Mittelbayerische Zeitung Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig über Familienpolitik und gleichgeschlechtliche Lebensweisen

Manuela Schwesig im Gespräch
Manuela Schwesig© Bildnachweis: Bundesregierung/Steffen Kugler

Mittelbayerische: Frau Schwesig, was hätten gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, die bereits viele Rechte bekommen haben, davon, wenn sie nun auch noch mit der Ehe gleichgestellt würden?

Manuela Schwesig: Weil auch solche Paare, die sich lieben und füreinander Verantwortung übernehmen, völlig zu Recht den Wunsch haben, als vollwertige Ehe anerkannt zu werden. Das allein ist schon ein großer Wert. Des Weiteren ist es nicht zu verstehen, warum diesen Paaren das gleichzeitige Adoptionsrecht verweigert wird. In Deutschland leben rund 7000 Kinder in solchen Regenbogenfamilien. Wer diesen Paaren das Adoptionsrecht verweigert, beschneidet das Recht der betroffenen Kinder auf ihre Adoptiveltern. Die Abstimmung in Irland hat doch gezeigt, dass die Gesellschaft in dieser Frage viel weiter ist, als manche in der Union glauben mögen. Wir sollten diese Paare vollständig mit der Ehe gleichstellen und nicht erst auf einen erneuten Richterspruch warten.

Mittelbayerische: Für wen haben sie mehr Verständnis, für die streikenden Erzieherinnen oder für die frustrierten Eltern, die irgendwie ihre kleinen Kinder unterbringen müssen?

Manuela Schwesig: Für beide. Für die berechtigten Forderungen der Erzieherinnen und Erzieher, die für ihren verantwortungsvollen Job besser bezahlt werden müssen. Verständnis habe ich ebenso für den Frust der Eltern. Der Hort meines Sohnes wurde auch bestreikt. Deshalb weiß ich, wie schwer es zur Zeit viele Eltern haben. Ich erwarte, dass die kommunalen Arbeitgeber mit den Gewerkschaften zügig zu einem Ergebnis kommen.

Mittelbayerische: Ist Deutschland kinderfreundlich, wenn erst per Gesetz Kinderlärm erlaubt werden musste?

Manuela Schwesig: Viele Menschen in Deutschland lieben Kinder und möchten gemeinsam mit Kindern zusammen leben. Dennoch zeigt der Streit um den Kinderlärm, dass Erwachsene meinen, ihre Interessen gingen über die der Kinder. Hier brauchen wir ein Umdenken – hin zu mehr eigenständigen Kinderinteressen- und rechten. Vor allem müssen wir erreichen, dass Kinder gewaltfrei aufwachsen.

Mittelbayerische: Was heißt gewaltfrei, ist der kleine Klaps auf den Po schon zu viel?

Manuela Schwesig: Ja. Ich möchte, dass jegliche Gewalthandlung gegen Kinder unterbleibt. Auch der sogenannte Klaps auf den Po ist falsch und widerspricht dem Gesetz.

Mittelbayerische: Über 100 Milliarden Euro werden jährlich für Familien und Kinder ausgegeben. Ist das in Ihren Augen zu viel oder noch zu wenig?

Manuela Schwesig: Die meisten Familien sind auf Familienleistungen angewiesen. Ohne sie läge das Armutsrisiko von Kindern in Deutschland doppelt so hoch. Man kann über die eine oder andere Leistung streiten, etwa über das Betreuungsgeld oder die Steuerpolitik für Familien, doch wichtig sind die positiven Effekte vieler Leistungen. Wenn es zum Beispiel mehr Kitaplätze und Ganztagsschulen gibt, dann entscheiden sich mehr Menschen für ein oder mehrere Kinder. Auch das Kindergeld benötigen viele Familien. Auch der Kinderzuschlag, der zusätzlich zum Kindergeld bezahlt wird, verhindert Kinderarmut. Wir werden diesen Zuschlag von derzeit 140 auf 160 Euro monatlich erhöhen.

Mittelbayerische: Wie lange noch will der Staat Kinder finanziell unterschiedlich behandeln? Gut verdienende Eltern bekommen über den Steuerfreibetrag mehr für ihre Kinder, als solche, die nur das Kindergeld erhalten.

Manuela Schwesig: Ich kann die Kritik an der Steuerpolitik in Teilen nachvollziehen. Daher werden wir in einem ersten Schritt den Steuerfreibetrag für Alleinerziehende angehoben., Schwierig ist es, dass vom Ehegattensplitting Familien profitieren, die keine Kinder haben, aber rund drei Millionen Familien mit Kindern gar nichts von diesem Splitting haben. Dennoch bleibt es die Aufgabe, das Steuerrecht zu modernisieren und kinderfreundlicher zu machen. Die SPD wird ein Konzept für ein modernes Steuerrecht vorlegen.

Mittelbayerische: Aber die Familien wollen nicht warten. Sie könnten als Ministerin schon jetzt ein Gesetz vorlegen.

Manuela Schwesig: Die steuerliche Besserstellung von Alleinerziehenden habe ich bereits durchgesetzt. Was wir in der Koalition durchsetzen, hängt allerdings auch vom Koalitionspartner ab.

Mittelbayerische: Vor allem wohl vom mächtigen Kassenwart Wolfgang Schäuble, der nicht mehr Geld herausrücken will?

Manuela Schwesig: Dass der Bundesfinanzminister das Geld zusammenhalten will, ist normal. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Leistungsträger der Gesellschaft - und das sind auch die Frauen und Männer, die Kinder haben, arbeiten gehen und vielleicht sogar noch Angehörige pflegen – gerechter behandelt werden. Diejenigen, die sich in unserem Land jeden Tag anstrengen und für andere einstehen, dürfen am Ende nicht die Dummen sein.

Mittelbayerische: Die CSU mosert, Sie hätten das Betreuungsgeld bereits anders verplant, wenn Karlsruhe diese Leistung kippen sollte. Haben Sie?

Manuela Schwesig: Ich rate zu mehr Gelassenheit. Wir werden das Urteil der Verfassungsrichter abwarten und dann in der Koalition beraten, was zu tun sein wird.

Mittelbayerische: Aber kurios ist es schon, dass ausgerechnet Ihr Staatssekretär Ralf Kleindiek, der in seiner Hamburger Zeit gegen das Betreuungsgeld klagte, es nun in Karlsruhe verteidigen muss.

Manuela Schwesig: Mein Staatssekretär hat vor dem Bundesverfassungsgericht die Position vertreten, dass der Bund in diesem Fall die Gesetzgebungskompetenz hat. Mit der Klage kennt er sich bestens aus.

Mittelbayerische: Was ist nach Frauen-Quote, dem Gesetz zu besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege noch an wirtschaftsunfreundlichen Gesetzen von Ihnen zu erwarten?

Manuela Schwesig: Meine Gesetze sind wirtschaftsfreundlich und entlasten sogar nach einer Prüfung des Normenkontrollrates die Wirtschaft durch Bürokratieabbau um acht Millionen Euro . Mein Schwerpunkt ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Und genau das hilft auch den Unternehmen, wenn sie etwa junge, gut ausgebildete Frauen an Bord halten wollen. Rund 90 Prozent der jungen Leute wollen beides: Familie und Beruf. Ich möchte den Familien die Freiheit lassen und sie unterstützen, dieses Lebensmodell auch zu verwirklichen.

Mittelbayerische: Wie oft schalten Sie eigentlich Ihr dienstliches Handy aus?

Manuela Schwesig: Immer dann, wenn ich zu Hause oder im Urlaub bin, bin ich nur über eine Notfallnummer zu erreichen. Es tut niemandem gut, rund um die Uhr sieben Tage die Woche erreichbar zu sein. Die digitale Technik kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen, etwa Homeoffice oder Telearbeit. Doch es sollte die die goldene Regel gelten: Man kann auch abschalten!