Frauen vor Gewalt schützen Konkrete Hilfsmaßnahmen mit den Bundesländern verabredet

Dr. Franziska Giffey auf der Pressekonferenz zur Initiative "Stärker als Gewalt" vor einem Plakat zu Gewalt an Frauen
Dr. Franziska Giffey beim Start der Initiative "Stärker als Gewalt" des Bundesfrauenministeriums am 25. November 2019 © Thomas Imo/photothek.net

Die Corona-Krise hat auch besondere Auswirkungen auf die Lebenssituation von Frauen. Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey hat deshalb mit den Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -ministern der Bundesländer zehn Maßnahmen vereinbart, die Frauen jetzt konkret helfen können.

Dr. Franziska Giffey:

"Es ist wichtig, dass Frauen jetzt schnell und unbürokratisch Schutz und Beratung bekommen. Gemeinsam können Bund, Länder und Kommunen viel dafür tun. Frauen, die zu Hause Gewalt erfahren, brauchen Rettungsanker wie das Hilfetelefon oder einen sicheren Zufluchtsort. Dass einzelne Kommunen dafür bereits leerstehende Wohnungen oder Hotels anmieten, zeigt, was alles möglich ist. Und auch bei der Beratung von Schwangeren in Konfliktsituationen muss das übliche Verfahren der Lage angepasst und auf Telefon- oder Internet-Kommunikation umgestellt werden. Es ist jetzt die Zeit für pragmatische und unkonventionelle Lösungen. Da, wo Hilfe gebraucht wird, muss geholfen werden."

1. Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" aufrechterhalten

Es ist wichtig, dass das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 08000 116 016 weiterhin rund um die Uhr und in 18 Sprachen Betroffene, für deren soziales Umfeld und für Fachkräfte berät. Beim Hilfetelefon wird alles unternommen, um dessen Betrieb und Funktionsfähigkeit trotz der Corona-Krisenlage aufrechtzuerhalten. Anrufende müssen aufgrund geringerer personeller Besetzung mit Beraterinnen allerdings eventuell mit Wartezeiten rechnen.

2. Hilfetelefon "Schwangere in Not" aufrechterhalten

Damit schwangere Frauen in Konfliktlagen unverzüglich eine Ansprechpartnerin finden, bleibt auch das Hilfetelefon "Schwangere in Not" unter der Nummer 0800 40 40 020 durchgängig in Betrieb. Denn Frauen in Not müssen zu jeder Zeit die erforderliche Hilfe und Unterstützung erhalten können.

3. Schwangerschaftskonfliktberatung aufrechterhalten

Dringend notwendig bleibt die Unterstützung schwangerer Frauen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz. Das Gesetz bietet Spielraum dafür, dass Schwangerschaftskonfliktberatung zum Beispiel online und per Telefon durchgeführt und die Beratungsbescheinigung zur Fristwahrung per E-Mail oder Post ohne persönliches Erscheinen der Schwangeren versendet werden kann.

4. Ausbau von Frauenhäusern und Hilfseinrichtungen fördern 

Seit Januar 2020 unterstützt der Bund den Ausbau von Frauenhäusern und anderen Hilfseinrichtungen mit dem Bundesinvestitionsprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen". Das Volumen liegt bei 120 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren. Um in der aktuellen Situation möglichst viele Anträge bewilligen und die in diesem Haushaltsjahr zur Verfügung stehenden Bundesmittel möglichst weitgehend ausschöpfen zu können, werden die Antragsfristen erweitert. Die erste Antragsfrist endet am 30. Juni, die zweite am 15. September. Der Abgabeschluss im folgenden Jahr ist der 31. März 2021.

Alle aktuellen Informationen zum Bundesinvestitionsprogramm und dem Förderverfahren finden Sie auf der Website des Bundesfamilienministeriums.

5. Frauenhaus- und Frauenberatungsinfrastruktur schützen

Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen stehen durch die Corona-Auswirkungen - wie viele andere soziale Dienste auch - vor besonderen Herausforderungen und Belastungen. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam alles tun, um diese Einrichtungen auch in der Krise arbeitsfähig zu halten und zu verhindern, dass sie in eine bedrohliche finanzielle Schieflage geraten.

Im Sozialschutz-Hilfspaket der Bundesregierung sind im Kontext der Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 Instrumente enthalten, mit denen ausdrücklich auch für Gewaltschutzeinrichtungen Auffangmöglichkeiten geschaffen werden. Dazu gehören Frauenhäuser und Fachberatungsstellen, die in einem Rechtsverhältnis zu Leistungsträgern des Sozialgesetzbuches stehen.

Auch die Belange von Menschen mit Behinderung und ihr Unterstützungsbedarf finden in diesem Entwurf ausdrücklich Berücksichtigung.

6. Corona-bedingte Engpässe bei Frauenhauskapazitäten pragmatisch lösen

Sofern wegen des Corona-bedingten Wegfalls von Unterbringungsmöglichkeiten in Frauenhäusern oder aufgrund akut ansteigender Nachfrage nach Schutzplätzen dringend neue Kapazitäten benötigt werden, sollten auch unkonventionelle Wege in Erwägung gezogen werden. Beispielsweise könnte die kurzfristige Anmietung von Hotels und Ferienwohnungen geprüft werden. Sachgerechte Lösungen können hierfür allein vor Ort durch Kommunen und Länder gefunden werden.

Die Frauenhauskoordinierung und die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) als Vernetzungsstellen der Frauenhäuser auf Bundesebene haben bereits mehrere Sonderinformationen und Hinweise für ihre Mitgliedseinrichtungen bereitgestellt.

7. Prostituierte schützen

Die Beschränkungen zum Zwecke einer langsameren Ausbreitung des Coronavirus haben auch nachhaltige Auswirkungen auf den gesamten Bereich der Prostitution, insbesondere auf die wirtschaftliche und soziale Lage von Sexarbeitenden. Hierzu gehört insbesondere, dass viele in der Prostitution tätige Personen aufgrund der Schließungen von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen von Obdachlosigkeit bedroht sind. Durch den Einbruch der finanziellen Einnahmen fehlen die Mittel für alternative Übernachtungsmöglichkeiten.

Die Bundesländer sind für die Anwendung und Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes zuständig. Dies ermöglicht gerade auch in der gegenwärtigen Situation, dass sachgerechte Entscheidungen unter Berücksichtigung der konkreten Bedingungen vor Ort getroffen werden können. Das Bundesfrauenministerium bietet den Ländern Auslegungshinweise an, welche sie bei ihren eigenen Entscheidungen mit einbeziehen können.

Die Schließung von Prostitutionsbetrieben bedeutet nicht, dass Sexarbeitende nicht mehr in diesen übernachten dürfen.

8. Landespolizeigesetze und Gewaltschutzgesetz nutzen

Bedingt durch die Corona-Krise könnte es zu einem Anstieg der Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt kommen. Umso wichtiger ist, dass die Betroffenen die ihnen zur Verfügung stehenden Schutzmechanismen nach dem Gewaltschutzgesetz und nach den Landespolizeigesetzen kennen und nutzen.

Nach dem Gewaltschutzgesetz können Opfer von häuslicher Gewalt zivilrechtliche Schutzanordnungen wie Kontakt-, Näherungs- und Belästigungsverbote gegen den Täter oder die Täterin beantragen sowie die Wegweisung der gewalttätigen Person aus der Wohnung erwirken. Entsprechende Entscheidungen treffen die Familiengerichte.

Auch die Polizei kann eine gewalttätige Person aus der Wohnung verweisen und - soweit landesrechtlich bestimmt - eine solche polizeiliche Wegweisung für mehrere Tage aussprechen.

In der aktuellen Situation sollten alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, den Täter aus der Wohnung zu verweisen, um Frauen und Kinder zu schützen.

9. Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit stärken

Länder, die Täterarbeit fördern, sollten die besondere Situation während der Corona-Pandemie berücksichtigen, falls Täterarbeitseinrichtungen ihrer wichtigen Tätigkeit nicht wie gewohnt nachgehen können. Arbeit mit den Tätern bei häuslicher Gewalt ist ein enorm wichtiger Baustein zur Prävention häuslicher Gewalt.

Wegen der Corona-Auswirkungen empfiehlt die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt (BAG TäHG) aktuell ihren knapp 80 Mitgliedsorganisationen, von persönlichen Kontakten mit Klienten bis auf Weiteres abzusehen, das heißt, Gruppen-, Einzel- sowie Paargesprächsangebote sollten ausgesetzt werden. Dennoch sollten anderweitige Kontakte mit Klienten möglich sein, diese sollten sich auf Telefon oder online beschränken.

Das Bundesfrauenministerium und die BAG TäHG möchten die Qualität von Täterarbeit durch eine bundesweite Vernetzung verbessern. Die BAG TäHG soll mithilfe einer Förderung in die Lage versetzt werden, ihre bisherige Arbeit weiter auszubauen. Die in der Istanbul-Konvention vorgesehene Kooperation mit spezialisierten Hilfsdiensten für Opfer ist ein wichtiger Schwerpunkt dieser Arbeit.

10. Initiative "Stärker als Gewalt" bündelt Hilfsangebote

Die Website der Initiative "Stärker als Gewalt" des Bundesfrauenministeriums bündelt bestehende Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und Männer und zeigt praktische Maßnahmen und Wege zur Hilfe und Unterstützung auf.

Um Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind oder sich in anderen akuten Krisensituationen befinden, eine noch schnellere Übersicht und schnellen Zugang zu den wichtigsten telefonisch und online erreichbaren (Notfall-)Hilfsangeboten zu bieten, werden diese direkt beim Öffnen der Website auf einen Blick angezeigt. Die Website bietet auch Informationen und Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Männer.