Berlin Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vor dem Deutschen Bundestag zum Haushalt 2016

Manuela Schwesig im Deutschen Bundestag
Manuela Schwesig im Deutschen Bundestag

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die gute Nachricht des Haushaltsentwurfs für 2016, der Ihnen vorliegt, ist: Noch nie hat der Bund so viel Geld für Familien, Kinder und Jugendliche bereitgestellt.

Das zeigt sich im Etat meines Hauses; viele Mittelzuwächse und verbesserte Leistungen spiegeln sich aber auch im Etat des Bundesfinanzministers wider. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn Sie an die Steuerentlastung für die Alleinerziehenden denken.

Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass das Geld, das wir für Familien und Kinder in unserem Land bereitstellen, für alle Familien da ist, für die Familien mit Kindern, die in unserem Land leben, und für die Familien mit Kindern, die in unser Land kommen. Dieses Geld ist eine gute Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes; denn die Familien sichern die Zukunft unseres Landes.

Wir haben den Etat um 647 Millionen Euro, also um über eine halbe Milliarde Euro, angehoben und dabei drei wichtige Schwerpunkte gesetzt: für mehr Zeit für Familien, für eine gute Betreuungsinfrastruktur und für Geld für Familien. Das ist der Dreiklang einer modernen Familienpolitik. Das ist wichtig für Familien. Nicht eine Leistung allein hilft Familien, sondern dieses Zusammenspiel.

Es ist gut, dass wir wieder mehr Mittel für das Elterngeld zur Verfügung stellen; denn das Elterngeld ist eine Erfolgsgeschichte und wird es bleiben. Das Elterngeld sichert Familien mit kleinen Kindern Zeit füreinander. Ich möchte, dass Mütter und Väter in unserem Land ihre Elternzeit nutzen und in dieser Zeit das Elterngeld oder das neue Elterngeld Plus beziehen können. Das ist wichtig.

Die Aufwendungen für das Elterngeld steigen jedes Jahr, weil wir mehr Eltern haben, die vorher berufstätig waren, weil wir endlich mehr Geburten haben und weil immer mehr Väter Elternzeit nehmen oder nehmen werden. Das ist eine gute Nachricht. Das sind keine unnöti­gen Kosten; vielmehr entstehen diese Kosten, weil Familienpolitik erfolgreich ist.

Deshalb darf das Elterngeld nicht immer wieder infrage gestellt werden. Auch dürfen in den Haushaltsberatungen nicht immer wieder Forderungen kommen, das Elterngeld zu deckeln; denn Familien brauchen Verlässlichkeit.

Bundesfinanzminister Schäuble hat in seiner Einbringungsrede völlig zu Recht davon gesprochen, dass der Erfolg von Politik auf Vertrauen basiert. Das gilt auch für die Familienpolitik: Familien müssen sich in unserem Land darauf verlassen können, dass die Leistungen, die wir versprochen haben, für sie erhalten bleiben. Das gilt für das Elterngeld, und das gilt auch für den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz.

Wir erhöhen mit dem vorliegenden Haushalt das Sondervermögen für den Kitaausbau um 230 Millionen Euro, weil wir mehr Plätze brauchen. In einem anderen Etat wird veranschlagt, dass wir 100 Millionen Euro für ein Sonderprogramm zur Verfügung stellen.

Wir wollen die Randzeitenbetreuung in Kitas ausweiten. Damit sind Zeiten gemeint, die nach 16 Uhr liegen, weil es für berufstätige Mütter und Väter, insbesondere für alleinerziehende Frauen aus Branchen wie der Pflege und der Medizin, wichtig ist, wenn sie einem Job nach­gehen wollen. Dafür brauchen sie einen Kitaplatz. Das ist auch die beste Vorbeugung gegen Kinderarmut; denn nur wenn Eltern arbeiten gehen können, einen guten Job machen und gut bezahlt werden, können wir den Kampf gegen Kinderarmut und Elternarmut bestehen.

Eltern brauchen auch eine finanzielle Unterstützung. Wir heben das Kindergeld auf 190 Euro an. Davon profitieren 17 Millionen Kinder. Allein 1 Million Kinder schützen wir durch das Kindergeld vor der Armutsfalle. Das ist eine wichtige Leistung.

Wir heben zum 1. Januar 2016 aber auch den Kinderzuschlag an, und zwar um 20 Euro im Monat. Gerade die Eltern, die jeden Tag arbeiten gehen, aber in Branchen arbeiten, in denen sie trotz Mindestlohns wenig Geld verdienen, Geld, das zusammen mit dem Kindergeld kaum ausreicht, um im Monat klarzukommen, bei denen selten ein Ausflug drin ist, geschweige denn Urlaub, diese Eltern, die so fleißig und ihren Kindern ein Vorbild sind, müssen wir besser unterstützen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir den Kinderzuschlag nach vielen Jahren endlich anheben. Das ist ein wichtiger Beitrag gegen Kinderarmut.

Auch durch die Anhebung des Entlastungsbetrags für die Alleinerziehenden in diesem, aber auch im nächsten Jahr setzen wir ein wichtiges Zeichen, nämlich das Zeichen, dass für uns Familie da ist, wo Kinder sind: Eltern, die verheiratet sind oder nicht, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien, aber gerade auch alleinerziehende Frauen und Männer, die jeden Tag arbeiten und gleichzeitig für ihre Kinder da sind. Jeder von uns, der Beruf und Familie vereinbart, weiß, wie schwierig das ist, selbst wenn man auf eine gute Partnerschaft setzen kann. Wer das allein managt, der hat meinen Respekt. Es wurde Zeit, dass wir die Alleinerziehenden nach zehn Jahren endlich steuerlich entlasten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Haushalt, der Ihnen vorliegt, wird in den Beratungen sicherlich auch deshalb noch diskutiert, weil uns ein Thema seit Wochen und Monaten mehr bewegt als zu der Zeit, als die Haushaltsberatungen der Bundesregierung stattfanden: Viele Flüchtlinge kommen zu uns nach Deutschland. Die Schicksale der Flüchtlinge, insbesondere der Familien mit Kindern, die Herausforderungen und die überwältigende Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land – die Bundesregierung reagiert darauf. Auch das wird sich im Haushalt des Bundesfamilienministeriums wiederfinden müssen.

Wir, die wir diesen Fachbereich gemeinsam vertreten, loben seit langem das ehrenamtliche Engagement. Aber seien wir einmal ehrlich: Es wurde in den letzten Jahren oft nicht genügend beachtet, auch in der Öffentlichkeit nicht. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass jetzt viele sehen, wie wichtig ehrenamtliches Engagement in unserem Land ist, in der Flüchtlingsarbeit, aber nicht nur dort. Daher ist es wichtig, dass wir auch durch unser Haus das ehrenamtliche Engagement unterstützen.

Das zeigt sich darin, dass es uns nach Jahren endlich gelungen ist, eine Sicherung der Mehrgenerationenhäuser zu erreichen. Wir haben im Haushalt 2016 die Mehrgenerationenhäuser abgesichert und eine Möglichkeit gefunden, dieses Geld zu verstetigen. An dieser Stelle herzlichen Dank Ihnen allen, die sich für die Mehrgenerationenhäuser engagiert haben.

Wir werden den Bundesfreiwilligendienst um 10.000 Plätze aufstocken. Wir schaffen damit gezielt neue Plätze, um den Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingsarbeit einzusetzen, um das freiwillige Engagement, das vor Ort da ist, zu unterstützen. Wir wollen, dass sich in diesem Bundesfreiwilligendienst Leute, die hier schon leben, für Flüchtlinge engagieren. Wir wollen aber auch, dass Flüchtlinge, die anerkannt sind und eine Arbeitserlaubnis haben, Freiwilligendienst machen können. Denn auch Flüchtlinge bringen Potenziale mit. Auch ihre Möglichkeiten, ihre Hilfsbereitschaft sollten wir nutzen. Deshalb wird es ein Bundesfreiwilligendienst sein, der auch der Integration dienen wird.

Um Engagement, Begegnungen mit Flüchtlingen, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen, geht es auch bei der "Aktion Zusammenspiel", die im Rahmen des neuen Bundesprogrammes "Willkommen bei Freunden" stattfinden wird; dies wird durch unser Haus finanziert. Diese Aktion wird vom 11. bis 20. September stattfinden. Wir machen überall Aktionen gemeinsam mit jungen Flüchtlingskindern. Ich werbe dafür, dass Sie sich in Ihren Wahlkreisen daran beteiligen. Unterbringung, Versorgung und Integration sind das eine, aber Menschen finden erst dann hier eine neue Heimat, wenn sie mit Einheimischen zusammenkommen. Das ist ein Gewinn für diejenigen, die zu uns kommen, aber auch ein Gewinn für uns. Deswegen wollen wir mit dem Programm "Willkommen bei Freunden" diese Begegnungen unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in diesen Tagen wird viel davon gesprochen, dass Integration wichtig ist. Und das stimmt. Ich warne davor, dass wir nicht wieder die Fehler machen, die vielleicht in den 60er- und 70er-Jahren passiert sind, als man sich vor allem auf die Arbeitsmarktintegration insbesondere der Männer konzentriert hat und nicht so sehr die Frauen und Kinder im Blick hatte. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Integration nicht erst am Arbeitsmarkt beginnt. Sie beginnt ganz früh; sie beginnt bei den Kindern. Es ist wichtig, dass die Kinder der Flüchtlinge, die zu uns kommen, eine Kita besuchen können, in die Schule gehen und dort die Sprache lernen, aber vor allem Freunde finden. Das ist ganz wichtig. Das ist der Schlüssel für Integration.

Deswegen kommen in diesem Bereich neue Herausforderungen auf uns zu. Wir werden mehr Plätze in Kitas brauchen, auch für die Flüchtlingskinder. Wir werden mehr Plätze brauchen, weil wir endlich seit zehn Jahren mehr Geburten haben. Notwendig sind eine gute Qualität, mehr Erzieher und Sprachförderung. Das ist eine große Herausforderung. Deshalb werden wir uns diesen Punkt noch einmal genau anschauen müssen.

Eine Sache ist mir dabei wichtig. Ich finde es falsch, die Kosten danach einzuteilen: Das brauchen wir für die Flüchtlingskinder, und das brauchen wir für die anderen Kinder. Für mich gehören die Kinder zusammen. Es ist mir egal, ob sie hier geboren oder zu uns gekom­men sind. Wichtig ist, dass sie alle die gleichen Bildungschancen haben.

Zum Abschluss: Es hat sich etwas verändert, seit dieser Haushaltsentwurf aufgestellt wurde. Ich meine die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt hat. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir die größtmögliche Vertrauensschutzregelung bekommen, das heißt, alle Eltern, die bisher Betreuungsgeld bekommen beziehungsweise einen positiven Bescheid haben, erhalten es bis zum Ende der vorgesehenen Bezugszeit. Das ist eine Frage des Vertrauens auf eine Leistung. Nun muss sich die Politik darüber Gedanken machen – sie hat ja eine Leistung versprochen, die es nicht mehr geben kann –, was sie ab 2016, 2017 mit den frei werdenden Mitteln macht. Über diese Entscheidung muss noch in der Koalition diskutiert werden.

Ich werbe angesichts der Herausforderungen für die Familien, die ich Ihnen skizziert habe, dafür, dass wir dafür sorgen, dass diese Gelder, auf welchem Weg und über welche Technik auch immer, weiter bereitstehen, und dass wir weiter die Familien unterstützen. Bei den Fragen, wie wir mehr Zeit für Familien, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gute Kitas ermöglichen können, aber auch bei den Geldleistungen für die Familien geht es nicht um ein Wunschkonzert; es geht um notwendige Unterstützung.

Die Familien sind die Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Männer und Frauen, die jeden Tag arbeiten gehen, die sich gleichzeitig für Kinder entscheiden, haben dafür gesorgt, dass wir ein Steuerplus haben. Sie sind diejenigen, die zu den 43 Millionen Erwerbstätigen gehören, die Bundesfinanzminister Schäuble sehr positiv erwähnt hat. Deswegen brauchen sie unsere Unterstützung. Dafür werbe ich um Ihre Unterstützung.