Familie unterm Regenbogen

Andrea Frank und Dr. Judith Hermes mit ihrer Tochter Johanna
Andrea Frank und Dr. Judith Hermes mit ihrer Tochter Johanna© Bildnachweis: Judith Affolter

Johanna  und Jana wachsen rundum behütet auf. Nur eines unterscheidet sie von anderen Kindern: Sie haben zwei Mütter beziehungsweise zwei Väter. Aber macht das wirklich einen Unterschied? Die bunten Geschichten zweier Regenbogenfamilien.

Johanna ist ein echtes Wunschkind. Ihre Eltern sind glücklich, seit 19 Jahren in einer festen Beziehung. Die Zweijährige erfährt all die Liebe, Geborgenheit und Zuwendung, die ein kleiner Mensch braucht. Johanna ist rundum behütet. Und doch nagen an ihren Eltern manchmal Zweifel, ob Johanna für ein gesundes Heranwachsen wirklich alles Notwendige bekommt. Aber so geht es allen Eltern.

Andrea Frank (43) und Dr. Judith Hermes (40) sind Mami und Mama, sie haben Johannas Existenz mit größter Umsicht geplant. Erst nach sorgfältiger Abwägung aller juristischen, emotionalen und praktischen Fallstricke und Argumente haben sie sich ganz bewusst für ein Kind entschieden. Für sie ist es gut zu wissen, dass es noch andere gibt, die Kinder aufziehen wie sie. Und es werden immer mehr.

Zahl der Regenbogenfamilien explosionsartig gestiegen

1000 Mal hat Constanze Körner (41) in den vergangenen zwei Jahren, seit Gründung des Berliner Regenbogenfamilienzentrums, Lesben, Schwule und Transgender beraten. In 90 Prozent der Fälle ging es um das Thema Kinderwunsch. "Seit der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft 2001 hat die Zahl der Regenbogenfamilien explosionsartig zugenommen", sagt die Leiterin der Einrichtung. "Durch die rechtlichen Veränderungen hat sich auch das Selbstbewusstsein der Homosexuellen verändert. Familie und Kinder waren bis dahin Heterothemen."

"Wir haben drei Kinder und mein Mann ist Vollzeit berufstätig. Ich selbst bin seit sieben Jahren in Elternzeit. Erst kam Jana (7) dann Jerome (4) und nun Tom* (3 Monate)." So beschreibt Michael Korok (39) seine Lebenswirklichkeit. Kinder wurden für ihn und seinen Mann Thema, als ein befreundetes lesbisches Paar sie für eine Mehr-Elternfamilie oder als Samenspender gewinnen wollte. "Wir wollten Kinder", sagt Korok, "aber wir wollten mit ihnen leben und nicht nur Besuchsväter sein."

Schwule und lesbische Paare als potenzielle Pflegeeltern entdeckt

Jana hat mittlerweile noch zwei kleine Brüder bekommen, sie trägt rosa, Jerome blau. Baby Tom schläft unter einer pinken Hello-Kitty-Decke in seiner Babyschale, während die beiden Großen auf dem Spielplatz herumtoben. Bei der Wahl der Lebensform geht Michael Korok jegliche missionarische Verbissenheit ab. Was nicht heißt, dass er keine Ziele verfolgt. Er ist ehrenamtlicher Vorstand des Lesben-und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg. Unmissverständlich macht Korok deutlich, dass seine Lebenspartnerschaft eigentlich "Ehe" heißen und gleichgestellt sein muss.

Großeltern sehnen das Enkelkind herbei, leiblich oder nicht

Andrea Frank und Judith Hermes haben den komplizierten Prozess von Johannas Zeugung gemeinsam initiiert und organisiert. Sie haben gemeinsam nach einem Arzt gesucht, der die Kinderwunschbehandlung vornimmt, und bei der Samenbank die Kreuzchen bei den Spendermerkmalen gemacht. Sie haben die ganz unromantischen Seiten der Zeugung durchlebt: lange Spritzen, Petrischalen, Fotos von Zellteilungen.

Sie haben gemeinsam dem positiven Schwangerschaftstest entgegengefiebert. Das schlagende Herzchen im ersten Ultraschall hat sie beide restlos erobert. Auch bei den Großelternpaaren in den katholisch geprägten Dörfern im Rheinland und in der Eifel sehnte man dieses Kind herbei, leiblich oder nicht.

Adoption war ein langwieriger Prozess

Dann wurde Johanna geboren. Bis alles seine verwandtschaftliche Ordnung hatte, dauerte es. Auf der Geburtsurkunde stand nur der Name einer Mutter und "Vater unbekannt". Die Co-Mutter nahm die Adoption in Angriff. Ein langwieriges Verfahren. Es galt zu beweisen, dass die Adoption Johannas Kindeswohl dient. Ein gutes Jahr hieß es Hoffen und Warten. "Unwürdig", sagt Judith Hermes, sei das Adoptionsverfahren gewesen. Doch nun steht auf Johannas Geburtsurkunde "Eltern 1" und "Eltern 2".

Kinder sind wichtig, nicht das Geschlecht der Eltern

Auf Ablehnung, sagen sowohl Andrea Frank und Judith Hermes als auch die Koroks, stoßen sie als Regenbogenfamilie eigentlich nie. Die Kinder seien den Leuten wichtig, sagt Michael Korok, nicht das Geschlecht der Eltern. Das gilt in Berlin genauso wie im Saarland, der Heimat seines Mannes. "Wenn ein schwules Paar den Dorf-Konsum führt, bringt der Doktor mit Mann und drei Kindern das Weltbild der Leute auch nicht mehr ins Wanken." 

Von kleinen alltäglichen Benachteiligungen erzählten ihr Familien oft, sagt Constanze Körner. Wenn im Zoo die Familienkarte abgelehnt wird oder Formulare wieder nur die gängige Familienform vorsehen. Vor allem für die Kinder wünscht sie sich, dass alternative Lebensentwürfe stärker berücksichtigt und in Kita und Schule stereotype Geschlechterrollen aufgebrochen werden. Geplante Wunschkinder wie Johanna und Pflegekinder wie Jana, Jerome und Tom könnten dann erleben, dass jede Familie zwar einzigartig ist, glückliche Familien sich aber alle ähneln.

*Namen geändert