des Kindes maßgeblich zu berücksichtigen. Jedes Kind hat vor einer staatlichen Entscheidung, die seine Rechte betrifft, bei der zuständigen Stelle einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife."

Wir haben eine gute Chance, mit einem breiten Bündnis die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Die Zeit ist reif für die Rechte der Kinder!

Bundesjugendministerin Manuela Schwesig & Ministerpräsidentin Hannelore Kraft