Beschluss von JFMK und BMFSFJ empfiehlt behutsamen und stufenweisen Wiedereinstieg in die Kindertagesbetreuung

Die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) hat gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium unter Federführung der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg über mögliche Optionen eines schrittweisen Wiedereinstiegs in den Normalbetrieb der Kindertagesbetreuung beraten und einen Beschluss dazu gefasst. Die für Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder und des Bundes empfehlen, in den kommenden Wochen und Monaten aus bildungs- und entwicklungspsychologischen Gründen einen behutsamen Wiedereinstieg in die Kindertagesbetreuung in vier Phasen zu ermöglichen.

Die fachliche Grundlage für den Beschluss hatte zuvor die in der JFMK für Kindertagesbetreuung zuständige Arbeitsgruppe Kita unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise aus den Bereichen Kindheitspädagogik und Hygiene erarbeitet. Der Beschluss der JFMK und des Bundesfamilienministeriums wird in die Beratung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 30. April einfließen. Oberstes Ziel ist unverändert, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und Infektionsketten zu unterbrechen, um schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Dennoch müssen die Belange der Kinder, gerade der Kleinkinder, und die Bedarfe der Eltern stärker berücksichtigt werden.

Die Jugend- und Familienminister sind sich einig, dass die gegenwärtigen Beschränkungen einen schweren Einschnitt für die Kinder darstellen. Sie haben daher beschlossen, dass die Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege in den Ländern behutsam und stufenweise und unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation vor Ort in den folgenden vier Phasen wieder geöffnet werden sollen: von der aktuell bestehenden Notbetreuung (1), über eine erweiterte Notbetreuung (2), einen eingeschränkten Regelbetrieb (3) bis zurück zum vollständigen Regelbetrieb (4).

Dr. Melanie Leonhard, Familiensenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg: „Familien stehen unter großem Druck, und wir sind in der Verantwortung, ihnen eine Perspektive zu bieten. Wir dürfen die Rechte von Kindern und ihre Entwicklungschancen nicht unangemessen einschränken. Auch für Eltern gilt es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Mit diesem Beschluss können nun die Bundesländer, Kommunen und Kita-Einrichtungen jeweils in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen passende Lösungen finden.“

Dr. Joachim Stamp, Familienminister des Landes Nordrhein-Westfalen: „Die Wirkung des Lock-Down auf Kinder hat in den bisherigen Beratungen von Bund und Ländern eine völlig untergeordnete Rolle gespielt. Der Fokus muss nicht nur stärker auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerichtet werden, sondern vor allem auf unsere Kinder. Die Länder brauchen Freiraum, um passgenau auf regionale Unterschiede reagieren zu können, um frühkindliche Bildung und soziale Kontakte für unsere Jüngsten wieder möglich zu machen.“

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Der gemeinsame Beschluss von JFMK und Bundesfamilienministerium ist ein wichtiges und gutes Signal für alle Familien in ganz Deutschland. Wir haben ihre besondere Situation im Blick und einen gemeinsamen Rahmen für ein bundesweites Vorgehen vereinbart, wie es für die kleineren Kinder in den Kitas und in der Kindertagespflege perspektivisch weitergehen kann. Das ist ein Fortschritt. Dabei ist klar, dass nur eine schrittweise Öffnung möglich ist - immer unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens direkt vor Ort in den jeweiligen Ländern. In einem ersten Schritt öffnen wir die Betreuung für Kinder, die besondere Hilfestellung brauchen. Aber auch für alle anderen muss es eine Perspektive geben. Jedes Kind sollte sobald wie möglich wieder seine Kita besuchen können, wenn auch unter den nötigen Einschränkungen. Die Familien erwarten nun zeitnah konkretere Aussagen darüber, wann die nächsten Schritte erfolgen können.“

Manne Lucha, Vorsitzender der JFMK und Sozialminister des Landes Baden-Württemberg: „Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern für die konstruktiven und guten Beratungen im Sinne der Kinder. Insbesondere möchte ich im Namen der JFMK den Erzieherinnen und Erzieher, der Kinderpflegerinnen und -pfleger und der Tagespflegepersonen danken. Sie leisten in schwierigen Zeiten einen herausragenden Beitrag für unsere Gesellschaft. Mit dem gemeinsamen Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz geben wir den KiTa-Einrichtungen im Land eine klare Perspektive und nehmen Kinder und deren familiäre Situation auch während der Corona-Pandemie in den Blick. Gerade Kindern ist durch die gegenwärtige Einschränkung ein großer Teil des gewohnten Tagesablaufes abhandengekommen und nicht selten eine Art zweites Zuhause mit für sie wichtigen Bezugspersonen weggebrochen. Das stufenweise Konzept von der Notbetreuung hin zum Regelbetrieb wird dem dringend notwendigen Kinderschutz auf der einen und dem Gesundheitsschutz der Menschen auf der anderen Seite gleichermaßen gerecht.“

Die JFMK rät in ihrem Positionspapier, dass insbesondere in der Phase der erweiterten Notbetreuung nach jedem einzelnen Erweiterungsschritt zunächst mindestens zwei Wochen lang das Infektionsgeschehen beobachtet wird, bevor eine weitere Maßnahme folgen kann. Leitend ist dabei, dass das Infektionsgeschehen weiterhin verlangsamt wird und im Fall von Infektionen, alle Betroffenen umgehend identifiziert werden können. Zudem sollen sich die Länder bei den anstehenden Entscheidungen zu den schrittweisen Erweiterungen der Betreuung möglichst an den Bedarfen für die frühkindliche Entwicklung orientieren; genannt werden in diesem Zusammenhang Kinder, deren Betreuung in Folge zur Wahrung des Kinderschutzes und des Kindeswohls erforderlich ist, die einen besonderen Förderbedarf (z.B. Sprachförderbedarf) haben, sowie Vorschulkinder.

Einzubeziehen sind daneben besondere Betreuungsbedarfe der Eltern, deren Tätigkeit für die Daseinsvorsorge oder für die Aufrechterhaltung der wichtigen Infrastrukturen oder der Sicherheit bedeutsam ist, von Alleinerziehenden sowie von Eltern, die z.B. körperliche oder psychische Beeinträchtigungen haben.

Bei einem behutsamen Wiedereinstieg in die Kindertagesbetreuung muss nach Ansicht der JFMK das Infektionsgeschehen kontinuierlich beobachtet und neu bewertet werden. Darüber hinaus muss auch auf die besondere Situation der Erzieherinnen und Erzieher sowie Tagespflegepersonen eingegangen werden.

Da sich ein Distanzgebot in der Arbeit mit Kindern im Alter bis zur Einschulung kaum umsetzen lässt, muss es durch Hygienepläne sowie Reinigungs- und Desinfektionspläne bestmöglich ausgeglichen werden. Gefordert sind dabei insbesondere die Träger, die die Verantwortung für Personaleinsatz, Arbeitsschutz, Organisation und pädagogische Konzeption haben.

Die stufenweise Öffnung der Kindertagesbetreuungsangebote soll von breit angelegten Studien unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes begleitet werden, um die mögliche Übertragung des Virus in diesen Settings beurteilen zu können. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beabsichtigt, das Robert-Koch-Institut und das Deutsche Jugendinstitut – eventuell auch im Verbund mit anderen Forschungsvorhaben - mit einer aussagekräftigen Studie zu beauftragen.

Zur Entlastung der Familien schlagen die Ministerinnen und Minister des Bundes und der Länder zudem vor, die Öffnung von Spielplätzen und Einzelspielgeräten im öffentlichen Raum zu überprüfen. Außerdem soll die Erlaubnis familiärer Betreuungsformen in Betracht gezogen werden, um Kindern, die im Rahmen der stufenweisen Öffnung nicht an der Kindertagesbetreuung teilnehmen können, ein kleines Maß sozialer Kontakte zu ermöglichen und ihre Eltern zu entlasten.