Kristina Schröder im Interview mit "Die Zeit"

Kristina Schröder spricht im Interview mit "Die Zeit" über gesetzliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen.

ZEIT: Frau Schröder, die Quoten-Debatte tobt seit Wochen, da wollen wir noch mal wissen: Was genau können Frauen besser als Männer?

Kristina Schröder: Also, wenn Sie so grundsätzlich fragen, fange ich noch weiter vorne an: Frauen sind nun mal anders als Männer.

ZEIT: Was keine große Erkenntnis ist.

Kristina Schröder: Schön, dass Sie das auch so sehen, diese einfache Erkenntnis wurde nämlich oft kritisiert. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen können sich ja durchaus positiv auswirken, zum Beispiel für die Unternehmenskultur. Frauen führen anders, sind meist konsensorientierter und arbeiten, das zeigt der Berufsalltag, oft effizienter. Das sehe ich immer wieder in Parteisitzungen, in denen viele Frauen mitdiskutieren: Wenn da im Kalender 16 bis 18 Uhr steht, dann ist um 18 Uhr wirklich Schluss! Trotzdem ist alles Wichtige besprochen - und am Ende steht ein Ergebnis.

ZEIT: Was können Männer besser?

Kristina Schröder: Netzwerke pflegen. Das private Zusammensein - beim Bier bis ein Uhr nachts - in berufliche Vorteile ummünzen.

ZEIT: Hätte es mit mehr Frauen in der Wirtschaft die Finanzmarktkrise oder die Siemens-Bestechungsaffäre nicht gegeben? Haben Männer eine größere kriminelle Energie?

Kristina Schröder: Nein, wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht haben sie eine größere Risikoaffinität.

ZEIT: Können wir hinter dieser weiblich-zurückhaltenden Wortwahl die Aussage vermuten: Sie wollen Chefinnen nicht nur, weil es gut für die Frauen wäre, sondern für die Unternehmen?

Kristina Schröder: Die Förderung von Frauen ist keine Wohltat, sondern ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, die das nicht rechtzeitig erkennen, früher oder später am Markt bestraft werden. Allerdings halte ich wenig davon, wenn Politiker so tun, als seien sie die besseren Unternehmer...

ZEIT: ...und deshalb haben Sie, statt eine feste Frauenquote einzuführen, die Flexi-Quote erfunden, mit der die Unternehmen, wenn überhaupt, in sieben Jahren Konsequenzen für Nichthandeln zu erwarten haben. Frau Ministerin, Sie machen Politik für nur eine Generation - Ihre eigene, für Frauen um die 30. Für die älteren kommt sie zu spät.

Kristina Schröder: Nein, die Flexi-Quote soll 2013 kommen, in diesem Jahr werden viele Aufsichtsräte neu besetzt. Wir müssen den Unternehmen schon eine realistische Chance geben, den Wandel einzuleiten. Wenn das in den nächsten zwei Jahren nicht funktioniert, müssen wir den Druck erhöhen.

ZEIT: Vielleicht ändert sich etwas, aber bestimmt nicht wegen Ihres Gesetzes. Wenn ein Unternehmen nichts von Frauen in Spitzenjobs hält, verspricht es eben einen Frauenanteil von zwei Prozent im fernen Jahr 2018. Das steht dann klein im Geschäftsbericht, den nur Fachleute lesen.

Kristina Schröder: Da irren Sie aber! Sie sehen doch, wie groß das Interesse jetzt schon ist. Das wird 2013 erst recht so sein. Dann können die Unternehmen keine wolkigen Absichtserklärungen abgeben, sondern müssen Farbe bekennen. Denn dann werden sie erstmals gesetzlich dazu verpflichtet, sich selbst zu verpflichten. Ich wette mit Ihnen, dass sie

sich ehrgeizige Ziele setzen, schon aus eigenem Interesse. Sie wollen schließlich gute Frauen gewinnen und halten. Und unterschätzen Sie nicht die Macht der Konsumentinnen! Das ist anders als vor 30 Jahren. Heute kann ein frauenfeindlicher Spruch eines Managers ein Unternehmen mehr als nur den Ruf kosten.

ZEIT: Öffentlichen Druck gibt es auch ohne Ihr Gesetz. Und für Unternehmen, die nichts tun, planen Sie keine Sanktionen...

Kristina Schröder: Doch! Natürlich wird es Sanktionen geben, schmerzhafte. Mein Stufenplan sieht vor, dass Aufsichtsräte, die sich keine Quote setzen oder die das eigene Ziel verfehlen, befürchten müssen, dass ihre Wahl angefochten wird.

ZEIT: Frau Schröder, welche Rolle hat die Quote für Ihren eigenen Aufstieg gehabt?

Kristina Schröder: Bei der CDU gibt es keine feste Quote, sondern ein Quorum, das die Partei verpflichtet, 30 Prozent Frauen aufzustellen. Bei der Bundestagswahl 2002 bekam ich vor allem deshalb einen guten Platz auf der Landesliste der hessischen CDU, weil ich Spitzenkandidatin

der Jungen Union Hessen war. Das Quorum hat mir bei meinem Einzug in den Bundestag sicher

geholfen. 2009 habe ich meinen Wahlkreis dann aber direkt gewonnen.

ZEIT: Dann sind Sie ein gutes Beispiel dafür, dass Quoten funktionieren.

Kristina Schröder: Aber wie Sie an Ihrer Frage sehen, bin ich auch ein Beispiel dafür, dass einem das ewig als Makel vorgehalten wird.

ZEIT: Ist das nicht ein Luxusproblem? Sie sind längst in der Position, den Makel zu widerlegen.

Kristina Schröder: Trotzdem ist es nicht schön, sich das anhören zu müssen. Interessanterweise werfen mir das oft Leute vor, die für die Einheitsquote sind.

ZEIT: Verdienen Frauen in der Privatwirtschaft nicht eine ähnliche Chance wie Sie?

Kristina Schröder: Doch! Das Quorum in der CDU hat aber nicht der Gesetzgeber par ordre du mufti gesetzt, sondern die CDU selber! Unternehmen, die sich - wie Parteien auch - selbst Quoten setzen, unterstütze ich genau deshalb. Das zeigt doch, dass staatliche Zwangsbeglückung nicht nötig ist. Eine staatlich verordnete, starre Einheitsquote dagegen greift von außen in die Personalentscheidungen ein. Das ist ordnungspolitisch falsch, verfassungsrechtlich bedenklich und weder mit der Union noch mit der FDP durchsetzbar.

ZEIT: Ist es nicht Daseinszweck der Politik, ein Land und eine Gesellschaft zu gestalten? Wenn die Regierung neue Verkehrsregeln beschließt, gelten die doch auch außerhalb des Regierungsviertels.

Kristina Schröder: Na ja, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Wenn wir bei Ihrem Bild bleiben, müsste der Staat vorschreiben, dass in mindestens 30 oder 40 Prozent der Autos Frauen am Steuer sitzen müssen. Das entspräche der Intensität des Eingriffs, von dem wir hier reden.

ZEIT: Finden Sie? Aufsichtsräte sind doch politisch besetzte Gremien, da sitzen auch Gewerkschafter, alles sauber austariert.

Kristina Schröder: Deshalb gab es ja auch in der CDU immer wieder Vorschläge, eine feste Frauenquote nur für Aufsichtsräte einzuführen. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Denn das hieße: Ausgerechnet in den Vorständen - dort, wo die härtesten Entscheidungen fallen - können die Männer ruhig unter sich bleiben.

ZEIT: Weibliche Aufsichtsräte wären gute Rollenmodelle: Frauen sähen erfolgreiche Frauen. Und Männer sähen sie auch.

Kristina Schröder: Natürlich haben weibliche Aufsichtsräte eine positive Wirkung. Aber in einem Aufsichtsrat herrscht eine ganz andere Kultur als in einer Führungsetage eines großen Unternehmens. Dort wird 80-Stunden-Präsenz erwartet, zu der nur Menschen in der Lage sind, die wenig familiäre Verpflichtungen haben - oder sie outsourcen an ihren Partner, meistens ja die Partnerin. Das muss sich ändern! Deswegen befriedigt mich keine Lösung, die nur bei Aufsichtsräten etwas ändert und damit suggeriert, dass in anderen Bereichen alles so bleiben kann.

ZEIT: Wer oder was hindert Sie und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen eigentlich daran, gemeinsam statt gegeneinander zu arbeiten?

Kristina Schröder: Ich bin als Frauenministerin für das Thema zuständig und habe ein Gesetz vorgelegt, so wie der Koalitionsvertrag das vorsieht. Der Stufenplan trifft auf viel Gegenliebe ...

ZEIT: Wir hatten nach Ihrer Kabinettskollegin gefragt. Leyen gegen Schröder - ist das auch ein Generationenkonflikt?

Kristina Schröder: Nein, es geht nicht um Generationen, sondern um Überzeugungen - und die sind nicht abhängig vom Alter.

ZEIT: Frau von der Leyen will den Wandel erzwingen, mit einer 30-Prozent- Quote, sie wollen ihn herbeimoderieren. Anders als die Arbeitsministerin neigen Sie nicht zu Formulierungen wie "Es ist höchste Zeit, dass...", "Es ist ein Riesenunrecht, wenn...". Sind Sie so flexi wie Ihre Quote?

Kristina Schröder: Ich kann nur von mir reden. Wie gesagt, ich argumentiere nicht gern schwarz-weiß, auch wenn das bessere Schlagzeilen geben mag.

ZEIT: Wann sind Sie aufs Gymnasium gekommen?

Kristina Schröder: 1988.

ZEIT: Die Zeit von Tschernobyl und Volkszählung. Vermutlich hatten Sie viele linke Lehrer, ideologisch aufgeladen...

Kristina Schröder: ...ach, ich weiß schon, was jetzt kommt. Klar, diese Lehrer gab es selbst auf meinem humanistischen Gymnasium. Wir haben damals auch Die Wolke von Gudrun Pausewang gelesen. Und natürlich habe ich die großen "Kein Blut für Öl"-Demos gegen den Golfkrieg miterlebt. Ich bin aber nicht mitgegangen. Weil mich der antiamerikanische Unterton gestört hat.

ZEIT: Unsere Diagnose lautet: Sie sind ein typisches Mitglied der Generation Golf - inklusive Ideologien-Allergie.

Kristina Schröder: Das hätten Sie gerne, nicht wahr? Aber leider falsch. Ich habe eine ausgesprochene Freude an weltanschaulichen Debatten.

ZEIT: Uns kommt es so vor, als hätten Sie nur Freude daran, sich von alten Weltanschauungen abzugrenzen. Sie sind klarer darin, etwa die Positionen von Alice Schwarzer falsch zu finden, als einen eigenen Gegenentwurf zu entwickeln.

Kristina Schröder: In der Tat: Wer den Radikalismus anderer kritisiert, tut gut daran, selbst nicht den nächsten zu propagieren. Ich habe es eben gern etwas differenziert.

ZEIT: Und wir sehen Ihnen den Stolz darauf an.

Kristina Schröder: Wissen Sie, wogegen ich tatsächlich eine Allergie habe? Gegen den staatlichen Versuch, Menschen umzuerziehen. Diese typische Geisteshaltung vieler selbst ernannter Linker hat mich schon als Zehnjährige genervt.

ZEIT: Aber braucht Politik nicht manchmal die Vision? Die radikale Forderung?

Kristina Schröder: Genau, deswegen sage ich auch ganz klar, ich lehne diese sozialistischen Bevormundungen ab. Ja, es gibt verschiedene Weltanschauungen, über die es sich zu streiten lohnt. Für mich gibt es ideologische Gründe dafür, warum ich in der CDU bin, nicht in der SPD.

ZEIT: Hat es auch eine ideologische Bedeutung, dass Sie und die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner - die beiden Bundesministerinnen unter 50 - statt Hosenanzügen auch Röcke tragen?

Kristina Schröder: Für manche mag das eine ideologische Bedeutung haben. Für mich ist ein Rock erst mal nur ein Rock.

ZEIT: Sie können doch nicht leugnen, dass Sie als Ministerin für Frauen und Familie als lebendiges Rollenmodell angesehen werden. Was also sagen uns ein Rock und hohe Schuhe?

Kristina Schröder: Das sagt Ihnen: Ich trage gern Röcke. Aber Sie können das meinetwegen auch als politisches Statement lesen. Als ich Ministerin wurde, hat mir eine Parteikollegin den Rat gegeben, keine Röcke mehr zu tragen - sonst würde ich nicht ernst genommen. Ich habe kurz darüber nachgedacht und dann beschlossen: Das sehe ich überhaupt nicht ein.

ZEIT: Jeder darf also machen, was er will. Sind Sie da nicht doch eine typische Vertreterin Ihrer Generation? Sie wirken nicht so, als wollten Sie die Gesellschaft wirklich verändern oder vorantreiben, sondern als solle jeder seinen Weg allein gehen.

Kristina Schröder: Vielleicht will ich sie nur nicht so verändern, wie Sie das gerne hätten? Die Frage ist doch: Was ist die Aufgabe von Familienpolitik? Ich habe mir zum Ziel gesetzt, den Familien zu helfen, ihr Leben so zu leben, wie sie es leben wollen - und ihnen das nicht vorzuschreiben. Wir können doch von Glück sagen, dass wir uns von alten Leitbildern verabschiedet haben...

ZEIT: ...aber Sie propagieren kein neues.

Kristina Schröder: Stimmt, das tue ich bewusst nicht.

ZEIT: Weil Sie keins haben? Sie könnten doch zum Beispiel das Leitbild der berufstätigen Mutter hochhalten - weil Mütter ohne Beruf im Fall einer Trennung anders als früher nicht lange mit Unterhalt vom Mann rechnen können.

Kristina Schröder: Es geht den Staat nichts an, wie die Rollen in der Familie gelebt werden. Erst wurden die Frauen diffamiert, die trotz ihrer Kinder arbeiten gingen. Heute werden noch dazu diejenigen Frauen diffamiert, die sich aus freien Stücken selber um ihre Kinder kümmern wollen. Eine solche Politik werde ich nicht machen. Aber wenn Sie ein klares Bekenntnis wollen, können Sie es bekommen, nämlich das klare Bekenntnis zur Ehe. Die Ehe mit ihren Rechten und Pflichten verdient die Begünstigung durch den Staat. Dass viele Ehen scheitern, ist noch lange kein Grund, an der Institution selbst zu zweifeln.

ZEIT: Auch Ihr mittlerweile sehr sichtbarer Bauch, Ihre Schwangerschaft, wird als Aussage gedeutet. Hat die Aussicht auf den öffentlichen Rummel Sie zögern lassen?

Kristina Schröder: Nein, mein Mann und ich, wir waren uns immer sicher, dass wir Kinder wollen.

ZEIT: Und jetzt bekommen Sie den kompletten Kulturkampf zu spüren?

Kristina Schröder: Die meisten Menschen haben ausgesprochen positiv reagiert. Aber natürlich bekomme ich auch einiges zu hören. Das reicht von "Wie kann die nur ein Kind bekommen?" bis "Wie kann die jetzt nur weiterarbeiten?". Neulich stand in einem Brief, ich solle keine Cola mehr trinken. Zumindest nicht öffentlich.

ZEIT: Nun haben Sie Frauen wie Alice Schwarzer die Erfahrung voraus, wie es ist, ein Kind zu bekommen.

Kristina Schröder: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie dazu einen Kommentar von mir hören.

ZEIT: Aber glücklich sind Sie?

Kristina Schröder: Ja, ich bin glücklich!

Die Fragen stellten Elisabeth Niejahr und Henning Sußebach. Das Interview erschien am 24. Februar 2011 in "Die Zeit".