Berlin Bundesministerin Manuela Schwesig beim gemeinsamen Treffen der Arbeitsgruppen der Demografiestrategie

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Kollege Storm,
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Gottstein,
Sehr geehrte Herren Staatssekretäre,
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Sehr geehrter Herr Freese,
Sehr geehrte Frau von Lützau-Hohlbein,.
Sehr geehrte Frau Dewald-Koch, vielen Dank, dass Sie so kurzfristig für Frau Ministerin Alt einspringen konnten, die leider erkrankt ist,Sehr geehrte Damen und Herren,

I.

Herzlich willkommen im Bundesfamilienministerium!

Viele von Ihnen haben bereits in der letzten Legislatur in den Arbeitsgruppen der Demografiestrategie mitgemacht. Sie haben wichtige Arbeit geleistet. Darauf können wir aufbauen.
Es ist ein bisschen wie ein neues Schuljahr nach den Sommerferien: Alle sind wieder da, alle sind versetzt worden. Es geht wieder los.

Aber es gibt auch einige neue Gesichter, neue Themen, neue Fächer, neue Schulbücher. Es gibt eine neue Arbeitsgruppe "Jugend gestaltet Zukunft". Die Jugend hat gefehlt in der Demografiestrategie. Das geht überhaupt nicht.

Ich möchte also durchaus ein bisschen frischen Wind in die Demografiestrategie bringen. Aber, und an dieser Stelle endet die Parallele: Ich bin nicht die neue Lehrerin. Wir sind alle miteinander Gestaltungspartner.

II.

Mein Eindruck vom demografischen Wandel hat viel mit meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern zu tun. Dort spürt man die Veränderungen schon deutlich. Als ehemalige Sozialministerin weiß ich, wie sich besonders in ländlichen, strukturschwachen Regionen Gemeinden und Städte durch den Wegzug junger Menschen verändern.

Ich habe gesehen, welche Auswirkungen eine rückläufige Einwohnerzahl hat. Etwa, wenn es im eigenen Ort keinen Arzt mehr gibt und der nächste Supermarkt kilometerweit entfernt ist.

Ich habe aber auch ermutigende Eindrücke bekommen. Junge Leute wandern ab, aber junge Leute kommen mittlerweile auch wieder zurück. Nicht zuletzt, weil das Land innovative Konzepte umsetzt, die die Rückkehr nach  Mecklenburg-Vorpommern attraktiv machen.

Besonders für Familien sind manche ländlichen Regionen sehr attraktiv. Oder ein Beispiel aus der Wirtschaft: Ein Unternehmer, der vor der Wende in den Westen gegangen war, kommt zurück in seinen Heimatort. Er hat die ganze Zeit Kontakt mit seiner Familie gehalten, die immer noch dort lebt.

Jetzt nutzt er die Standortvorteile dieses Orts und hat dort eine Firma für skandinavische Fertighäuser aufgebaut.

Und wenn man in Schwerin eine Stadtführung mitmacht, erfährt man unter anderem, dass sich die Stadt ganz ausdrücklich als Ort präsentiert, in dem man gut leben und auch gut alt werden kann, wenn einem Berlin oder Hamburg zu groß und zu laut sind. So wie ich meine Erfahrungen und Eindrücke bringe, bringen auch Sie Ihre jeweiligen Perspektiven ein.

Die Demografiestrategie der Bundesregierung ist ein Prozess, in dem wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Partnerschaftlich und gestaltend. Wir wollen nicht nur miteinander reden, sondern wir wollen zu einem gemeinsamen Handeln kommen.

Das Bundesfamilienministerium hat in vier Arbeitsgruppen der Demografiestrategie die Federführung. Die vier Arbeitsgruppen

  • Gute Partnerschaften für starke Familien
  • Jugend gestaltet Zukunft
  • Selbstbestimmtes Leben im Alter und:
  • Allianz für Menschen mit Demenz

sind der zentrale gesellschaftspolitische Teil der Demografiestrategie.

Ich sehe eine große Chance darin, in den Arbeitsgruppen mehr noch als in der letzten Legislatur das Verbindende zwischen Alt und Jung deutlich zu machen.

Ein Beispiel, das viele von Ihnen kennen werden: Barrierefreies Bauen macht Wege frei für Menschen im Rollstuhl und im Rollator. Aber auch für Familien mit Kinderwagen.

Wenn es gelingt, das stärker zusammenzudenken, wäre auch das etwas Neues in der Demografiestrategie.

III.

Familien stehen in besonderer Weise im Zentrum der demografischen Veränderungen. Besonders die sogenannte "Sandwich-Generation"  steht unter dem Druck Leistung im Beruf zu erbringen, Zeit für die Familie und immer häufiger auch für die Pflege von Angehörigen zu haben. Mein Ziel ist es, Wege zu finden, wie Familien bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützt werden können. Mütter und Väter haben heute andere Vorstellungen und Wünsche, wie sie Familie und Beruf vereinbaren wollen. Eine große Mehrheit findet, dass Frau und Mann für das Einkommen in der Familie sorgen und sich beide um die Kinder kümmern sollen.

Vor allem die Arbeitsbedingungen entscheiden darüber, welche Gestaltungsmöglichkeiten Mütter und Väter in Sachen Partnerschaftlichkeit haben. Es geht um flexible Arbeitszeiten, um berufliche Entwicklungschancen, und um gute Arbeit und gute Entlohnung für Frauen und Männer. Mütter und Väter wollen Zeit für Familie haben und gleichzeitig ihre beruflichen Ziele verfolgen können - ohne, dass ein Bereich zu kurz kommt oder ein Partner alles allein macht.

Mein Ziel ist deshalb eine Familienarbeitszeit, mit der Mütter und Väter ihre Arbeitszeit für eine Weile reduzieren können. Wir gehen erste Schritte auf diesem Weg mit dem ElterngeldPlus und dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf, die beide im Bundestag beraten werden.

Partnerschaftlichkeit und partnerschaftliche Vereinbarkeit stehen auch im Fokus der Arbeitsgruppe Familie, die sich heute Nachmittag mit dem Titel "Gute Partnerschaften für starke Familien" konstituieren wird. Die Arbeitsgruppe wird vor allem die finanziellen, infrastrukturellen und zeitlichen Bedingungen für partnerschaftliche Vereinbarkeit in den Blick nehmen.

IV.

Die neue Arbeitsgruppe "Jugend gestaltet Zukunft" wird heute zum ersten Mal zusammentreten. Das freut mich ganz besonders.

Denn diese Generation wird in 20, 30 Jahren die Auswirkungen des demografischen Wandels noch stärker erfahren als wir heute. Demografiepolitik ohne die Jugendlichen geht nicht. Wichtigstes Element der Arbeitsgruppenarbeit wird deshalb die aktive Jugendbeteiligung. Wir müssen wissen, was Jugendliche denken, was sie bewegt, wie sie sich Zukunft vorstellen, damit wir gute Politik machen können.

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe lassen sich dabei auf einen offenen Dialog mit Jugendlichen ein. In der ersten Arbeitsphase wollen wir uns der Situation von jungen Menschen im ländlichen Raum widmen. Ziel ist es, auch Handlungsansätze vor Ort zu erproben und damit "jugendgerechte Kommunen im ländlichen Raum" zu schaffen.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der AG Jugend und verspreche Ihnen, dass sie in meiner eigenständigen Jugendpolitik eine wichtige Rolle spielen werden.

V.

Die Arbeitsgruppe "Selbstbestimmtes Leben im Alter" hat bereits am 30. September getagt - schön, dass so viele von Ihnen heute erneut kommen konnten!

Diese Arbeitsgruppe hat in der letzten Legislatur ein Strategisches Konzept – Selbstbestimmt altern" erarbeitet. Was dort an Zielen formuliert wurde, leitet die weitere Arbeit.

Jetzt steht die konkrete Umsetzung auf der lokalen Ebene, im Quartier und in der Kommune, an. Die Arbeitsgruppe hat sich vorgenommen, eine Art "Baukasten" mit zu entwickeln, mit dessen Hilfe Initiativen und Kommunen praxisnahe Unterstützung erhalten.

Und wir wollen die Tatsache, dass hier eine ganze Reihe von Bundesressorts als Gestaltungspartner mitarbeiten, auch dazu nutzen, Programme auf Bundesebene besser miteinander zu vernetzen.

Allein das Bundesfamilienministerium bringt eine Reihe von Programmen ein, die auf die Gestaltung des Sozialraums ausgelegt sind. Die Mehrgenerationenhäuser, die Anlaufstellen für ältere Menschen oder - im Jugendbereich - das Programm "Jugend stärken im Quartier", das wir in Zusammenarbeit mit dem Bau- und Umweltministerium noch in diesem Jahr starten.

VI.

Und die Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz. Ein soziales Miteinander, an dem auch demenzkranke Menschen teilhaben - das wollen wir mit Leben erfüllen und anschaulich machen.

Der Bundestag hat gerade das Pflegestärkungsgesetz beschlossen, mit dem die Leistungen für demenzerkrankte Menschen deutlich ausgeweitet werden. Das Gesetz zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf verbessert die Möglichkeiten für die Angehörigen.

Mit der Allianz für Menschen mit Demenz auf Bundesebene und den Lokalen Allianzen spannen wir den Rahmen weiter und vernetzen die Hilfen, die es gibt.

Am 15. September 2014 haben Bundesgesundheitsminister Gröhe und ich die Agenda "Gemeinsam für Menschen mit Demenz" unterzeichnet. Diese Agenda enthält Zielvereinbarungen in vier Handlungsfeldern, die mit ganz konkreten Maßnahmen und Zeitplänen hinterlegt sind.

Die Gestaltungspartner haben sich verpflichtet, ihre Beiträge in eigener Verantwortung umzusetzen. Bei der weiteren Arbeit der Arbeitsgruppe wird es nun darum gehen, die Umsetzung zu begleiten und für auftretende Hemmnisse gute Lösungen zu finden.

Ich bin optimistisch, dass dies gelingen wird, und freue mich auf unsere Zusammenarbeit!

VII.

Sehr geehrte Damen und Herren, der demografische Wandel verlangt unterschiedliche Antworten für unterschiedliche Phasen des Lebens. Das Ziel ist jedoch in jeder Arbeitsgruppe gleich:
Wir wollen die Chancen, die der demografische Wandel mit sich bringt, nutzen. Wir wollen den Wandel aktiv gestalten.

Und wir sehen darin die Chance, mehr Lebensqualität für alle Generationen zu erreichen.

Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, dass wir unseren gemeinsamen Arbeitsprozess unter dieses Leitbild stellen und eine gemeinsame Agenda erarbeiten.

Schwerpunkt der Agenda für alle Generationen soll es erstens sein, gleichberechtigte Teilhabechancen und das Miteinander vor Ort zu stärken.

Und zweitens: Mehr Zeit. Mehr Zeit für Familie, für Pflege und für den Beruf. Durch partnerschaftliche Vereinbarkeit. Demografiestrategie - das heißt Alt mit Jung. Familie und Beruf. Kommunen mit der Zivilgesellschaft. Gemeinsam. Partnerschaftlich.

Ich sehe diese Agenda mit der Betonung auf Teilhabe und Partnerschaftlichkeit auch als Rahmen für meine Politik für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Ich möchte nachhaltige, demografiefeste Politik machen. Dabei kann die Agenda helfen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen als Gestaltungspartner.

Denn nur gemeinsam können wir entscheiden, wie wir in Zukunft leben wollen. Und nur gemeinsam können wir es umsetzen!