Passauer Neue Presse Manuela Schwesig: Mehr Zeit für die Familie und für den Beruf

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Interview

Passauer Neue Presse: Mit Ihrer Forderung nach einer 32-Stunden-Woche für Eltern mit kleinen Kindern haben Sie Anfang des Jahres nicht nur Kanzlerin Angela Merkel gegen sich aufgebracht - seitdem ist es ruhiger geworden um Sie. Warum eigentlich?

Manuela Schwesig: Es ist nicht wirklich ruhiger geworden. Geändert hat sich aber, dass jetzt sehr viel sachlicher über meinen Vorschlag einer Familienarbeitszeit gesprochen wird. Ich habe die letzten Monate genutzt, um Überzeugungsarbeit zu leisten - auch bei den Arbeitgebern und den Gewerkschaften. Und wie Sie sehen, wird meine Idee der Familienarbeitszeit von Wirtschaftsvertretern wie DIHK-Chef Erik Schweitzer und auch von Gewerkschaften wie dem DGB unterstützt.

Passauer Neue Presse: Und wann kommt die 32-Stunden-Woche?

Manuela Schwesig: Wir gehen jetzt den ersten konkreten Schritt in diese Richtung. Ich freue mich sehr, dass das Bundeskabinett heute das ElterngeldPlus auf den Weg bringen wird. Es soll im Sommer 2015 in Kraft treten. Wir sorgen dafür, dass Eltern mit kleinen Kindern Zeit für die Familie und Zeit für den Job besser miteinander kombinieren können.

Passauer Neue Presse: Die Bedingungen für das ElterngeldPlus sind nicht unkompliziert. Kurz zusammengefasst: Worauf können sich Mütter und Väter einstellen?

Manuela Schwesig: Mit dem neuen ElterngeldPlus werden die Eltern, die Kind und Beruf gemeinsam managen, länger gefördert. Bisher ist es so: Wenn Sie nach der Geburt eines Kindes eine berufliche Auszeit nehmen wollen, erhalten sie Elterngeld. Wenn Mütter oder Väter heute während der Zeit des Elterngeldbezugs in Teilzeit in den Job einsteigen, haben sie einen Nachteil, denn sie verlieren mit der Rückkehr ins Berufsleben einen Teil ihres Elterngeldanspruchs. Mit dem ElterngeldPlus wird das verändert. Neu ist jetzt, dass Eltern bei reduzierter Stundenzahl im Job doppelt so lange Elterngeld beziehen können. Ich will den schnellen Wiedereinstieg gerade von Frauen in den Beruf unterstützen - aber so, dass auch noch Zeit für die Kinder bleibt. Wenn Eltern sich die Aufgabe der Betreuung partnerschaftlich teilen und beide nach der Babypause Teilzeit arbeiten, bekommen sie zusätzlich einen Bonus von bis zu vier zusätzlichen Elterngeld-Monaten. Wir wissen aus Umfragen, dass junge Paare sich dieses Modell wünschen.

Passauer Neue Presse: Mit dem Betreuungsgeld fördert der Staat Eltern, die zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben. Jetzt soll es für Väter und Mütter plötzlich länger Elterngeld geben, wenn sie schnell wieder arbeiten gehen. Ist das kein Widerspruch?

Manuela Schwesig: Mit dem ElterngeldPlus fördere ich beides: mehr Zeit für die Familie zu haben und auch für den Beruf. Das Betreuungsgeld ist ja nicht meine Erfindung gewesen, sondern die der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Ich will eine moderne Familienpolitik. Und deshalb kämpfe ich mit dem ElterngeldPlus für mehr Partnerschaftlichkeit und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Passauer Neue Presse: Kritiker monieren, das ElterngeldPlus sei allein etwas für Gutverdiener, weil Geringverdiener gezwungen sind, schneller wieder in Vollzeit-Beschäftigung zurückzukehren. Was entgegnen Sie?

Manuela Schwesig: Das Argument ist schlicht und einfach falsch. Geringverdiener können es sich häufig nicht leisten, zwölf Monate oder mehr voll auszusteigen. Künftig haben sie die Chance, sich besserzustellen, indem sie Teilzeitarbeit und ElterngeldPlus kombinieren.

Passauer Neue Presse: Sie wollen auch an die Elternzeit heran. Väter und Mütter sollen künftig berufliche Auszeiten flexibler planen können - auch ohne Zustimmung des Chefs. Wie viel Verständnis haben Sie für Arbeitgeber, die das als übermäßige Belastung empfinden?

Manuela Schwesig: Ich nehme diese Einwände ernst und bin den Arbeitgebern auch entgegengekommen: Beschäftigte müssen ihre Elternzeit künftig mit 13 statt sieben Wochen Vorlauf anmelden. Aber es bleibt dabei, dass Angestellte auch ohne Zustimmung ihres Chefs ihre Elternzeit planen können. In Sonntagsreden wird immer betont, wie wichtig Familien und Kinder für Deutschland sind. Und es kann nicht angehen, dass alle herummeckern, sobald konkret etwas für sie verbessert werden soll.

Passauer Neue Presse: Der Bund hat den Ländern gerade zusätzlich sechs Milliarden Euro für Bildung zugesagt, unter anderem für Kindertagesstätten. Wo bleibt die große Kita-Qualitätsoffensive?

Manuela Schwesig: Wir sind mit dem Kita-Ausbau noch nicht am Ende. Der Bedarf steigt. Deshalb stellen wir als Bund auch zusätzliche Mittel zur Verfügung. Wir müssen aber auch in mehr Qualität investieren. Mit der Entlastung der Länder von den Bafög-Kosten entstehen vor Ort Spielräume. Niedersachsen geht jetzt voran und will mit zusätzlichem Fachpersonal die Qualität der Krippen verbessern. Ich wünsche mir, dass dieses Beispiel Schule macht.

Passauer Neue Presse: Sollte es nicht einheitliche Standards für Qualität und Personalschlüssel in Kindertagesstätten geben?

Manuela Schwesig: Ich werde mich in diesem Jahr zu einer Konferenz mit den Länder-Familienministern treffen. Da wird es um die Frage der Qualität gehen. Verbesserungen gehen nur gemeinsam mit den Ländern.

Passauer Neue Presse: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Vereinbarkeit von Familie und Dienst bei der Bundeswehr verbessern. Mehr als nur ein Lippenbekenntnis?

Manuela Schwesig: Es ist höchste Zeit, die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen. Auch die Soldaten haben Familien. Männer und Frauen, die für uns den Kopf hinhalten, müssen besser dabei unterstützt werden, ihren Dienst mit Verantwortung für Kinder zu verbinden. Es ärgert mich, welchen Spott es über Frau von der Leyen und ihre Pläne für eine familienfreundlichere Bundeswehr gibt. Das zeigt, dass das Thema der Vereinbarkeit leider noch nicht von allen ernst genommen wird.

Passauer Neue Presse: Unabhängig davon: Sind Kitas auf dem Kasernengelände wirklich ein gutes Umfeld für Kinder?

Manuela Schwesig: Es muss ja nicht gleich ein Panzer auf dem Gelände der Kita stehen! Aber wenn es eine gute Einrichtung mit eigener Außenfläche ist, spricht doch nichts gegen eine Kindertagesstätte bei einer Kaserne.