Bundesministerin von der Leyen: "Wir müssen aus Fehlern lernen, um das Hilfe-Netz für Kinder sicherer zu machen"

Um Kinder besser vor Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlung zu schützen, knüpfen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam am Netz Früher Hilfen zur Unterstützung belasteter Familien. Wie groß das Interesse gerade bei den zuständigen Behörden vor Ort ist, zeigt eine bundesweite Bestandsaufnahme, die das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen erstellt hat. Erste Ergebnisse werden heute in Berlin auf der Fachkonferenz "Wirksamer Kinderschutz - Herausforderungen für die Kommunen", die vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund veranstaltet wird, präsentiert.

Demnach geben 89 Prozent der teilnehmenden Ämter an, bereits im Bereich Früher Hilfen aktiv zu sein. Dabei arbeiten die Jugendämter besonders eng mit Trägern der Familienhilfe, Familienberatungsstellen, Kinderschutzzentren und der Polizei zusammen, während die Gesundheitsämter insbesondere mit Frühförderstellen, Schwangerenberatungsstellen, Kindertageseinrichtungen und dem Sozialpsychiatrischen Dienst kooperieren. Die Arbeit in den Netzwerken führt zu einer deutlichen Verbesserung der Kommunikation und der Kooperation der beteiligten Institutionen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen aber auch, dass die Zusammenarbeit von Gesundheitswesen und Jugendhilfe noch weiter ausgebaut werden muss.

"Ein Drittel aller Kinder, die vernachlässigt und misshandelt werden, sind jünger als ein Jahr. Es sind die Allerkleinsten und Schwächsten, die besonders gefährdet sind. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit und unseren Schutz in besonderem Maß", erklärt die Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen. "Wir müssen deshalb ein dichtes Netz von Hilfen knüpfen, das gefährdete Kinder sicher auffängt und trägt. Die frühen Hilfen müssen lückenlos in ganz Deutschland zwischen der Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, Erziehungs- und Schwangerenberatung, Kindergärten und der Polizei vernetzt werden. Entscheidend ist, dass die Verantwortlichen miteinander kooperieren, damit Kinderschutz nicht dem Zufall überlassen bleibt. Da können und müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir brauchen aber auch den unmissverständlichen rechtlichen Rahmen, um Kinder wirksam schützen zu können. Die Bundesregierung hat deshalb das Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht, um zum Beispiel zu verhindern, dass Familien, die auffällig geworden sind, durch einen Umzug einfach abtauchen können."

Die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer betonte in Berlin, gelingender Kinderschutz brauche neben einer "Kultur des Hinsehens" auch eine "Kultur des Miteinanders". Haderthauer: "Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Stattdessen müssen wir gemeinsam mit den Kommunen ein Qualitätsmanagement schaffen, das aus Fehlern lernt, aber vor allem auch Beispiele guter Praxis aufnimmt. Kinderschutz ist nicht nur - wie das Motto der Konferenz es ausdrückt - eine Herausforderung für die Kommunen, sondern auch eine Chance! Gerade bei den frühen Hilfen können Kommunen das Thema positiv besetzen. Bayern ist hier im Ländervergleich Vorreiter. Ab 2009 bieten wir den Kommunen mit dem Förderprogramm 'Koordinierende Kinderschutzstellen' finanzielle Anreize. Im Verantwortungsbereich der Jugendämter sollen Netzwerke zum Schutz von Kindern aufgebaut werden, die alle relevanten Berufsgruppen einschließen. Die Eckpunkte des Förderprogramms wurden gemeinsam mit den Kommunen entwickelt." Abschließend wies Haderthauer auf die schwierige Kinderschutzarbeit vor Ort hin: "In der Berichterstattung über tragische Einzelfälle kommt häufig zu kurz, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe tagtäglich hochsensible Abwägungen im Sinne des Kindeswohls treffen. Dafür gebührt ihnen höchste Anerkennung. Diese Wertschätzung für soziale Arbeit betone ich besonders - denn über die guten Beispiele wird kaum berichtet!"

"Die Initiative, mit gemeinsamer Kraft und auf allen Ebenen die Qualität im Kinderschutz in Deutschland weiterzuentwickeln, begrüße ich sehr", erklärt Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. "Das wichtige Ziel, den Kinderschutz zu verbessern, werden wir nur erreichen, wenn wir alle Beteiligten in die Pflicht nehmen und den Informationsaustausch optimieren. Auch die wichtige Rolle der Eltern, die nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben und in erster Linie die Verantwortung für ein gedeihliches Aufwachsen ihrer Kinder tragen, darf nicht aus dem Blickfeld geraten. Kinderschutz ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns dauerhaft stellen müssen."

Ein wirksamer Kinderschutz braucht rechtliche Rahmenbedingungen, die den Verantwortlichen Sicherheit durch eindeutige Verfahren geben. Deshalb hat das Bundesfamilienministerium das Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht, das vom Bundeskabinett am 21. Januar 2009 beschlossen wurde. Es sieht vor, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter bei einem Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung einen persönlichen Eindruck vom Kind verschaffen müssen und auch sein Umfeld überprüfen sollen. Weiterhin müssen die Jugendämter die Informationen über Familien, die unterstützt werden müssen, bei deren Umzug an die Behörde am neuen Wohnort weiterleiten. Das Kinderschutzgesetz stellt außerdem klar, dass beispielsweise Ärztinnen und Ärzte ausdrücklich befugt sind bei einer Gefährdung des Kindes das Jugendamt informieren, wenn ein Gespräch mit den Eltern nicht hilft.

Um systematisch aus Fällen von Kindesvernachlässigung oder -misshandlung auch in der Vergangenheit zu lernen, errichtet die Bundesregierung beim Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) gemeinsam mit Ländern und Kommunen eine neue Plattform zum Erfahrungsaustausch. Als ersten Schritt bietet der Bund den Kommunen an, ihr System der Frühen Hilfen von Experten überprüfen und auf Fehler und Lücken untersuchen zu lassen. Darüber hinaus soll das NZFH zukünftig Berichte und Informationen zu Kinderschutzfällen sammeln. Die Auswertung und gegebenenfalls die Fehleranalyse durch Experten werden anschließend bundesweit den Ämtern zur Verfügung gestellt.

Weitere Informationen zu Frühen Hilfen finden Sie unter www.kinderschutz.bayern.de, www.dstgb.de und www.fruehehilfen.de.

Informationen zur "Bundesweiten Bestandsaufnahme zu Kooperationsformen im Bereich früher Hilfen" finden Sie unter www.difu.de.