Frankfurter Rundschau "Partnerschaftlichkeit wird zum Trend"

Manuela Schwesig im Gespräch
Manuela Schwesig© Bildnachweis: Bundesregierung/Steffen Kugler

Wenn man Menschen in Deutschland bittet, ihre Lebensbereiche in eine Rangfolge zu bringen, dann steht bei 79 Prozent die Familie an erster Stelle. Der Beruf liegt bei sechs Prozent. In einer Welt, die in vielerlei Hinsicht unsicherer wird, gibt Familie Sicherheit, Zuversicht und Zusammenhalt. Dazu passt, dass die Geburtenrate in Deutschland seit einigen Jahren wieder steigt. Ruhepol in den Unsicherheiten des Lebens war Familie allerdings früher auch. Was sich ändert, sind die Rollen von Frauen und Männern.

Das traditionelle Familienmodell, in dem der Vater mit dem Job das Einkommen sichert, während die Mutter zu Hause für die Kinder sorgt, wünschen sich nur noch wenige. Immer mehr Mütter sind erwerbstätig, sie wollen finanziell unabhängig sein und im Beruf vorankommen. Acht von zehn Vätern wiederum wünschen sich mehr Zeit für die Familie. Der Anteil derjenigen steigt, die ein Familienmodell bevorzugen, in dem Vater und Mutter erwerbstätig sind und sich etwa gleich viel um Haushalt und Kindererziehung kümmern. Partnerschaftlichkeit wird zum Trend. Zumindest, was die Wünsche der Familien angeht. In der Lebenswirklichkeit endet der Spagat zwischen Familie und Beruf oft in Zeitstress. Mütter stranden immer noch häufig bei Stellen mit weniger als 20 Wochenstunden, schlechter bezahlt und ohne Karrierechancen. Und die Männer? Die große Mehrheit der Väter mit Kindern unter zwei Jahren erlebt hohe Hürden bei der Vereinbarkeit.

Andererseits zeigen die Erfahrungen: Wenn Väter auch nur eine kurze Elternzeit nehmen, ist der Bann oft schon gebrochen. Jedenfalls wird in diesen Paaren die Familienarbeit auch Jahre später noch gleichmäßiger aufgeteilt. Männer müssen sich also weiter bewegen; es müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Mehr Zeit für Familie muss für Väter eine echte Option sein, unterstützt von Familienpolitik, akzeptiert vom Arbeitgeber und gestützt durch die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Partnerin. Mehr Zeit für Familie und gleiche Berufschancen für Mütter und Väter - das ist der Rahmen einer neuen Vereinbarkeit für Frauen und Männer, die sich Partnerschaftlichkeit wünschen. Moderne Familienpolitik muss verschiedene Familienmodelle berücksichtigen: Paare mit oder ohne Trauschein, getrennt lebende Alleinerziehende, Patchwork- und Regenbogenfamilien.

Dazu müsste zum einen eine Familienarbeitszeit mit Familiengeld eingeführt werden. Eltern, die beide ihre Arbeitszeit auf 28 bis 36 Stunden pro Woche reduzieren, erhalten bis zu zwei Jahre lang 300 Euro im Monat. Für die meisten Mütter sind das etwas mehr Stunden als bisher, für die meisten Väter weniger. Das pauschale Familiengeld würde dafür sorgen, dass sich auch Familien mit kleineren Einkommen Partnerschaftlichkeit leisten können. Ein erster Schritt in Richtung Familienarbeitszeit ist schon gemacht: Seit einem Jahr unterstützt das ElterngeldPlus mit seinem Partnerschaftsbonus die partnerschaftliche Aufteilung von Familie und Beruf in der Elterngeldzeit.

Zweitens sollte Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden. Wir brauchen Betreuungsangebote, damit Mütter und Väter berufstätig sein können, einen Rechtsanspruch auf Schulkindbetreuung und hochwertige Ganztagsangebote. Damit würden die Eltern entlastet und hätten die Gewissheit, dass ihre Kinder gut gefördert werden. Auch hier haben wir bereits angefangen. Der Ausbau der
Kinderbetreuung wird von Bund, Ländern und Kommunen vorangetrieben; ein Bundesprogramm "KitaPlus" unterstützt Einrichtungen, die flexible Öffnungszeiten ausprobieren.

Drittens sollte Digitalisierung genutzt werden. In vielen Branchen wird es selbstverständlich, dass Beschäftigte mobil oder von zu Hause aus arbeiten. Flexible Arbeitsorte und flexible –zeiten verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Natürlich besteht die Gefahr, dass Erreichbarkeit rund um die Uhr den Zeitstress verschärft; ebenso groß ist die Gefahr, im Home Office vom informellen Austausch und von Karrieremöglichkeiten abgehängt zu werden. Hier sind die Arbeitgeber und die Beschäftigten gefragt: Eingebettet in familienfreundliche Arbeitsbedingungen, kann der digitale Wandel zum Treiber für Vereinbarkeit für Mütter und Väter und damit auch für Partnerschaftlichkeit werden.

Und viertens sollten Familienleistungen so angelegt werden, dass sie vor Armut schützen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Steuern - all das muss so gestaltet werden, dass es die Familien besser erreicht, die arbeiten und kleine Einkommen erwirtschaften - und gerade auch die Alleinerziehenden. Alle Eltern müssen es schaffen, genug für die Familie zu erwirtschaften - am besten ohne Transferleistungen. Schon im kommenden Jahr werden die Kinder gestärkt, die von einer Trennung der Eltern betroffen sind und keinen Unterhalt bekommen. Die Altersgrenze beim Unterhaltsvorschuss wollen wir auf 18 Jahre anheben, die Höchstbezugsdauer von 72 Monaten fällt weg. Der Unterhaltsvorschuss leistet einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität dieser Familien. Väter bewegen sich. Vielleicht noch nicht so schnell, wie es sich viele wünschen, aber so deutlich, dass sich die Wünsche von Familie und der Alltag von Familien spürbar ändern. Politik bewegt sich mit.

Manchmal noch nicht so schnell, wie ich es mir wünsche, aber mit dem klaren Ziel, mehr Zeit für Familie für Mütter und Väter zu schaffen. Damit Familie auf neue, moderne, gleichberechtigte Weise das bleibt, was sie immer war: Sicherheit, Zusammenhalt, Nähe, Zuhause - das Wichtigste im Leben der Menschen.

Manuela Schwesig